Vettel: "Lassen wir uns überraschen..."
Red-Bull-Fahrer Sebastian Vettel über den Großen Preis von Japan, seine Chancen in Suzuka und den spannenden Endspurt im Titelkampf der Formel 1
(Motorsport-Total.com) - Mit 21 Punkten Rückstand auf Tabellenführer und Teamkollege Mark Webber nimmt Sebastian Vettel das Japan-Wochenende der Formel 1 in Angriff. Suzuka liegt dem deutschen Rennfahrer - 2009 sicherte sich der Red-Bull-Fahrer den Sieg auf der Traditionsbahn. Aus diesem Grund reist Vettel auch 2010 überaus optimistisch an die Strecke und rechnet sich einiges aus für den Rennsonntag. In seiner Medienrunde spricht er über seine Aussichten und die Konkurrenz im Formel-1-Titelkampf.

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Sebastian Vettel würde in Suzuka gerne seinen Vorjahressieg wiederholen
Frage: "Sebastian, Mark Webber hält das Rennen von Suzuka einfach nur für ein weiteres Autorennen. Würdest du zustimmen?"
Sebastian Vettel: "In unserem Rennkalender sind 19 Stationen ausgewiesen, also ist das ein WM-Lauf von insgesamt 19. Jetzt stehen allerdings nur noch vier Rennen aus und die Entscheidungen rücken allmählich näher. Unterm Strich ist es tatsächlich 'nur' ein Rennen von 19."#w1#
Frage: "Würdest du sagen, das Wochenende von Japan ist vorentscheidend? Die Top 5 werden nur durch 25 Punkte getrennt..."
Vettel: "Wenn immer weniger Rennen auf dem Programm stehen, gewinnt jeder Grand Prix an Bedeutung. Es könnte passieren, dass du einen Schritt in die richtige Richtung machst."
"Bei einem Ausfall würdest du aber keine Punkte holen - und das könnte wiederum das Ende für deinen Titelkampf sein. Es kommt halt immer darauf an, wo die anderen ankommen. Klar: Dieses Rennen ist wichtig. Unterm Strich kannst du allerdings nur tun, was in deiner Macht steht."
"Du musst versuchen, das Beste aus dir und deinem Auto herauszuholen. Wie auch immer das Ergebnis schließlich lauten wird, du musst damit umgehen. Was dieses Wochenende anbelangt, sollten wir uns in meinen Augen in einer guten Ausgangsposition befinden. Diese Strecke kommt unserem Auto recht gut entgegen. Wir werden sehen."
In Japan zählt für Vettel nur das Hier und Jetzt
Frage: "Im vergangenen Jahr gabst du deinen Titelambitionen in Suzuka neuen Auftrieb. Wie entschlossen und wie zuversichtlich bis du in dieser Saison?"
Vettel: "Genau so wie im Vorjahr. Ob du nun einen, zehn oder 25 Punkte zurückliegst - unterm Strich zählt, dass du an dich selbst glaubst."
"Du musst dir selbst vertrauen. Die Ergebnisse waren in diesem Jahr manchmal das, was wir haben wollten, manchmal aber auch nicht. Jeder hat da eine Geschichte zu erzählen, denke ich. Unsere Leistung hat jedenfalls meistens sehr gut gepasst. Wir sollten an diesem Wochenende eine gute Zeit haben. Diese Strecke ist fantastisch. Das Fahren macht hier sehr viel Spaß."
"Am Donnerstagmorgen bin ich den Kurs abgelaufen und fragte mich, weshalb wir nicht überall solche Strecken haben können. Es ist ein toller Grand Prix und genau darauf konzentriere ich mich im Augenblick. Ich bin nicht in Korea, nicht in Brasilien und auch nicht in Abu Dhabi. Ich bin in Japan und mein Fokus liegt auf diesem Rennen. Nichts weiter."
Frage: "Die meisten Beobachter schieben Red Bull die Favoritenrolle für Japan zu. Siehst du das auch so?"
Vettel: "Es ist immer sehr einfach, vorab irgendwen als Favoriten abzustempeln. Im vergangenen Jahr waren wir hier sehr schnell. Unser Auto kommt vor allem in mittleren und schnellen Kurven überaus gut zurecht. Damit haben wir es hier hauptsächlich zu tun, weshalb uns die Leute in der Favoritenrolle sehen."
"Wir müssen allerdings erst noch auf die Strecke gehen und das auch unter Beweis stellen. Vor uns liegt zweifelsfrei ein hartes Wochenende. Das Wetter ist noch eine Unbekannte, vor allem was Samstag und Sonntag anbelangt. Wir werden sehen, zu was wir imstande sind. Ich denke aber, wir haben eine gute Chance."
Vettel peilt den Suzuka-Sieg an
Frage: "Was braucht es aus deiner Sicht, um in Suzuka erneut zu siegen?"
Vettel: "Nichts weiter als im vergangenen Jahr. Das Rennen 2009 war ziemlich klasse. Das wird mir Rückenwind verleihen. Ich kann mich daran erinnern, dass es damals einige rote Flaggen in der Qualifikation gab."
"Das ist natürlich keine einfache Situation. Wir müssen erst einmal abwarten, wie gut unsere Konkurrenz auftritt. Ferrari war zuletzt auf allen Streckentypen sehr schnell. Vor uns liegt also mit Sicherheit kein einfaches Wochenende."
Frage: "Was ist dein Ziel für dieses Wochenende und warum?"
Vettel: "Der Sieg. Dieses Ziel haben wir immer und mit diesem Auto darf man das auch haben. Der Kurs kommt uns entgegen und wir waren hier schon im vergangenen Jahr sehr stark. Schauen wir einmal, ob wir das wiederholen können. Die Strecke sollte uns - wie schon gesagt - von der Papierform her entgegen kommen. Lassen wir uns überraschen."
Frage: "Spekulationen zufolge sollst du mit einer aggressiveren Strategie auf den Sieg und Mark auf Punkte angesetzt werden. Stimmt das?"
Vettel: "Davon habe ich nichts gehört. Ich denke, seit den jüngsten Rennen hat sich nichts verändert. Wichtig ist, bei jedem Wochenende das Optimum herauszuholen."
"Wenn man gewinnen kann, muss man das tun. Kann man nur auf Platz zwei oder auf Rang drei einfahren, dann muss man diese Punkte eben mitnehmen. Das ist aber kein großes Geheimnis. Es gibt meiner Meinung nach keinen Grund, jetzt neue Weisheiten auszupacken."¿pbvin|512|3169|suzuka|0|1pb¿
Der F-Schacht als Herausforderung in der 130R
Frage: "Wie ist es um die Regenfähigkeit des RB6 bestellt? Ist das Auto unter diesen Bedingungen besser als das Vorjahresfahrzeug?"
Vettel: "Ich denke, wir hatten in diesem Jahr noch kein wirkliches Regenrennen, bei dem die Verhältnisse konstant nass waren. Wenn wir das letzte Rennen hernehmen, bei dem wir es mit einer nassen Strecke zu tun hatten, müssen wir Spa nennen."
"Dort war der Kurs aber nicht wirklich feucht, nicht wirklich trocken. Man konnte mit Intermediates fahren, doch nach zwei bis drei Runden hatte das gesamte Feld zu kämpfen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt die richtigen Regenreifen drauf, kann das also nur bedingt beurteilen. Nach einigen Umläufen rutschte aber jeder nur noch herum."
"Nicht zuletzt, weil die diesjährigen Intermediates bei diesen Bedingungen nicht einfach handzuhaben sind. Man kann meiner Meinung nach aber nicht sagen, dass wir 2010 eine Schwäche im Regen haben. Für alle sind gewisse Dinge in diesem Jahr anders als noch 2009. Ich sehe aber nicht, weshalb wir im Regen nicht ebenso gut auftreten sollten wie im Trockenen."
Frage: "In Spa musstest du die Eau Rouge aufgrund des F-Schachts mit einer Hand durchfahren. Hier könnte das dank der 130R ähnlich sein. Wäre das schwieriger oder gefährlicher als die Durchfahrt von Eau Rouge?"
Vettel: "Schlimmer als Eau Rouge kann es wohl nicht werden, wenn wir uns über das Fahren mit einer Hand unterhalten. Ich habe meine Position in dieser Sache schon zum Beginn des Jahres klargemacht. Kein Zweifel: Es handelt sich um ein sehr intelligentes System und es verschafft dir einen großen Vorteil."
"Rein im Hinblick auf die Handhabung ist es allerdings nicht gerade die sicherste Lösung in der Formel 1. Die meisten von uns sitzen diesbezüglich aber im gleichen Boot. Manche von uns müssen die Hand vom Lenkrad nehmen, andere bedienen das System mit ihrem Knie oder dem Bein. Wieder andere setzen den Ellenbogen ein."
"Zuletzt wurden die Fahrer dahingehend flexibler denn je. Wir werden sehen, wie es hier sein wird. Wir haben uns im Vorfeld schon darüber unterhalten. Die 130R ist eine sehr schnelle Kurve. Wenn es möglich ist, die Hand am Lenkrad zu behalten, dann werden wir das natürlich vorziehen. Schauen wir aber erst einmal, wie es ist."
Der Titelkampf nimmt an Fahrt auf
Frage: "Es gibt Stimmen aus dem Fahrerlager, die behaupten, die neuen Regeln in Bezug auf den Unterboden hätten Red Bull nach Ungarn eingebremst. Stimmst du zu?"
Vettel: "Wir müssten wahrscheinlich noch einmal in Ungarn antreten, um das zu überprüfen. Budapest ist eine besondere Strecke und wir wissen, dass Leistung und Topspeed auf den Geraden dort nicht so entscheidend ist, wie auf anderen Strecken."
"Es gibt dort viele Kurven und wir waren in Ungarn schon im vergangenen Jahr sehr stark. Ich denke nicht, dass wir im Vergleich zur Saisonmitte etwas an Tempo eingebüßt haben. Ganz im Gegenteil: Wir konnten uns seither verbessern. Theoretisch müssten wir nun sogar schneller sein, wenn wir erneut in Ungarn antreten würden."
Frage: "Ist dein Teamkollege Mark Webber nun der Favorit?"
Vettel: "Der Favorit für was? Er führt in der Gesamtwertung und befindet sich vermutlich in der besten Position der fünf verbliebenen Fahrer. Er steht gewissermaßen auf der Pole."
Frage: "Der Druck nimmt zu, wo noch vier Rennen zu fahren sind..."
Vettel: "Ich denke, es wird für alle von uns ein bisschen interessanter. Das macht es unterm Strich aber auch aus. Das ist die Situation, in der wohl jeder Fahrer sein möchte. Von daher muss man das genießen."
Frage: "Die Entscheidungen rücken langsam aber sicher näher. Ab welchem Punkt wäre es deiner Meinung nach richtig, einen Fahrer im Team zu bevorzugen?"
Vettel: "Noch stehen einige Rennen aus. In diesem Jahr haben wir gelernt, dass viele Dinge passieren können. Hast du zwei gute Rennen, bist du prima positioniert."
"Bei zwei schlechten Grands Prix scheinst du dagegen fast weg vom Fenster zu sein. Warten wir ab, was die nächsten Rennen mit sich bringen. Keine Ahnung, ob Suzuka der Knackpunkt ist. Solange beide Fahrer eine Siegchance haben, sollten beide eine faire Chance haben."
Hamilton ist noch lange nicht außen vor...
Frage: "Steht Lewis Hamilton an diesem Wochenende besonders unter Druck? Er hatte in den vier zurückliegenden Rennen gleich drei Ausfälle..."
Vettel: "Nein, ich denke nicht. In meinen Augen ist Lewis aktuell einer der besten Fahrer in der Formel 1."
"Er ist noch sehr jung, hat aber schon sehr viele Erfahrungen gemacht - speziell, was solche Bedingungen anbelangt. Meiner Meinung nach weiß er sehr gut, wie er damit umzugehen hat. Ich sehe nicht, dass er nun in Schwierigkeiten gerät, nur weil er in den vergangenen beiden Rennen nicht im Ziel war."
"Er befindet sich in einer sehr guten Ausgangsposition und ist sogar besser platziert als ich. Für mich hat sich also nicht viel verändert. Genau kann ich das nicht sagen, denn so eng sind wir nicht befreundet. Mein Eindruck ist, und dieser unterscheidet sich vielleicht von der Sichtweise eines Journalisten, dass er keine Probleme hat."
Frage: "Sprechen wir über das Punktesystem: Wenn du die Wahl hättest, würdest du dann das aktuelle aussuchen, das alte Zählerschema bis 2009 oder das Medaillensystem?"
Vettel: "Das Medaillensystem würde den Rennsieger sehr belohnen."
"Ich denke, wenn man sein Bestes gegeben hat und auf dem zweiten, dritten, vierten Platz ins Ziel kommt, dann sollte auch das honoriert werden. Beim Medaillenschema wäre das nicht in erster Linie der Fall. Punkte sind also schon okay. Es macht keinen großen Unterschied, ob wir nun das aktuelle oder das vergangene System haben."
Vettel glaubt: Schumacher schlägt zurück
Frage: "Wir haben Michael Schumacher nach seinem Favoriten auf den Titelgewinn befragt. Er setzt auf dich..."
Vettel: "Vielen Dank. Wäre er an meiner Stelle und ich an seiner Position, würde ich ihn als meinen Favoriten benennen. Ich kenne ihn nun ja schon ziemlich lange. Er hat in diesem Jahr eine sehr schwierige Saison. Ich hoffe, es läuft zum Ende hin besser für ihn, oder dass sein Auto für 2011 deutlich konkurrenzfähiger sein wird."
Frage: "Du hast das Abschneiden von Schumacher angesprochen. Liegt das hauptsächlich am Vorderreifen oder glaubst du, da steckt mehr dahinter? Wäre ein neuer Vorderreifen das Allheilmittel für ihn?"
Vettel: "Zunächst einmal sollten wir nicht vergessen, dass er drei Jahre lang keine Rennen bestritten hat. Es ist nicht so einfach, wieder zurückzukehren. Wir befinden uns zwar nicht mehr in der Anfangsphase dieser Saison, aber um alles zu erfahren, müsste ich mich schon intensiv mit ihm unterhalten."
"Ich müsste die Information erhalten, was genau bei ihm vor sich geht. Ergebnisse, Sektorzeiten und die reine Geschwindigkeit geben manchmal nämlich nicht das Gesamtbild wieder. Ob ich die Kritik der Medien für richtig oder falsch halte? Ich empfinde es als falsch. Er ist zweifelsohne einer der besten Fahrer aller Zeiten."
"Wenn man sich seine aktuellen Ergebnisse vor Augen führt, erlebt er augenblicklich aber nicht gerade seine Blütezeit. Ich unterhalte mich hin und wieder kurz mit ihm und habe den Eindruck, er weiß genau, was vor sich geht. Seinem Gesicht und seiner Mimik kann man entnehmen, dass er in keiner Weise Panik schiebt."
Frage: "Es würde dich also nicht überraschen, sollte er wieder konkurrenzfähig werden?"
Vettel: "Nein, das würde mich nicht überraschen."

