powered by Motorsport.com

Welchen Piloten die Reifen den Spaß verderben

Die Reifen sorgen 2010 für Rätselraten und für die Hackordnung: Warum Massa verzweifelt, Schumi gegen Rosberg strauchelt und Vettel nun Probleme erwarten

(Motorsport-Total.com) - Welches ist das wichtigste Element an einem Formel-1-Boliden? Für manche ist es der Fahrer. Für manche ist es die Aerodynamik. Für wenige ist es der Motor. Auch wenn es auf diese Frage vermutlich nie eine zufriedenstellende Antwort geben wird, ist zumindest eines klar: Die Bedeutung der Reifen hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Ferrari-Pilot Felipe Massa ist kein Freund der neuen Reifengeneration

Zu Beginn dieses Jahrtausends hieß das Zauberwort "Reifentest". Michael Schumacher drehte auf der Ferrari-Teststrecke in Fiorano unzählige Runden, nur um den Bridgestone-Reifen an den roten Boliden anzupassen. Während sich die Michelin-bereifte Konkurrenz stritt, in welche Richtung man bei der Entwicklung gehen sollte, konzentrierten sich die Japaner voll auf Ferrari - mit Erfolg. Und auch die zwei Weltmeistertitel von Renault und Fernando Alonso 2005 und 2006 sind zu einem großen Teil auf die hervorragende Kooperation mit Michelin zurückzuführen - als die französische Allianz durch den Michelin-Ausstieg auseinanderbrach, befand sich auch Flavio Briatores Team plötzlich im freien Fall.#w1#

Schumi und die Spaßbremse Reifen

Dieses Jahr sorgen die Bridgestone-Einheitsreifen für Rätselraten. Oft geht es um Nuancen bei der Aufhängungsgeometrie oder beim Fahrstil des Piloten, um das "schwarze Gold" auf die richtige Betriebstemperatur zu bringen. Selbst Michael Schumacher, der vor etwas mehr als fünf Jahren den Trick mit den Reifen noch am Besten verstand, ist gegenüber 'Auto Motor und Sport' ratlos: "Diese Reifen sind ein Puzzle, das nur schwer zu durchschauen ist. Oft ändern sich von einem auf den anderen Tag nur einer oder zwei Faktoren." Und trotzdem blickt man bei Mercedes nicht mehr durch.

Mercedes scheint unter der unberechenbaren Reifensituation am meisten zu leiden. Und teamintern weiß man: Wenn es darum geht, den Reifen auf die richtige Temperatur zu bringen, dann stiehlt Nico Rosberg seinem renommierten Teamkollegen meist die Show. Der Wahlmonegasse konnte sich im Gegensatz zu Schumacher schrittweise an die aktuelle Reifengeneration gewöhnen, zudem scheint er ein gewisses Talent im Umgang mit den Gummis zu haben. Diese Erfahrung machte 2007 bereits sein damaliger Williams-Teamkollege Alex Wurz, der damals ähnlich wie Schumacher ein Comeback versuchte und mit den Reifen nicht zurecht kam. Doch selbst Reifenspezialist Rosberg tappt oft im Dunkeln - und gibt offen zu: "Ich weiß nicht, warum die Reifen mal so und mal so sind. Wir könnten alles auf die Reifentemperaturen schieben, aber das alleine ist es nicht."

"Diese Reifen sind ein Puzzle, das nur schwer zu durchschauen ist." Michael Schumacher

Massa mag es nur weich

Ähnlich sieht die Situation bei Ferrari aus: Dort kommt Fernando Alonso deutlich besser mit den Reifen zurecht als Teamkollege Felipe Massa - für den Brasilianer sind die härteren Reifenmischungen Gift. Zur Erklärung: Bridgestone bringt zu jedem Rennen jeweils zwei unterschiedliche Reifentypen - dabei wählt man aus den vier verfügbaren Mischungen "hart", "medium", "soft" und "supersoft" aus. In Valencia bringt man die Mischungen "supersoft" und "medium" - Massa darf sich also freuen.

Er erklärt gegenüber 'Auto Motor und Sport', wie komplex die Formel 1 und wie schmal der Grat zwischen Erfolg und Niederlage geworden ist: "Ich brauche die weiche Reifenmischung, einen rauen Asphalt und heißes Wetter. Nur so bringe ich diese Reifen in ihr Arbeitsfenster und bin mit Alonso auf Ballhöhe." Dabei darf man nicht vergessen, dass auch die Psyche eine Rolle spielt: Je weniger Komponenten für Massa sprechen, desto geringer wird der Glaube an die eigenen Fähigkeiten - das wäre zumindest eine Erklärung für Massas Katastrophenwochenende in Kanada.

Webber im Reifenglück

Auch Sebastian Vettel hadert mit den Reifen. Der Red-Bull-Youngster geriet im Vergleich zu seinem Teamkollegen im Laufe des Saisonbeginns zusehends ins Hintertreffen - die Reifen spielten dabei keine unwesentliche Rolle. In Monaco benötigte der Heppenheimer nach Ende der Safetycar-Phasen jeweils mehrere Runden, um die Reifen zu aktivieren - Webber war bis dahin schon wieder über alle Berge.

Der "Aussie" erklärt: "Die neue Reifengeneration passt besser zu meinem Fahrstil. Das liegt an den Karkassen. Der Vorderreifen beißt nicht mehr ganz so giftig wie letztes Jahr. Der hintere hat eine bessere Seitenstabilität. Sebastian hat es lieber anders herum." Genauso wie übrigens Michael Schumacher. Red-Bull-Stardesigner Adrian Newey erhärtet in 'Auto Motor und Sport' die Theorie, dass die Psyche eine entscheidende Rolle spielt: "Alles eine Frage des Vertrauens. Mark traute sich sofort zu attackieren." Somit drohen Vettel in Valencia ähnliche Probleme wie in Monaco: Wirklich schnelle Kurven sucht man auf diesen Kursen vergeblich - diese sind aber notwendig, um den Reifen nicht nur an der Oberfläche zu erwärmen, wodurch das sogenannte "Graining" verursacht wird.

"Die neue Reifengeneration passt besser zu meinem Fahrstil." Mark Webber