Vom Langzeit-Testfahrer zum Einsatzpilot
Antonio Cuquerella, Anthony Davidsons Renningenieur, spricht im Teaminterview über die große Herausforderung, der sich sein Fahrer in diesem Jahr stellt
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Für Anthony Davidson war es aufgrund seiner Durchfahrstrafe ein frustrierendes Rennen in Monaco, aber es gibt wohl eine Menge Dinge, die das Team optimistisch stimmen können, oder?"
Antonio Cuquerella: "Ja, die gibt es, und die Durchfahrstrafe war der Schatten über einer guten Leistung in dieser Saison bisher. Ant war seit dem ersten Rennen konkurrenzfähig, zeigte uns einen sehr guten Speed und hat in den Qualifyings und Rennen Erfahrung gesammelt, die er zuvor noch nicht hatte. Während der Überseerennen hat uns Ant sein Potenzial gezeigt und das hat er Rennen für Rennen in Ergebnisse umgewandelt."

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Anthony Davidson arbeitet immer noch daran, sich als Rennfahrer zu "kalibrieren"
"Er steigert sein Selbstvertrauen und in diesen ersten fünf Rennen haben wir den Testfahrer in einen Einsatz-Piloten konvertiert. Die zusätzlichen Dinge, die er lernen musste, waren vor allem das Fahren im Verkehr, der Umgang mit schnelleren Autos, die von hinten ankommen, Boxenstopps und sich Gedanken über das Setup für das Rennen zu machen anstatt nur über die Entwicklung des Autos nachzudenken. Ant hatte eine steile Lernkurve und er beginnt nun, Leistungen auf dem Level der anderen Formel-1-Fahrer zu zeigen."#w1#
Frage: "Die Rennstrecken von Monaco und der 'Gilles Villeneuve Circuit' sind sich ziemlich ähnlich. Es sind beides Straßenkurse, die Leitplanken sind unglaublich nahe an der Strecke dran und es gibt ein paar Plätze, an denen man überholen kann. Wie viel der Dinge, die ihr in Monte Carlo gelernt habt, könnt ihr in Kanada anwenden?"
Cuquerella: "Beide Strecken haben eine rutschige Asphaltoberfläche, sodass wir mit einem sehr weichen Reifen arbeiten und ja, die Leitplanken limitieren das Risiko, das man eingehen kann. Aber auf der anderen Seite ist das Setup des Autos komplett anders."
"Kanada ist eine Strecke für geringen Abtrieb mit einer sehr hohen Durchschnittsgeschwindigkeit, wo der Luftwiderstand und die Leistung sehr wichtig sein werden. Diese Faktoren waren in Monaco nicht relevant. Beide Strecken sind für die Bremsen extrem hart, aber auf unterschiedliche Art und Weise. Monaco wegen der Temperatur und Kanada wegen der Kraft, die für das Verzögern notwendig ist."
Frage: "Was erwartest du im Hinblick auf das Setup und die Strategie für Montreal?"
Cuquerella: "In Bezug auf das Setup werden wir wegen der Anforderungen an die Aerodynamik eine komplett andere Richtung einschlagen, aber der Kurs von Montreal benötigt ein Auto, das gute Richtungswechsel beherrscht und beim Bremsen Stabilität bietet. In Montreal verwenden wir an vielen Stellen die Randsteine, man muss das Auto aus diesem Grund für diese Bedingungen abstimmen."
"Da wir am ersten Tag auf einer sehr grünen Strecke anfangen, werden wir die Balance vom Anfang bis zum Ende des Wochenendes komplett verändern. In Bezug auf die Strategie muss berücksichtigt werden, dass das Überholen zwar schwierig aber möglich ist."
"Die Teams werden ihre Position im Rennen nicht so sehr absichern, indem sie eine Ein-Boxenstopp-Strategie anwenden und es wird mehr Autos geben, die zwei Mal an die Box kommen. In Montreal ist der Effekt des Gewichts gering, die Boxengasse ist kurz und die Abnutzung der Reifen ist groß, dies sind die wichtigsten Faktoren für die Teams, wenn sie ihre Strategie festlegen."
"Es wird auch für die Motoren und Bremsen hart werden, aber der Grip ist nicht so entscheidend, wie das in Monaco der Fall war. Wir werden in Kanada also diesbezüglich auf ein normales Niveau bei der Beeinflussung der Rundenzeiten kommen. Dies hängt damit zusammen, dass die Summe der Fliehkräfte auf dieser Strecke mit am geringsten im Formel-1-Kalender ist."
Frage: "Wie lebt sich Anthony ein, dass er nun wieder Rennen fährt, und wie entwickelt sich eure Beziehung?"
Cuquerella: "Ich denke, dass er seine Denkweise positiv und schnell genug ändert, sodass ihn nun jeder als Rennfahrer betrachtet. Wenn man fünf Jahre mit Testen verbracht hat, dann ist es nicht einfach, seine Denkweise wieder auf denn 'Renn-Modus' umzustellen."
"Unsere Beziehung baut sich auf und wird von Rennen zu Rennen enger. Wir verstehen uns immer besser, er weiß, nach was ich frage, und ich weiß, was er braucht. Nun vertrauen wir unseren Fähigkeiten und bilden ein gutes Teams. Ant arbeitet mit dem Rest der Ingenieure und seiner Mannschaft am Auto gut zusammen und er wird für den Rest der Saison einen guten Vermögenswert darstellen."
Frage: "Blicken wir auf den Rest der Saison, wie schätzt du die Leistung des Autos ein?"
Cuquerella: "Das Team hat in den ersten fünf Rennen des Jahres die Erwartungen übertroffen und der erste WM-Punkt in Barcelona war ganz klar das Ergebnis der ganzen harten Arbeit. Aber wir wollen natürlich in die Punkte kommen und ich glaube, dass Ant und das gesamte Team des Autos dies bald schaffen können."

