"Warnschüsse haben Massa gut getan"
Unsere Experten Marc Surer und Hans-Joachim Stuck analysieren den von Schwankungen geprägten Saisonauftakt von Ferrari-Pilot Felipe Massa
(Motorsport-Total.com) - "From Zero to Hero" ist eine Phrase, die in der Formel 1 recht häufig gebraucht wird, und es hätte dafür kaum ein besseres Beispiel geben können als Felipe Massa: Nach den beiden Nullrunden in Australien und Malaysia noch arg gescholten, stand er mit einem triumphalen Sieg in Bahrain wie Phoenix aus der Asche auf.

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Wichtig: Ohne Sieg in Bahrain wäre der WM-Zug wohl ohne Massa abgefahren
Der Ferrari-Pilot hat zwar bisher alle drei Qualifyings gegen Kimi Räikkönen gewonnen, aber in den ersten beiden Rennen konnte er seinen zweifellos vorhandenen Speed nicht umsetzen. Daran war er in erster Linie selbst schuld: In Melbourne drehte er sich in der ersten Kurve, weil er auf der schmutzigen Außenlinie etwas zu optimistisch aufs Gaspedal stieg, und später kollidierte er auch noch mit David Coulthard, während er in Sepang einfach ins Kiesbett rutschte und dort stehen blieb.#w1#
In Australien und Malaysia viele Punkte verloren
Dadurch gingen Massa wohl 16 Punkte durch die Lappen, mit denen er die Weltmeisterschaft recht solide anführen würde. So aber liegt er nur an sechster Position, neun Zähler hinter Spitzenreiter Räikkönen. Der 26-Jährige musste sich speziell von der italienischen Presse einiges anhören, aber nach Bahrain waren alle wieder versöhnt. Denn was er dort geboten hat, das war vom Speed und von der Konstanz her weltmeisterlich.
"Massa war letztes Jahr oft schneller als Kimi. Vom Speed her habe ich mir nie Gedanken gemacht - der Kerl kann schnell fahren. Er war auch ab und zu schneller als Michael Schumacher, das darf man nicht vergessen", analysiert 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer. "Aber Massas Problem ist die Konstanz - er fährt immer mal wieder schlechte Rennen. Wenn Kimi in Bahrain in einem schlechten Rennen Zweiter wird, dann wird Massa wohl größere Schwankungen haben."
Genau diese fehlende Konstanz war es auch, die Massa die Chance gekostet hat, 2007 in den Titelkampf einzugreifen. Räikkönen schrieb im Vorjahr nämlich nur zwei, der Brasilianer aber drei Nullnummern. Außerdem stand Räikkönen zwölfmal auf dem Podium, bei den letzten sieben Saisonrennen sogar hintereinander, während Massa nur zehnmal einen Pokal in Empfang nehmen durfte. Gewonnen hat Räikkönen sechs- und Massa dreimal.
Nur nicht zur Nummer zwei werden...
Aber der 2006 von Michael Schumacher angelernte Ferrari-Pilot scheint sich deswegen nicht verunsichern zu lassen und wehrt sich verbissen gegen die Rolle der Nummer zwei im Team. Wie schnell es gehen kann, dass man bei den Roten aus Maranello in diese hineinschlittert, das zeigen die Beispiele Eddie Irvine und Rubens Barrichello. Allerdings ist Räikkönens Schatten sicher nicht so lang wie der von Schumacher.
Psychologisch war Bahrain jedenfalls ein sehr wichtiger Sieg für Massa, denn einen weiteren Rückschlag hätte er wohl nicht verkraftet: "Ich glaube, dass ihm diese Warnschüsse gut getan haben, denn nach den Fehlern musste er aufwachen. Er musste gewinnen. Das hat er gut umgesetzt", lobt unser zweiter Experte, Hans-Joachim Stuck. "Damit hat er bewiesen, dass er nicht nur schnell, sondern auch konstant sein kann. Für ihn war Bahrain ein ganz wichtiges Rennen."
Kann Massa nicht ohne Traktionskontrolle?

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Herber Rückschlag, acht Punkte verloren: Felipe Massa im Kiesbett von Sepang Zoom
Natürlich müssen wir uns bei einer Analyse der Situation auch damit befassen, wie Massas Patzer in den ersten Rennen zustande gekommen sind. Hervorstechend ist vor allem der Dreher in der ersten Kurve in Melbourne, bei dem es keine Feindberührung gab, wie man zunächst annehmen musste. Stattdessen stieg er zu optimistisch aufs Gaspedal und vergaß darauf, dass die Traktionskontrolle ja inzwischen verboten ist, wie Alexander Wurz im 'ORF'-Kommentar sofort erkannte. Ein klarer Fall.
Weniger klar war die Situation in Malaysia, wo Massa beim ersten Boxenstopp die Führung an Räikkönen verloren hatte und dann mit der Wut im Bauch versuchte, die Pace seines Teamkollegen mitzugehen. Das gelang ihm nicht. Dennoch landete er auf einmal im Kiesbett - und hatte nach dem Rennen keine wirklich triftige Erklärung dafür parat. Schon wieder auf die fehlende Traktionskontrolle vergessen? Im Fahrerlager brauten sich jedenfalls entsprechende Theorien zusammen.
Über den Ausfall in Malaysia gibt es verschiedene Theorien, weil sich das Team offiziell bisher nur vage dazu geäußert hat. Ex-Formel-1-Pilot Stuck ist ein Verfechter der Fahrfehlerversion: "Ich würde schon sagen, dass das Fehlen der Traktionskontrolle dazu geführt hat, denn das Auto ist so abrupt ausgebrochen", erklärt der 57-Jährige, der damit der Mehrheit der Beobachter aus dem Herzen spricht und die Schuld bei Massa sieht.
Surer glaubt nicht an einen Fahrfehler
Experte Surer, in Insiderkreisen sehr geschätzt, schließt sich der Aussage seines Kollegen aber nicht an: Es sei zwar beim ersten Rennen die fehlende Traktionskontrolle gewesen, aber "ich bleibe dabei, dass es in Malaysia ein technisches Problem war. Da deckt er Ferrari und Ferrari deckt ihn, was das Ganze eigentlich bestätigt", so der Schweizer. Und: "Er ist wohl einer von denen, die zwischendurch ein Blackout haben und vergessen, dass sie keine Traktionskontrolle mehr haben."
Übrigens: Auch 2007 feierte Massa in Bahrain mit dem Rücken zur Wand seinen ersten Saisonsieg - und aus den Rennen in Bahrain, Spanien und Monaco nahm er stattliche 26 Punkte mit nach Hause. Das brachte ihn damals vom sechsten WM-Platz nach Malaysia auf den dritten nach Monaco nach vorne. Einen ähnlich starken Europaauftakt braucht der Brasilianer nun auch dieses Jahr, wenn der WM-Zug nicht ohne ihn abfahren soll. Bahrain alleine war nicht genug.

