powered by Motorsport.com

Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat

Mercedes hat in der Formel 1 mit sechs Doppel-Weltmeisterschaften in Serie einen neuen Rekord aufgestellt - Ruben Zimmermann würdigt diese historische Leistung

Titel-Bild zur News: Valtteri Bottas, Toto Wolff

Toto Wolff führte Mercedes zum sechsten Mal in Folge zu beiden WM-Titeln Zoom

Liebe Leserinnen und Leser,

es gibt Tage, da fällt es mir schwer, einen Protagonisten für diese Kolumne auszuwählen. So ein Tag ist heute nicht. Denn traditionell widmen wir diese Kolumne nach einem gewonnen WM-Titel jeweils dem neuen Weltmeister. Das ist in diesem Jahr Mercedes - wieder einmal. Im mittlerweile sechsten Jahr in Folge tütete man in Suzuka Fahrer- und Konstrukteurs-WM ein.

Das kann man nun als langweilig abtun, und damit liegt man in gewisser Hinsicht sicher nicht ganz falsch. Denn abwechslungsreich waren die vergangenen Jahre beim Blick auf die Siegerlisten nicht immer. Fakt ist aber auch, dass Mercedes in diesem Jahr etwas Historisches geschafft hat. Sechsmal in Serie beide WM-Titel zu gewinnen, das schaffte in der Königsklasse zuvor noch niemand.

McLaren in den 1980ern nicht, Williams in den 1990ern nicht, und nicht einmal Ferrari in den 2000er-Jahren.

Irgendwann reißt jede Serie einmal. Das wissen wir aus der Vergangenheit. Die Leistung von Toto Wolff und Co. besteht darin, diesen Zeitpunkt länger hinauszuzögern, als es je zuvor jemand geschafft hat. Das kann man jetzt auf das aktuelle Formel-1-Reglement schieben und auf die Tatsache, dass Mercedes vor allem zu Beginn der Hybridära ein überlegenes Paket hatte.

Aber das greift zu kurz.

Noch immer keine Erfolgsmüdigkeit bei Mercedes

Ich persönlich würde dieses Argument zumindest höchstens für die ersten drei Jahre zwischen 2014 und 2016 durchgehen lassen. Damals hatte man ganz sicher das mit Abstand beste Paket im Feld. Doch spätestens ab 2017 hatte man mit Ferrari wieder einen echten Herausforderer. Den hat man nun dreimal in Folge geschlagen. Das ist nach so einer langen Siegesserie alles andere als selbstverständlich.

Eigentlich ist es absurd. Denn normalerweise würde man erwarten, dass Ferrari, das seit dem Konstrukteurstitel 2008 keine einzige WM mehr gewinnen konnte, deutlich hungriger ist, während in Brackley langsam eine Erfolgsmüdigkeit einsetzen müsste. Gefühlt ist aber genau das Gegenteil der Fall. Immer, wenn Mercedes von Ferrari unter Druck gerät, schafft man es, den Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen.

Sowohl 2017 als auch 2018 hatte es Ferrari zu einem Zeitpunkt der Saison jeweils selbst in der Hand, Mercedes zu entthronen. Und selbst 2019 hätte die Scuderia den Titelkampf zumindest etwas länger offen gestalten können, wenn man in der ersten Saisonhälfte nicht völlig neben der Spur gewesen wäre. In allen drei Fällen schaffte man das nicht.

Mercedes im entscheidenden Moment immer zur Stelle

Natürlich machte in den vergangenen sechs Jahren auch Mercedes Fehler. Geht man zum Beispiel nach dem Funk von Lewis Hamilton, ist mindestens in jedem zweiten Rennen die Strategie kompletter Murks. Aber das ist ein anderes Thema. Fakt ist, dass die Fehlerquote bei Mercedes einfach deutlich geringer ist als bei den Gegnern.

Vergleicht man die Situation mit einem Fußballspiel, dann bräuchte Ferrari ungefähr drei Großchancen für ein Tor. Mercedes dagegen nur eine oder zwei. Selbst wenn Mercedes also - im übertragenen Sinne - schlechter spielt, gewinnt man die Partie am Ende wahrscheinlich trotzdem, weil man einfach effektiver ist. Diese Effektivität hat die Silberpfeile in den vergangenen Jahren immer ausgezeichnet.

Vor zwei Jahren hat mein Kollege Christian Nimmervoll an dieser Stelle - nach dem damals vierten Mercedes-WM-Titel - über das "System Mercedes" beziehungsweise" System Toto Wolff" geschrieben. Das könnte man auch 2019 - mit einigen Anpassungen - wieder genau so übernehmen. Das spare ich mir an dieser Stelle, verweise aber an dieser Stelle gerne noch einmal auf die Kolumne von damals.

Auch 2020 wird man nicht nachlassen

Und so werden wir uns also auch vor der Saison 2020 wieder die Frage stellen, ob die Mercedes-Dominanz in diesem Jahr endet. Die Antwort darauf kann heute noch niemand geben. Klar sollte aber sein, dass man in Brackley und Brixworth auch im neuen Jahr keinen Millimeter nachgeben wird. Die Antwort für Red Bull, Ferrari und Co. kann nur lauten, noch härter als Mercedes zu arbeiten.


Das Mercedes-Team erinnert sich an Niki Lauda

Teammitglieder des Weltmeisterrennstalls erinnern sich in persönlichen Anekdoten an Niki Lauda - ehrlich, berührend, sehr privat Weitere Formel-1-Videos

Bevor es soweit ist, darf aber noch einmal gefeiert werden - womöglich bereits in zwei Wochen. Dann nämlich, wenn Lewis Hamilton seinen sechsten WM-Titel perfekt macht. Auch der schafft nämlich gerade ähnlich Historisches wie sein Arbeitgeber. Aber dazu mehr zu gegebener Zeit, wenn wir uns an dieser Stelle mit dem neuen (alten) Weltmeister befassen werden.

Das letzte Wort richtet sich daher stattdessen an einen Mann, der diesen Erfolg zwar nicht mehr miterleben konnte, allerdings auch zu dessen geistigen Vätern zählt. Niki Lauda mag es nicht mehr vergönnt gewesen sein, diesen sechsten Titel mit seinem Team zu feiern. Im Himmel wird aber auch er ganz sicher sein Kapperl vor dieser Leistung gezogen haben.

Und das sollten wir alle tun.

Ihr


Ruben Zimmermann


Ruben Zimmermann

P.S.: "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" fand jahrelang jeden Montag auf unseren Portalen Formel1.de und Motorsport-Total.com statt. 2019 ist sie umgezogen zu de.motorsport.com. Wen es dieses mal getroffen hat, können Sie hier nachlesen!