Warum Pirelli in Monaco auf weichere Reifen setzt

Pirelli-Sportchef Paul Hembery erklärt, warum weiche Reifen in Monaco ein Vorteil sind und wieso er mit unterschiedlichen Strategien rechnet

(Motorsport-Total.com) - Bei Pirelli folgt eine Premiere der nächsten: Nach dem eher mäßig erfolgreichen Debüt der neuen harten Reifenmischung kommt nun in Monaco erstmals die Mischung 'supersoft' zum Einsatz. Dabei handelt es sich um den weichsten Reifentypen aus dem Pirelli-Sortiment. Die Teams konnten ihn schon bei den Testfahrten in Barcelona vor dem Saisonstart erstmals ausprobieren - die Rückschlüsse sind aber angesichts der Weiterentwicklung der Boliden und der untypischen Streckencharakteristik in Monaco mit Vorsicht zu genießen.

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In Monaco wird erstmals die Reifenmischung "supersoft" eingesetzt

Das ist auch Pirelli-Sportchef Paul Hembery bewusst, der ebenfalls voller Spannung auf das Saison-Highlight im Fürstentum wartet. Der Reifen - so der Brite gegenüber 'Autosport' - "bringt die Spitzenleistung definitiv eine Runde lang. Er hat die Charakteristik eines Qualifyingreifens, daher möchte man damit seine beste Runde sofort fahren, denn der Reifen wird schnell verschleißen. Das ist ein Teil des Plans."

Durchdrehende Räder als größtes Problem

Was genau in den engen Häuserschluchten an der Cote d'Azur passieren wird, weiß aber auch Hembery nicht: "Wir müssen abwarten, wie der Reifen in Monaco reagiert. Daher möchte ich keine Prognose abgeben, da wir mit dem Reifen nie dort waren. Dieser Reifen wird mit Sicherheit keine 15 bis 20 Runden lang halten."

"In Monaco ist man in Not, wenn man viel durchdrehende Räder hat." Paul Hembery

Teilweise war man von nur zehn Runden ausgegangen - wird der Grand Prix von Monaco daher zur Boxenstopp-Orgie? Hembery glaubt nicht daran. Er rechnet mit nur zwei Stopps. Wie das möglich ist? "Monaco ist einer dieser Kurse, wo man in Not ist, wenn man viel durchdrehende Räder hat oder viel rutscht", erklärt er. "Das passiert beim Herausbeschleunigen aus langsamen Kurven." Das Zauberwort heißt daher Traktion.

Warum harte Reifen ein Nachteil wären

Wäre es da nicht klüger gewesen, einen harten Reifen zu bringen, der nicht so schnell verschleißt? Hembery verneint. "Man braucht beim Herausbeschleunigen viel Haftung durch den Reifen, daher haben wir uns für 'supersoft' und 'soft' entschieden. Den gleichen Weg werden wir auch in Kanada gehen."

"Wenn der Reifen zu hart und dessen Mischung unvorteilhaft ist, dann hat man viel Schlupf." Paul Hembery

Hembery geht ins Detail: "Wenn man einen Reifen hat, der zu hart ist und dessen Mischung unvorteilhaft ist, dann hat man viel Schlupf, der Verschleiß des Reifens ist exzessiv. Das mag für die Öffentlichkeit schwer zu verstehen sein, da der harte Reifen mehr Widerstand zeigt, egal wie man mit ihm umgeht. Die Sache ist aber viel komplexer, es hängt auch vom Schlupf der Räder ab."

Kann man durch die Reifen den Schlupf in Grenzen halten, dann sind auch weniger Stopps notwendig, schlussfolgert Hembery. "Wir würden gerne eine Zweistopp-Strategie sehen, was nach der Erfahrung von Melbourne auf einer langsamen Strecke mit Sicherheit durchführbar ist. In Melbourne gibt es diese wirklich engen Kurven nicht, daher wird alles vom Schlupf anhängen."

Weniger Gummimurmeln in Monaco?

Obwohl es in den vergangenen Jahren auch in Monaco viele Gummiteile neben der Strecke gab, sieht Hembery den Kurs nicht als reifenmordernd: "Ganz und gar nicht." Die Rechnung ist einfach: Je weniger Stopps, desto weniger Gummimurmeln: "In der Türkei gab es vier Stopps. Dadurch wurden mehr Reifensätze abgefahren. Wenn es nur zwei Stopps gibt, dann würde ich mit halb so vielen Gummimurmeln rechnen."

"Wenn es nur zwei Stopps gibt, dann würde ich mit halb so vielen Gummimurmeln rechnen." Paul Hembery

Da Überholmanöver in Monaco eine besondere Herausforderung darstellen, wäre es naheliegend, sich mit weniger Stopps im Rennen in eine gute Position zu bringen, um dann das Feld hinter sich aufzuhalten. Doch Hembery bezweifelt, dass das Erfolgsrezept vergangener Tage noch seine Gültigkeit besitzt: "Der Abbau des Reifen sollte so groß sein, dass man aufgrund des Performance-Verlusts in die Box fahren muss. Und ich weiß, dass man in Monaco nur an zwei Stellen überholen kann, im Tunnel ist es zu eng."

Hembery hofft auf unterschiedliche Strategien

Obwohl es demnach wenig Sinn ergibt, sich Stopps zu sparen und andere aufzuhalten, glaubt Hembery, dass die Teams auf unterschiedliche Strategien setzten werden. "Das hoffen wir", meint der Pirelli-Verantwortliche. Seiner Meinung nach könnten die Piloten, die in Q2 ausscheiden, das Rennen mit der härteren Mischung beginnen, um dann beim ersten Boxenstopp nach vorne zu kommen.

"Wir würden gerne eine Zweistopp-Strategie sehen." Paul Hembery

In Q3 rechnet er mit unterschiedlichen Herangehensweisen. Während manche Piloten möglicherweise mit den weicheren Reifen versuchen werden, die Red-Bull-Piloten zu attackieren, und dann im Rennen früh stoppen werden, hält er es auch für möglich, dass einige Piloten einen Start mit der härteren Reifenmischung riskieren, um im Rennen besser dazustehen.