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  • 13.10.2019 17:59

  • von Maria Reyer, Co-Autor: Adam Cooper

Mercedes bricht den Ferrari-Rekord: "Niki würde seine Kappe ziehen"

Das Mercedes-Team gewinnt in der Formel-1-Saison 2019 den Fahrer- und Konstrukteurs-WM-Titel, das steht nach dem Grand Prix von Japan fest

(Motorsport-Total.com) - Mercedes schreibt erneut Formel-1-Geschichte. Sechs Fahrer- und Konstrukteurs-Weltmeistertitel in Serie konnte noch kein Rennstall vor den Silberpfeilen gewinnen. 2019 wird die Mannschaft von Toto Wolff diesen Rekord aufstellen. Die Teamwertung entschied Mercedes dank des Sieges von Valtteri Bottas und des dritten Rangs von Lewis Hamilton bereits in Japan für sich, der Fahrertitel könnte bereits in Mexiko entschieden werden.

"In den vergangenen sieben Jahren hat dieses Team einen unglaublich guten Job gemacht und sich jedes Jahr weiterentwickelt und verbessert. Ich bin stolz darauf, ein Teil davon zu sein und meinen Beitrag dazu zu leisten. Heute haben wir uns Champagner verdient", lacht Lewis Hamilton nach dem Japan-Grand-Prix, während im Hintergrund die Queen-Hymne "We are the Champions" aus den Lautsprechern dröhnt.

Der Brite feierte bereits den ersten Doppelpack 2014 mit der Mannschaft aus Brackley und Brixworth. Sechs Jahre später ist seine Stimmung trotz der Champagnerdusche und dem Glitzerregen ein wenig getrübt. Denn ein wichtiger Wegbereiter dieses Erfolgs feiert am Sonntag in Suzuka nicht mit.

"Es fühlt sich natürlich ein wenig anders an heute. Ich würde nicht sagen, dass ich so glücklich bin wie in den Vorjahren, denn wir haben Niki verloren", erinnert Hamilton an den traurigen Verlust von Aufsichtsratschef Niki Lauda, der im Mai verstorben ist.

"Ohne ihn fühlt es sich nicht gleich an. Ich bin natürlich sehr stolz auf das Team, in der Fabrik und an der Rennstrecke. Und ich weiß, dass Niki seine Kappe ziehen würde für das heutige Ergebnis. Wir verdanken ihm sehr viel", weiß der Champion. Er widmet den Konstrukteurstitel dem dreimaligen Weltmeister.

"Ich denke wir alle werden diesen Titel Niki widmen." Mercedes-Teamchef Toto Wolff stimmt seinem Fahrer zu. Er stellt sich nach den Feierlichkeiten samt Teamfoto vor, was Lauda in seiner typisch pragmatischen Art zu ihm sagen würde: "'Herzlichen Glückwunsch zum sechsten Titelgewinn, aber nächstes Jahr wartet die nächste Herausforderung.' Das war seine Art, um sicherzustellen, dass wir niemals selbstgefällig werden."

Hamilton: Rote Kappe vor dem Rennen angesehen

Danach würde er gemeinsam mit der Rennlegende nach Europa zurückfliegen. "Er würde herumdrucksen und sagen, dass er keine Freunde hat, und ich zumindest ein halber bin", erinnert er sich an die berührende Szene zurück, die sich vor zwei Jahren auf dem Rückflug nach Suzuka ereignet hatte.

"Ich vermisse ihn. Das wollen wir ihm widmen. Er war von Beginn an ein wichtiger Teil dieser Reise. Seine reine Anwesenheit war immer so wichtig, seine Mischung aus Unterstützung und Druck. Er war eine besondere Person", huldigt Wolff seinen Landsmann.

Er denke weiterhin jeden Tag an den charismatischen, dreimaligen Weltmeister. Dabei überlegt Wolff oft, was sich Lauda wohl denken würde: "Ich denke jeden Tag an ihn und es fällt mir noch immer schwer, zu glauben, dass er nicht mehr da ist. Ich denke mir immer: 'Was würde wohl Niki sagen? Was würde er davon halten?'"

Es sei nach wie vor schwer zu glauben, dass Lauda nicht mehr unter uns weilt. "Wenn wir mit Freunden zusammen sind, mit seiner Frau Birgit und Susie, ist es surreal, dass er nicht mehr da ist. Er war eine Legende." Den Verlust des "Leitsterns" könne man nicht ausgleichen, weiß der Teamchef.

In der Mercedes-Garage erinnert die rote Kappe an Lauda. Die durfte auch bei den Feierlichkeiten in Suzuka nicht fehlen. "Jedes Mal wenn ich in die Garage gehe, sehe ich Nikis Kopfhörer und seine rote Kappe am Eingang. Heute habe ich sie mir wieder angesehen, bevor ich ins Auto gestiegen bin", schildert Hamilton.

Er ist sich sicher, dass sein Mentor "sehr stolz" auf das gesamte Team wäre. Wie auch er selbst, betont der Brite. "Ich bin jetzt sieben Jahre lang in diesem Team. Aber eigentlich bin ich schon seit ich 13 Jahre alt bin bei Mercedes und ich bin unfassbar stolz, einen Silberpfeil fahren zu dürfen."

Hamilton kennt das Geheimnis: "Hungrig" wie am ersten Tag

Als er 2013 - dank Laudas Mitwirken - von McLaren zu Mercedes wechselte, konnte er den "totalen Glauben" spüren, dass man gemeinsam "etwas Besonderes" schaffen könnte. Dass das Team nun auf einer Stufe steht wie Ferrari zu dessen Glanzzeit mit Michael Schumacher 2004, sei unglaublich.

"Das ist es schon verrückt zu sehen, dass wir das auch tatsächlich verwirklichen konnten." Was macht sein Team so unschlagbar? Hamilton glaubt das Geheimnis zu kennen: "Schon als ich das erste Mal in der Fabrik war, konnte ich ihre Hingabe spüren. Und das änderte sich auch mit all den Erfolgen über die Jahre nicht."

Seine Mannschaft sei weiterhin "hungrig und getrieben", auch nach 86 Siegen in den vergangenen sechs Jahren. "Als wir diese Reise vor sechs oder sieben Jahren angetreten haben, wollten wir regelmäßiger Rennen gewinnen und um Titel kämpfen", erinnert sich Wolff an die Ansprüche.

"Und sechs Jahre später ist es die sechste Meisterschaft in Folge. Das freut mich für alle Beteiligten. Dahinter stecken viel harte Arbeit und auch einige schmerzhafte Momente. Aber das Team hat sich immer wieder aufgerafft." Und das obwohl der Druck "immens" gewesen sei.

Schließlich liegt die Erwartung nicht nur bei Experten, Beobachtern, Medien und Fans sehr hoch, die eigene Messlatte lege man sich selbst in Wahrheit noch höher, gibt Wolff zu. "Und wenn man diese Erwartungen nicht erfüllt, ist das schmerzhaft, weil man sich daran gewöhnt. Aber aus diesen Momenten lernen wir."

Das war zum Beispiel am Sonntagvormittag im Qualifying zum Japan-Rennen der Fall. War Mercedes der Favorit auf die Pole-Position, stellte Ferrari beide Autos überraschend in die erste Startreihe. "Im Qualifying waren wir, wie bei den vergangenen Rennen, nicht schnell genug. Danach waren wir enttäuscht."

Weltmeisterparty in Japan nicht vorbereitet

Dennoch gelang Mercedes die Wende im Rennen, wodurch man beide Weltmeistertitel besiegelte. "Das Schwierige ist nun, morgen diese Emotionen hinter sich zu lassen und sich auf die Arbeit an der nächsten Meisterschaft zu stürzen."

Bevor das Team aber schon an die Saison 2020 denkt, will Valtteri Bottas zunächst den Moment genießen. "Wir haben heute Geschichte geschrieben. Und das Lustige daran ist: Manchmal, wenn man Erfolg hat, dann realisiert man das gar nicht. Dann muss man einen oder zwei Schritte zurückmachen, um das zu kapieren."

Für die Weltmeisterparty war das Team nicht optimal vorbereitet, wie Wolff zugibt. "Es war nichts vorbereitet, weil das ein schlechtes Omen ist", lacht er. "Gefeiert wird dann, wenn wir zurück in Europa sind", kündigt er an. Den Grundstein für den Triumph legte das Team in der ersten Saisonhälfte.

Mit fünf Doppelsiegen starteten Hamilton und Bottas in die Saison 2019. Erst in Monaco konnte Sebastian Vettel die Serie brechen. Der Brite siegte allerdings weiter: Insgesamt acht Mal gewann er allein in den ersten zwölf Rennen. In beiden Weltmeisterschaften hatte das Team einen komfortablen Vorsprung angehäuft.

Hat sich das Team deshalb in der Sommerpause bereits auf 2020 konzentriert? Schließlich konnte Ferrari mit drei Siegen (Belgien, Italien und Singapur) zurückschlagen. "Man sagt zwar, dass ein gutes Pferd nur so hoch springt, wie es muss, aber das trifft auf uns nicht zu", entgegnet Wolff auf die Frage.

Da sich das Reglement 2020 kaum ändert, sei die Entwicklung in der laufenden Saison wichtig, um vom W10 für die Zukunft zu lernen. "Man muss die richtige Balance finden, und das ist uns gelungen - auch, wenn wir im Vergleich zu Ferrari auf eine Runde nicht schnell genug sind", gibt er auch zu.

Just jene Rekorde, die die Scuderia gemeinsam mit Jean Todt, Ross Brawn und Michael Schumacher Anfang des neuen Jahrtausends aufstellen konnte, beginnen nun zu bröckeln. Was kann Mercedes in Zukunft noch alles erreichen? "Das ist eine gute Frage: Wir wollen uns jedes Jahr Ziele setzen, die uns motivieren. Wir haben den Ferrari-Rekord gebrochen und müssen uns nächstes Jahr neu erfinden."