• 06.06.2002 12:14

  • von Fabian Hust

Villeneuve: "Es hätte auch schlimmer kommen können"

Jacques Villeneuve spricht im Interview über BAR-Honda, seine Rennen in Kanada, Michael Schumacher und Ferrari

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wie erhältst du deine Motivation aufrecht, wenn du nicht in einem konkurrenzfähigen Auto sitzt?"
Jacques Villeneuve: "Das ist über die letzten vier Jahre schwieriger und schwieriger geworden. Es zehrt die Energie auf und es ist schwierig, alles zu geben. Aber wenn man erst einmal im Auto sitzt, dann verhält man sich professionell oder eben nicht. Wenn man sich dazu entscheidet, etwas Bestimmtes zu tun, so denke ich, sollte man es richtig machen, ansonsten ist es die Sache nicht wert. Man muss wissen, dass es ein riskantes Geschäft ist und man größere Risiken eingeht, wenn man nicht all seine Energie investiert und das ist es nicht wert. Für mich ist es wichtig, dass ich nach Hause gehen kann und mit dem Wissen gut schlafen kann, dass ich alles gegeben habe und nicht hätte besser sein können."

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve (BAR-Honda)

Jacques Villeneuve: Die Zukunft des Kanadiers steht auf wackligen Beinen

Frage: "Wirst du im nächsten Jahr für BAR fahren?"
Villeneuve: "Mein Vertrag beinhaltet das nächste Jahr. Es gibt keine Verhandlungen, über die man sprechen kann. Jetzt ist es wichtig zu sehen, was die Entwicklungen an diesem Wochenende bringen, die Geoff Willis gemacht hat."

"Man spricht immer mit anderen Teams"

Frage: "Hast du dich mit anderen Teams unterhalten?"
Villeneuve: "Man spricht immer mit anderen Teams. Wir sind Menschen und dürfen uns alle unterhalten. Manchmal geht es im Fahrerlager sehr gesellschaftlich zu?"

"Es hätte auch schlimmer kommen können"

Frage: "Bereust du deinen Wechsel zu BAR?"
Villeneuve: "Ich bereue ihn überhaupt nicht. Ich traf zu dieser Zeit eine Entscheidung auf Basis von dem, was ich damals wusste. Man trifft Entscheidungen auf Basis vorliegender Informationen und es hat halt nicht funktioniert. Wer weiß, ob eine andere Entscheidung besser gewesen wäre? Es hätte ja auch schlimmer kommen können. Vielleicht wäre ich woanders hingegangen und hätte mich verletzt. Man sollte nie Entscheidungen bereuen, die man getroffen hat, man sollte versuchen, sie besser zu machen. Alles, was man lernt, gibt dir ein Plus an Erfahrung und macht dich besser, wenn man es genau betrachtet. Es war schwierig, aber ich bereue nichts. Es war natürlich sehr hart und frustrierend."

Frage: "Wenn du in die Zukunft schauen könntest, an was sollen sich die Leute dann erinnern, wenn sie an dich denken?"
Villeneuve: "Dass ich in schwierigen Zeiten gekämpft habe und immer gehofft habe, Fortschritte machen zu können. Das wäre das Beste. Grundsätzlich einfach, dass ich nie aufgegeben habe."

"Vielleicht bleiben wir da stehen, wo wir sind"

Frage: "Welche Hoffnungen verbindest du mit den Neuentwicklungen am Auto?"
Villeneuve: "Ich gehe davon aus, dass das Auto schneller ist, aber auch jedes andere Auto wird weiterentwickelt sein, vielleicht bleiben wir also da stehen, wo wir uns im Moment befinden."

Frage: "Wie enttäuschend wäre das?"
Villeneuve: "Das wäre nicht enttäuschend, denn wenn wir die gleiche Gruppe von Leuten behalten hätten, die das Auto vorher entworfen haben, so hätte es die Verbesserungen nicht gegeben. Wir hätten Schritte zurück gemacht. Ich denke, wir sollten besser aussehen als im Vergleich zuvor, aber nur im Vergleich zur Konkurrenz."

"Ich glaube nicht an Flüche"

Frage: "Seit 1996 hast du in Montreal kein gutes Ergebnis mehr herausgefahren, hast du das Gefühl, dass über der Strecke ein Fluch hängt?"
Villeneuve: "Nein. Es gibt auch andere Strecken, auf denen die Ergebnisse schlecht sind. Ich glaube nicht an Flüche und solche Dinge. Ich glaube, dass die Leute es einfach stärker zu Notiz nehmen, wenn hier etwas gut oder schlecht läuft, da es mein Heimrennen ist."

Frage: "Warum hast du in der Vergangenheit mit dieser Strecke in Kanada so viele Schwierigkeiten gehabt?"
Villeneuve: "Es ist das erste Rennen der Saison, in dem wir mit weniger Abtrieb fahren, die meisten der anderen Strecke sind nun Pisten mit maximalem Abtrieb. Sogar Hockenheim, was eine der schnellsten Strecken war, ist nun geändert worden. Nun sind nur noch Montreal und Monza übrig geblieben, wo man mit wenig Abtrieb fährt. Das bedeutet, dass die Autos für diese Art von Strecken nicht wirklich vorbereitet sind. Man fährt mit deutlich weniger Flügel und die Autos verlieren eine Menge an Stabilität. Hinzu kommt, dass es eine Strecke ist, die nicht viel verwendet wird. Der Asphalt bietet nicht sehr viel Haftung. Es ist sehr rutschig und man fährt eher wie auf Eiern. Es ist komplett anders hier."

Frage: "Was denkst du über die Modifikationen, die sie an der 'Wall of Champions' vorgenommen haben?"
Villeneuve: "Das ist eine sehr schwierige Kurve, da der Eingang immer enger ist als der Ausgang. Um da schnell zu fahren, muss man sehr viel Speed mitnehmen und den Ausgang irgendwie überstehen. Auf Grund der Art und Weise, wie die Randsteine angelegt sind, legt das Auto vor dir eine Menge Gras auf die Strecke. Wenn man dann gerade kurz davor ist, wegzurutschen, dann crashed man aus diesem Grund."

" Eine schlechte Entscheidung ist besser als gar keine Entscheidung"

Frage: "Welche Lektionen hast du bei BAR gelernt?"
Villeneuve: "Die Lektion, die ich gelernt habe ist, dass man nie aufgeben darf. Das Gefühl ist natürlich nicht schön, denn ich bin nicht glücklich, wenn es nicht rund läuft und wenn man auf halber Strecke aufgibt, dann steht man mit einem bitteren Nachgeschmack im Mund da. Das ist die Hauptsache. Das andere, was ich gelernt habe, ist, dass nicht alles so ist, wie es einem erscheint, denn man kann nur Entscheidungen treffen mit einem Wissen, über das man verfügt. Aber wenn man herausfindet, dass das, was man weiß, nicht komplett richtig ist, muss man immer noch positiv bleiben. Eine schlechte Entscheidung ist besser als gar keine Entscheidung."

Frage: "Wie ist deine Beziehung zu Geoff Willis und David Richards?"
Villeneuve: "Zu Geoff war die Beziehung immer gut gewesen. Wir arbeiteten bei Williams zusammen, es ist also sehr leicht. Mit David ist es auch leicht. Er möchte nicht schlecht aussehen und das Team wie ich besser machen und das ist das was zählt."

"Das Auto hat sich nicht wirklich entwickelt"

Frage: "Was ist das Hauptproblem bei BAR?"
Villeneuve: "Unser Hauptproblem ist, dass sich das Auto nicht wirklich entwickelt hat. Mechanisch hat es sich entwickelt aber nicht aerodynamisch und das ist schwierig, weil sich die anderen Teams deutlich weiterentwickelt haben. Jetzt haben wir andere Leute und eine andere Teamleitung auf der technischen Seite und das sollte einen Unterschied ausmachen."

Frage: "Michael Schumacher war über lange Zeit hinweg ein Gegner von dir. Er hat ein gutes Auto, gewinnt er also weil er ein gutes Auto hat und du nicht oder auf Grund der Tatsache, dass er ein guter Fahrer ist?"
Villeneuve: "Normalerweise kommen gute Fahrer in gute Autos, es ist also ein Leichtes zu sagen, er gewinnt weil er das beste Auto hat. Er hat auch alle Leute in das Team gebracht, mit denen er bei Benetton gewonnen hat und hat sich das Team um sich herum aufgebaut. Als ich zu BAR kam, so war das Auto im ersten Jahr ziemlich konkurrenzfähig, aber irgendwie verlief es sich danach im Nirgendwo. Wir bekamen nur zu hören, wie toll doch jeder im Team arbeitet, was für uns sehr schwer zu glauben war, da wir auf der Strecke nie Verbesserungen sahen. Aber jetzt, endlich, wurde der Kopf der Technik ausgewechselt und er arbeitet sehr hart. Ich denke, dass die Leute, die bei uns gearbeitet haben, über keine Formel-1-Erfahrung verfügten und dies ein Fehler war. Jetzt haben wir mehr Leute mit Formel-1-Erfahrung hier und wir arbeiten besser."

"Ferrari ist das Team schlechthin"

Frage: "Würdest du es in Betracht ziehen, für Ferrari zu fahren?"
Villeneuve: "Ferrari ist das Team schlechthin, besonders jetzt, wo sie gewinnen. Jeder Fahrer möchte in einem Team sein, das gewinnt. Aber, ich kann nicht dort fahren, so lange Michael dort ist, da das andere Auto nicht gegen ihn fahren darf und das bedeutet, dass ich nie einen Vertrag erhalten würde, den ich gerne unterzeichnen würde. Der Vertrag würde sagen 'bitte hilf Michael' und das würde ich nicht tun. Das hätte ich bei BAR ebenfalls verlangen können, aber das ist nicht der Fall, denn Olivier und ich können gegeneinander Rennen fahren. Das hätte ich ganz leicht in meinem Vertrag erzwingen können, doch das ist etwas, über das ich nicht glücklich gewesen wäre."

Frage: "Beeinträchtigt die fehlende Leistung bei BAR deinen Ruf?"
Villeneuve: "Sie tut meinen Ruf beeinflussen. Das Team möchte Sieger und die Leute werden anfangen zu denken, dass ich nicht mehr hungrig bin, aber das ist kein Problem für mich, denn ich sehe die Arbeit, die auf der Strecke verrichtet wird und wie hungrig ich noch bin. Man hat Sponsoren und diese könnten vielleicht sehen, dass die Fans nicht mehr glücklich sind und denken vielleicht darüber nach, ihr Geld in einen jungen Fahrer zu stecken, der mehr zu ihrem Unternehmen passt. Das ist in den letzten fünf Jahren passiert. Unternehmen wollen Fahrer, die sich nicht identifizieren. Sie wollen einfach, dass die Farben getragen werden und diese können auf einen anderen Fahrer übertragen werden und keiner wird den Unterschied bemerken. Sie wollen keine Persönlichkeiten mehr. Worunter ich wirklich leide ist die Tatsache, dass ich keine Rennen gewonnen habe und das zählt für mich. Aus diesem Grund fahre ich Rennen. Es geht nicht nur um Verträge."

Frage: "Fühlst du dich mit 31 noch hungrig, wieder ganz vorne mitzumischen?"
Villeneuve: "Ich habe es nicht wegen meines Alters eilig, aber wegen der Tatsache, dass es schwieriger wird, in ein gutes Team zu kommen, je länger es dauert, bis man gewinnt."

Frage: "Siehst du dich selbst als ein Teil von BARs Zukunft?"
Villeneuve: "Wenn wir zu siegen beginnen ja, wenn nicht, dann weiß ich es nicht."

Frage: "Welche anderen Möglichkeiten gibt es im Moment?"
Villeneuve: "Es gibt elf Teams und jedes ist eine Möglichkeit. Manchmal passieren Dinge in einer Woche und man hätte nie erwartet, dass es so kommt..."