• 07.10.2010 16:53

  • von Dieter Rencken

Webber: "Ich bin nicht der Favorit"

WM-Spitzenreiter Mark Webber über sein Duell mit Lewis Hamilton in Singapur, die Aussichten für Suzuka und den sich zuspitzenden Titelkampf

(Motorsport-Total.com) - Mit einem Vorsprung von elf WM-Punkten reist Mark Webber nach Japan, wo sein Red Bull RB6 in Bestform auflaufen sollte: Der Suzuka International Racing Course gilt als Paradestrecke für den Rennwagen des Australiers, der sich trotz seiner Führung in der Gesamtwertung nicht zurücklehnen will. Das Ziel von Webber ist nach wie vor, möglichst viele Siege einzufahren. Wie er in seiner Medienrunde erläutert, würde er dafür auch nicht den direkten Zweikampf mit seinen Rivalen scheuen.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Mark Webber sieht sich nicht als Favorit und möchte lieber Taten sprechen lassen

Frage: "Mark, du hattest in Singapur Glück, dass du nach der Kollision mit Lewis Hamilton weiterfahren konntest..."
Mark Webber: "Das stimmt. Das will ich aber auch bis auf das letzte Quäntchen ausschöpfen. Du brauchst das. Jeder hat hier und da mal Glück. Ja, es sieht ganz so aus, dass ich in Singapur Glück hatte. Andererseits hat dort auch schon einmal eine Metrolinie für das vorzeitige Aus meines Autos gesorgt. Ich hatte in Singapur also durchaus auch Pech."

Frage: "Glaubst du, die anderen Fahrer haben deswegen mehr Respekt vor dir, wo das Glück doch auf deiner Seite zu stehen scheint?"
Webber: "Ich denke nicht, dass die anderen Piloten ihre Herangehensweise oder ihren Fahrstil ändern, nur weil sie glauben, dass ich Glück oder Pech habe."

"Sie machen ihr Ding und du machst dein Ding. Wichtig ist nur: Du solltest dein Glück nicht zu oft auf die Probe stellen. Es ist wie beim Base-Jumping: Je öfter du das machst, umso größer ist die Chance, das einmal was schiefgeht. Wenn du nicht die ganze Zeit von irgendwelchen Hochhäusern hüpfst, sollte es schon okay sein."

Keine übermäßige Zurückhaltung im Zweikampf

Frage: "Lewis ist einer der aggressivsten Überholer im Starterfeld, geriet deswegen aber zuletzt mehrfach in die Bredouille. Ist der Preis, den man dafür bezahlen muss?"
Webber: "Lewis ist ein großartiger Gegner. Ich erwarte nichts anderes von ihm. Darum geht es doch auch. Wenn zwei Fahrer sich um eine Kurve streiten und es sich dabei um zwei konkurrenzfähige Burschen handelt, dann kann es halt auch zu einer Berührung kommen."

"Ich denke, wir beide wissen, dass nicht viel gefehlt hätte, und wir beide hätten es sicher durch diese Kurve geschafft. Letztendlich war das aber nicht der Fall, denn an diesem Tag ging es anders aus. Ich würde sagen: Lewis fährt hart, aber fair. Aus diesem Grund ist er ständig weit vorne zu finden."

"Man weiß: Es ist möglicherweise die einzige Chance, um zu überholen." Mark Webber

Frage: "Hättest du dich genau gleich wie Lewis verhalten, wenn du einen Überholversuch auf der Außenseite gewagt hättest? Wärst du dieses Risiko eingegangen?"
Webber: "Wahrscheinlich ja. Man weiß: Es ist möglicherweise die einzige Chance, um zu überholen. Dadurch findest du dich in einer verletzbaren Position. Wir alle wissen, dass so etwas passieren kann."

Frage: "Wägst du in einem solchen Moment, im Zweikampf mit einem Titelrivalen, das Risiko ab?"
Webber: "Nein. Ganz und gar nicht. Es ist im Prinzip wie jedes andere Duell. Du weißt, was richtig ist und was falsch - und gibst einfach dein Bestes. Es geht alles so schnell. Das gilt für alle."

"Es spielt keine Rolle, ob es nun Adrian Sutil ist oder Kobayashi. Mit letzterem war ich auch einige Runden lang zugange. Das war fast interessanter als der Zweikampf mit Lewis. Ich überholte ihn und machte weiter. Überall gibt es nun einmal kleine Gefahrenquellen. Damit muss man so umgehen, wie man es für richtig hält."

"Selbst im Freien Training kann es solches Situationen geben. Die erste Einheit von Singapur war nass. Warum sollte man sich dabei das Auto zerstören? So etwas kann dein Wochenende kaputt machen. Gefahren gibt es immer und überall. In der Formel 1 kannst du dir schon vor dem wichtigen Tag, dem Sonntag, einiges zunichte machen."¿pbvin|512|3169|suzuka|0|1pb¿

Der Titel ist für Webber noch sehr weit weg...

Frage: "Rechnest du damit, dass er weiterhin derart aggressiv vorgehen wird?"
Webber: "Ich denke schon. In meinen Augen würden wir beide genau gleich agieren, denn wir beide hielten unser Tun für den richtigen Punkt am Limit."

"Jeder von uns will aber natürlich das Rennen beenden. Das ist natürlich das Wichtigste. Niemand will sein Auto kaputt machen. Wir befanden uns allerdings in einer bedeutsamen Phase des Rennens und wollten beide diese Position. Das könnte wieder passieren."

"Ich muss weiterhin Druck machen und Siege anpeilen." Mark Webber

Frage: "Du führst in der Gesamtwertung. Reicht es für dich ab sofort aus, nicht das allergrößte Risiko einzugehen und einfach nur die Punkte mitzunehmen? Wäre das eine Herangehensweise für dich?"
Webber: "Das wird nicht reichen. Ich muss weiterhin Druck machen und Siege anpeilen. Genau das müssen wir tun. Natürlich wird es etwas härter für meine Konkurrenten, wenn sie ein schwieriges Wochenende haben. Ich habe ein gewisses Polster. Ich habe aber nicht vor, mich darauf auszuruhen."

Frage: "Wie ordnest du deinen Vorsprung von elf Punkten ein? Ist das ein großer Abstand und somit ein großer Vorteil?"
Webber: "Es ist eine Kleinigkeit, aber immerhin ein vierter oder fünfter Platz. Wäre nun das letzte Rennen, wäre das ein schöner Vorsprung. So ist es aber nicht."

Frage: "Wie gehst du mit dem Druck um, der WM-Führende zu sein und als Favorit gehandelt zu werden?"
Webber: "Ich bin nicht der Favorit."

"Es kann sich sehr schnell drehen - zu meinen Gunsten oder Ungunsten." Mark Webber

Frage: "Wenn nicht du, wer dann?"
Webber: "Ich denke, wir bewegen uns alle mehr oder weniger auf einem Niveau. Es kann sich sehr schnell drehen - zu meinen Gunsten oder Ungunsten. Ich bin entspannt, denn Suzuka ist einfach nur ein weiteres Rennen für mich. Ich komme hierher, um mein Bestes zu geben. Die Punkte kommen dann von ganz alleine."

Frage: "Denkst du an den Titel?"
Webber: "Nicht wirklich. Es ist einfach ein weiteres Autorennen und ich möchte mein Bestes geben. Alles andere wird sich selbst regulieren."


Fotos: Mark Webber, Großer Preis von Singapur


"Ich habe aktuell ein paar Punkte mehr als alle anderen. Würde die Meisterschaft aus 15 Rennen bestehen, wäre ich jetzt der Champion. So ist es aber nicht, weil noch einige Rennen ausstehen. Es geht darum, nach dem letzten Grand Prix in Führung zu sein, nicht jetzt."

Felipe Massa als Zünglein an der Waage?

Frage: "Wie groß ist der Vorteil von Fernando Alonso und Ferrari, wo ihm sein Teamkollege Felipe Massa doch helfend zur Seite stehen kann. McLaren und Red Bull haben hingegen jeweils noch zwei Fahrer im Titelrennen..."
Webber: "Das ist sicher kein Nachteil für ihn. Es hat sich eben so entwickelt."

"Felipe hatte nicht gerade den besten Saisonstart. Okay, sein Auftakt war gut, doch zur Saisonmitte wurde es schwierig für ihn. Er liegt schon deutlich zurück. Einmal haben wir schon gesehen, dass Fernando wesentlich davon profitieren konnte."

"Um etwas zu bewerkstelligen, müssen sie unmittelbar hintereinander auf der Strecke sein." Mark Webber

"Wie sich das in der Zukunft gestaltet, werden wir sehen. Um etwas zu bewerkstelligen, müssen sie unmittelbar hintereinander auf der Strecke sein. Sollten Autos zwischen ihnen liegen, ist Fernando im Prinzip auf sich alleine gestellt. So ist es einfach. Ich denke nicht, dass Fernando viel Hilfe von Felipe nötig hat."

Frage: "Du machst dir keine Sorgen, man könnte dich blockieren?"
Webber: "Dann wäre ich wirklich angepisst, sollte so etwas vorfallen. Das ist nicht Teil des Spiels. Positionswechsel und dergleichen sind normale Aktionen. Solche Dinge wie in den Tagen von Schumacher und Irvine wären aber nicht mehr im gleichen Spielfeld."

Frage: "Was würde passieren, wenn man dich absichtlich aufhält?"
Webber: "Wenn es absichtlich geschieht, würde ich dieses Rennen vielleicht nicht beenden. Ich weiß es nicht. So etwas wird aber ohnehin nicht geschehen."

Webber hat Ferrari auf der Rechnung

Frage: "Sprechen wir über ein mögliches trockenes Rennen. Denkst du, Ferrari könnte euch angesichts ihrer jüngsten Form in Suzuka die Stirn bieten?"
Webber: "In der Türkei waren sie nicht wirklich schnell, in Silverstone aber sehr flott. Seit der Saisonmitte haben sie ihr Auto massiv verbessert. Im Hinblick auf die Leistung macht zwar jeder so seine Fortschritte, doch Ferrari sollte hier wirklich gut dabei sein. Wir werden hier drei schnelle Teams haben."

"Wir müssen es auf der Strecke umsetzen." Mark Webber

Frage: "Rechnest du damit, in Suzuka einen kleinen Vorteil zu haben? Es heißt, dieser Kurs würde dem RB6 unheimlich gut liegen..."
Webber: "Darauf hoffen wir, doch das bedeutet nicht allzu viel. Wir müssen es auf der Strecke umsetzen."

Frage: "Im vergangenen Jahr flogen die Autos von Red Bull im Regen, doch in diesem Jahr scheint das nicht der Fall zu sein. Zum Beispiel in China hattet ihr zu kämpfen..."
Webber: "Ich denke, es haben sich gewisse Kleinigkeiten verändert, welche die Leistung des Fahrzeugs bei diesen Verhältnissen vielleicht ein wenig beeinträchtigen. Die Reifen sind anders und die Aerodynamik hat sich ebenfalls gewandelt."

"Die Vorgängerautos waren allesamt gute Fahrzeug für den Regen - man erinnere sich nur an das eine Fuji-Rennen. 2009 waren wir in vielen Regenrennen und nassen Session dominant unterwegs. In diesem Jahr ist das nicht so klar. Wir ziehen es aber vor, in erster Linie im Trockenen ein schnelles Auto zu haben - statt eines Fahrzeugs, das nur im Regen wirklich flott ist."

Frage: "Erwartest du, siegfähig zu sein?"
Webber: "Wir kommen hierher, um einen Anlauf auf den Sieg zu wagen, ja."

Frage: "Wie gefällt dir die Rennstrecke von Suzuka?"
Webber: "Es ist ein toller Rennplatz."