• 22.12.2013 10:11

  • von Christian Sylt & Caroline Reid

Wendepunkt im Bestechungs-Fall um Ecclestone?

Formel-1-Chef Bernie Ecclestone steht beim Bestechungs-Fall nicht mehr so sehr unter Beschuss, der Prozess gegen den 83-Jährigen vielleicht vor einem Wendepunkt

(Motorsport-Total.com) - Die Chancen von Bernie Ecclestone, den 140 Millionen US-Dollar (rund 102 Millionen Euro) schweren Gerichtsprozess in London zu gewinnen, sind möglicherweise drastisch gestiegen. Der Richter hat nun nämlich erklärt, dass die Bestechungsvorwürfe gegen den Formel-1-Chef weniger überzeugend wirken als alternative Erklärungen für die Zahlung von 44 Millionen US-Dollar (etwa 32 Millionen Euro), um Formel-1-Anteile unter Wert zu verkaufen.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone

Möglicherweise wendet sich das Blatt im Gerichtsprozess zugunsten von Ecclestone Zoom

Das Medienrechte-Unternehmen Constantin Medien AG mit Sitz in München hatte Ecclestone aufgrund des Formel-1-Anteilsverkaufs im Jahr 2006 verklagt. Damals gingen Anteile von drei Banken sowie von Ecclestones Familienfonds Bambino an CVC Capital Partners, eine Firma für außerbörsliche Unternehmensbeteiligungen.

Die BayernLB aus Süddeutschland war damals der größte Anteilseigner der Formel 1 und besaß 47,2 Prozent an der Rennserie. Constantin Medien behauptet, Ecclestone und Bambino haben den damaligen Risikovorstand der BayernLB, Gerhard Gribkowsky, mit umgerechnet rund 32 Millionen Euro bestochen, damit er einem Anteilsverkauf an CVC zustimmen würde.

Constantin Medien sieht sich im Nachteil

Gribkowsky wurde im vergangenen Jahr in München zu einer Haftstrafe von achteinhalb Jahren verurteilt, weil er die angebliche Bestechungssumme erhalten hatte. Im Mai 2013 wurde schließlich auch ein Verfahren gegen Ecclestone eröffnet, in dem ihm vorgeworfen wird, diese Summe gezahlt zu haben.

Constantin Medien führt an, dass CVC der bevorzugte Bieter Ecclestones war, weil CVC bereits vor dem Formel-1-Verkauf zugestimmt habe, Ecclestone als Formel-1-Geschäftsführer zu behalten. Andere Banken hatten indes überlegt, Ecclestone vor die Türe zu setzen. CVC bezahlte schließlich insgesamt zwei Milliarden US-Dollar (rund 1,5 Milliarden Euro) für die Formel 1, die BayernLB erhielt 814 Millionen US-Dollar (etwa 595 Millionen Euro).

Constantin Medien meint, einen Nachteil gehabt zu haben, weil es ein Abkommen mit der BayernLB gab, wonach Constantin Medien zehn Prozent der Kaufsumme erhalten hätte, wenn die Anteile der Bank für mehr als 1,1 Milliarden US-Dollar (etwa 804 Millionen Euro) verkauft worden wären.

Wendepunkt im Ecclestone-Prozess?

Constantin Medien meint auch: Die anderen Bieter hätten unterm Strich mehr gezahlt, wenn nicht die angebliche Bestechung stattgefunden hätte, um den Verkauf an CVC sicherzustellen. Richter Newey hat jedoch in diesem Monat erklärt: "Ich empfinde es als plausibler, dass es eine Bestechung gab, um die Banken loszuwerden, als dass eine Bestechung stattgefunden hat, um ein Arrangement zu treffen, wonach Anteile unter Wert verkauft werden sollten."

Dies könnte sich als großer Rückschlag für Constantin Medien entpuppen. Denn aus der Sicht des Unternehmens müsste der Richter erklären, dass die Anteile unter Wert verkauft wurden, damit Constantin Medien seine Schadensersatz-Klage gegen Ecclestone, Gribkowsky und Bambino und deren frühere rechtliche Vertreter in Höhe von 140,4 Millionen US-Dollar (rund 102 Millionen Euro) gewinnt.


Fotostrecke: Der Feind in der eigenen Box

Richter Newey meint, er könne auf Bestechung entscheiden, sofern Ecclestone den Eindruck gehabt habe, dass die Formel-1-Anteile unter Wert verkauft wurden oder vielleicht unter Wert verkauft werden würden. "Vieles hängt davon ab, wie Herr Ecclestone genau auf die Summe von zwei Milliarden US-Dollar (etwa 1,5 Milliarden Euro) kommt", so der Richter.

Wie viel war die Formel 1 2006 eigentlich wert?

Um eine Antwort auf diese Frage zu geben, hat der Rechtsvertreter von Constantin Medien, Philip Marshall, auf die Aussage von Ecclestone aus dem November verwiesen. Damals hatte Ecclestone erklärt, CVC habe ursprünglich eine Milliarde US-Dollar (rund 730 Millionen Euro) für die Formel 1 geboten. "Das ist, glaube ich, die Summe, die ich an Gerhard (Gribkowsky; Anm. d. Red.) weitergegeben habe", so Ecclestone vor Gericht. "Er sagte mir, es müsste das Doppelte sein."

Als Ecclestone von Marshall gefragt wurde, ob er die Summe von zwei Milliarden US-Dollar (etwa 1,5 Milliarden Euro) für einen ordentlichen Gegenwert für die Formel 1 halte, antwortete Ecclestone: "Ich weiß es nicht. Ich habe das Unternehmen nicht schätzen lassen. Ich habe keine Ahnung. Ich habe damals keine Anteile besessen, also musste ich mir darum auch keine Sorgen machen."

Anknüpfend an Marshalls Verweis auf die Aussage von Ecclestone sagte Richter Newey: "Ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen das hilft. Sie müssen schon aufzeigen, dass Herr Ecclestone erkannt hat, dass die Formel 1 zu einem falschen Wert verkauft worden sein könnte und dass er dem damit verbundenen Risiko bewusst zugestimmt hat."

Das Urteil gibt's erst 2014

Die Position des Richters spiegelt seine Kommentare vom ersten Verhandlungstag im Oktober wieder. Damals hielt Richter Newey Marshall davon ab, Details aus den deutschen Klagen gegen Ecclestone anzuerkennen. "Es ist ja nicht so, als würden Sie einigen Argumenten aus der Anklageschrift zustimmen", so der Richter. "Was dort über den Kaufpreis zu lesen ist, könnte schließlich tödlich für ihren Fall sein, nicht wahr?"

Wiederum anknüpfend an diese Aussage hatte Ecclestones Anwalt Robert Miles dem Gericht erklärt, dass der frühere Vorsitzende der BayernLB, Werner Schmidt, nach dem Verkauf an CVC gesagt haben soll: "Man hat uns die Möglichkeit gegeben, mit großem Gewinn aus dem Anteilsgeschäft auszusteigen." Miles las auch Aussagen von Kurt Faltlhauser vor, dem stellvertretenden Vorsitzenden des BayernLB-Vorstands. Dieser meinte, man sei "sehr zufrieden" mit dem Kaufpreis der Formel-1-Anteile gewesen. Diese seien nämlich damals in der Bilanz der Bank "drastisch" im Wert gemindert worden.

Ecclestone, Bambino und Mullens streiten die Bestechung ab und sagen vielmehr, Gribkowsky habe gedroht, falsche Anschuldigungen gegen Ecclestone und dessen Steuerangelegenheiten vorzubringen, wenn das Geld nicht bezahlt würde. Ein Urteil in diesem Fall wird für Frühjahr 2014 erwartet.