• 13.10.2009 11:17

Vasselon: "Der TF109 hat einige Stärken"

Toyotas Technischer Direktor Pascal Vasselon im Interview über Brasilien, das Debüt von Kamui Kobayashi und den inzwischen bewährten TF109

(Motorsport-Total.com) - Das japanisch-deutsche Toyota-Team kennt den TF109 mittlerweile ganz genau, dennoch muss sich die Mannschaft am Wochenende wieder einmal mit einer neuen Situation auseinander setzen: Statt Timo Glock greift in Brasilien Ersatzmann Kamui Kobayashi ins Lenkrad. Der Japaner vertritt den verletzten Deutschen und absolviert damit sein Formel-1-Debüt. Im Interview spricht Toyotas Technischer Direktor Pascal Vasselon über den Grand Prix in Interlagos und den Einsatz Kobayashis.

Titel-Bild zur News: Pascal Vasselon (Chefdesigner)

Pascal Vasselon und das Toyota-Team holten zuletzt zwei Podestplatzierungen

Frage: "Pascal, welche Charakteristiken weist der Kurs in Interlagos auf?"
Pascal Vasselon: "Vor einigen Jahren sagten wir stets, dass die Strecke sehr holprig sei und dass wir das gesamte Wochenende damit zubringen würden, an der Aufhängung zu arbeiten, damit sie die Bodenwellen gut wegsteckt."#w1#

"Nach den ganzen Arbeiten in den vergangenen Jahren können wir nun aber festhalten, dass Interlagos nicht holpriger ist als die meisten anderen Kurse. Das ist also kein Thema mehr. Es bleibt ein sehr interessantes Layout übrig, das eine recht große Herausforderung darstellt, denn es gibt langsame, mittlere und schnelle Kurven sowie eine lange Gerade."

"Das bedeutet, man muss in Punkto Abtrieb und Luftwiderstand einen Kompromiss eingehen. Es gilt, im Infield eine starke Leistung zu zeigen und am Ende der langen Zielgeraden eine Überholchance zu haben."

Interlagos als gutes Toyota-Pflaster

Frage: "Wird Interlagos dem TF109 liegen?"
Vasselon: "In Brasilien waren wir schon immer recht schnell, also rechnen wir damit, konkurrenzfähig zu sein. Was die aerodynamische Effizienz betrifft, so kommt Interlagos unserer Basiskonfiguration aus dem Windkanal recht nahe. Unser Auto ist also sehr gut auf diese Art von Rennstrecke abgestimmt."

"Im vergangenen Jahr hatten wir definitiv die Geschwindigkeit, um auf das Podium zu fahren - zumal sich Jarno mit viel Sprit auf dem zweiten Rang qualifiziert hatte. Durch den Regen wurde diese Geschichte aber etwas schwierig. Letztendlich verpassten wir das Podium knapp."

"Timo schlug sich in den berühmten letzten Runden auf Trockenreifen sehr gut, obwohl es regnete. Insgesamt gewann er dabei eine Position und wurde Sechster. Wir waren allerdings etwas enttäuscht, denn wir hätten in die Top 3 fahren können."

"Wir haben schon in Suzuka gesehen, dass Kamui ein sehr fähiger Rennfahrer ist." Pascal Vasselon

Frage: "Werdet ihr spezielle Schritte unternehmen, um Kamui Kobayashi zu helfen?"
Vasselon: "Wir haben schon in Suzuka gesehen, dass Kamui ein sehr fähiger Rennfahrer ist. Wir sind also zuversichtlich, dass er dieser Herausforderung gewachsen ist. Natürlich werden wir ihm an diesem Wochenende eine zusätzliche Unterstützung zukommen lassen, wo es doch sein Formel-1-Renndebüt ist."

"Aufgrund seiner Testarbeit bei uns ist er mit dem Formel-1-Auto bestens vertraut. Dabei konnte er seine Geschwindigkeit und seine Konstanz schon oft unter Beweis stellen. An diesem Wochenende werden wir uns allerdings speziell auf diese Bereiche konzentrieren, die beim Testen nicht unbedingt Priorität genießen."


Fotos: Toyota, Großer Preis von Japan


"Boxenstopps, Rennstarts und das Qualifying mit wenig Sprit, um ein paar Beispiele zu nennen. Wir wollen größtmöglichstes Kapital aus den Trainingssitzungen schlagen, um ihn an jeden Aspekt eines Rennwochenendes zu gewöhnen. Wir sind uns sicher, dass er einen guten Job machen wird."

Monaco als einziger Ausrutscher des Jahres

Frage: "Das Saisonende rückt näher: Wie lautet dein Urteil über den TF109?"
Vasselon: "In dieser Saison waren wir im Prinzip auf jeder Art von Strecke konkurrenzfähig. In Monaco hatten wir einen einmaligen Leistungsabfall, was man am zweiten Rang von Singapur erkennen kann. Wir haben das Problem erkannt und unsere Leistung bei niedriger Geschwindigkeit verbessert."

"Nichtsdestotrotz waren wir nicht konstant und haben am Saisonende nicht die Punkte auf dem Konto, die wir aufgrund unserer Grundgeschwindigkeit haben sollten. Oftmals trafen wir nach einem guten Qualifying im Rennen auf Probleme oder waren im Grand Prix sehr konkurrenzfähig, nachdem wir ein schwieriges Qualifikationstraining hatten. Das hat unsere Punkteausbeute beeinträchtigt."

"Im Großen und Ganzen hat der TF109 einige Stärken." Pascal Vasselon

Frage: "Was sind die Stärken des TF109?"
Vasselon: "Im Großen und Ganzen hat der TF109 einige Stärken. Deshalb waren wir in diesem Jahr auf so vielen unterschiedlichen Strecken konkurrenzfähig. Wenn ich spezielle Bereiche herausgreifen müsste, dann würde ich sagen, dass die aerodynamische Effizienz im mittleren Abtriebsniveau sehr gut ist. Außerdem haben wir eine gute Stabilität, besonders beim Bremsen. Das bedeutet, dass die Piloten sehr viel Vertrauen ins Auto haben und dass der Wagen relativ einfach zu fahren ist."

Frage: "Hat der TF109 auch Schwachpunkte?"
Vasselon: "Im Rahmen der Wintertestfahrten haben wir schon frühzeitig herausgefunden, dass wir generell ein gutes Auto hatten, denn es gab keine spezifischen Probleme, die wir hätten lösen müssen. Seither drehte sich alles nur noch um die Weiterentwicklung und darum, mehr Leistung herauszukitzeln und die aerodynamische Effizienz zu steigern."

"Mit einem richtig großen Problem hatten wir es nur in Monaco zu tun. Dieses Wochenende stellte heraus, dass es uns an Grip und Abtrieb bei langsamen Geschwindigkeiten fehlte. Das haben wir mittlerweile aber abgestellt."

Die Entwicklung lief auf Hochtouren

Frage: "Wie würdest du die Entwicklungsgeschwindigkeit am TF109 einschätzen?"
Vasselon: "Wir haben natürlich Vollgas gegeben und die Entwicklungsgeschwindigkeit war groß. Wir haben die Saison recht konkurrenzfähig beginnen und beenden das Jahr auf einem ähnlichen Niveau. Das unterstreicht, dass wir in der Entwicklung nicht geschlagen wurden."

"Wir haben dem Wagen im Verlauf der Saison einiges an Leistung verliehen - trotz des Testverbotes. Das war eine gute Leistung von allen. Im Jahresverlauf haben wir einige Veränderungen an der relativen Leistung unseres Autos gesehen."

"Der Hauptgrund dafür ist schlicht und ergreifend, dass das Feld derart eng beieinander liegt. Schon eine etwas bessere oder schlechtere Anpassung an eine Strecke hatte ungewöhnlich große Veränderungen in Bezug auf die Hackordnung zur Folge."

"Die Reifen waren etwas schwieriger zu managen als die Pneus des vergangenen Jahres." Pascal Vasselon

Frage: "Wie wichtig waren die Reifen als Leistungsfaktor in dieser Saison?"
Vasselon: "Die Reifen der Generation 2009 waren etwas schwieriger zu managen als die Pneus des vergangenen Jahres. Ihre Nutzung ist recht knifflig, was eine Charakteristik der Slick-Mischung darstellt. Die Slicks nutzen ihre Mischung viel besser als die Rillenreifen, doch daraus folgt, dass das Arbeitsfenster der Reifenmischung viel kleiner ist."

"Diese Gummis reagierten viel sensibler auf die Temperatur des Asphalts und auf den Aufwärmvorgang. Das hat für Situationen gesorgt, in denen die Fahrer zuweilen überrascht davon waren, wie sich das Gripniveau von einem Reifensatz zum nächsten entwickelt hat."

"Wir haben viel Energie in die Aufgabe gesteckt, bei jedem Rennen den jeweiligen Daumenabdruck einer Reifenmischung genau zu bestimmen und auch die Probleme zu erkennen, die das mit sich brachte."

Der Frontflügel als Setupinstrument

Frage: "Hatte der bewegliche Frontflügel eine Auswirkung auf die Leistung?"
Vasselon: "Das ist eine Sache, die man aus zwei Gründen gerne haben will - auch wenn es etwas Gewicht kostet. Erstens hilft dir das dabei, die Balance und somit auch die Leistung des Autos auf einer einzelnen Runde genauer einzustellen."

"Besonders nützlich ist das auf einer Qualifikationsrunde oder während des Rennens." Pascal Vasselon

"Wenn es einen Balanceunterschied zwischen einem schnellen und einem langsamen Sektor gibt, dann kannst du die Balance einmal pro Runde verändern. Besonders nützlich ist das auf einer Qualifikationsrunde oder während des Rennens, denn so kannst du dem Reifenabrieb entgegen wirken. Für die pure Leistung ist das also eine große Hilfe."

"Außerdem beschleunigt das die Setuparbeit. Als wir in der Vergangenheit die Steifheit der Aufhängung oder die Gewichtsverteilung verändert haben, mussten wir die richtige Aerobalance abschätzen. War sie falsch, so musstest du an die Box kommen, um es richten zu lassen. Jetzt kann der Fahrer die Aerobalance auf einer Runde selbst einstellen und das beschleunigt den Setupprozess natürlich."