• 02.10.2010 09:11

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

US F1: "Es war ein großartiger Plan"

Peter Windsor im Interview: Welche Fehler er gemacht hat, wie sehr er die Formel 1 liebt und warum er seinen Ex-Partner Ken Anderson in Schutz nimmt

(Motorsport-Total.com) - Groß waren die Ambitionen von Ken Anderson und Peter Windsor, als sie 2008 den Plan schmiedeten, ein Formel-1-Team aus den USA an den Start bringen. Im Februar 2009 kam ihnen 'Motorsport-Total.com' mit der Veröffentlichung des Plans zuvor. Nur gut ein Jahr später wurde das Projekt endgültig für gescheitert erklärt.

Titel-Bild zur News: Peter Windsor

Peter Windsor hat US F1 abgehakt und arbeitet wieder in der Formel 1

Während Anderson aufgrund der scharfen Kritik an seiner Person seither untergetaucht ist, wagt sich Windsor neuerdings wieder in den Paddock. Der Brite ist in seinen alten Beruf als Journalist zurückgekehrt und schreibt neuerdings für ein Online-Magazin. Nach der großen Enttäuschung mit US F1 wirkt er nun wieder recht frohen Mutes, wenn er sagt: "Ich mache es so, wie Frank Sinatra gesagt hat: aufrichten, sich den Staub abputzen, weitermachen!"#w1#

Durch die US-F1-Pleite viel gelernt

"Ja, es waren emotionale drei oder vier Monate", gesteht Windsor im Interview mit 'Motorsport-Total.com', "aber auch wenn das vielleicht gönnerhaft klingt, muss ich sagen, dass ich viel gelernt habe und als Persönlichkeit gewachsen bin. Erstens wegen dem, was mit US F1 passiert ist, und zweitens habe ich viel über Politik gelernt und aus den Fehlern, die wir gemacht haben. Nicht unbedingt für ein neues Teamprojekt, aber für alles andere, was ich mache."

"Ich blicke optimistisch in die Zukunft und bin dankbar, dass ich diesen tollen Sport weiterhin genießen darf", sagt er. Hattest du denn jemals Angst, nie wieder in den Paddock zurückkehren zu dürfen? "Diese Angst hatte ich nicht, nein", entgegnet er. "Ich gehe regelmäßig zu Motorsportrennen, seit ich mit 13 Streckenposten war. Ich erinnere mich noch an den Montag, nachdem ich am Wochenende Piers Courage beim Qualifying in Warwick Farm auf Frank Williams' Brabham gesehen hatte."

US-F1-Fabrik in Charlotte

Die Fabrik in Charlotte wurde nur wenige Monate lang an US F1 vermietet Zoom

"Ich war außen in der ersten Kurve ein Flaggenposten. Da habe ich mir gedacht: Ich will nie einen normalen Job haben und montags in die Arbeit müssen, sondern ich will Teil der Motorsportgemeinde sein! Ich habe das große Glück, dass mir das seit meinem 18. Lebensjahr vergönnt ist. Ich schätze mich sehr privilegiert, für Ferrari und Williams gearbeitet zu haben, ebenso wie für großartige Magazine, und ich habe auch fantastische Menschen kennengelernt", schwärmt der 58-Jährige.

Aber Windsor ist bewusst, dass sein einst makelloser Ruf durch US F1 gelitten hat. Ihm und Anderson wurde sogar vorgeworfen, dass das Team von Anfang an eine Luftnummer gewesen sein könnte, um potenzielle Finanziers wie YouTube-Gründer Chad Hurley oder auch die argentinische Regierung abzuzocken. Solche Vorwürfe weist er nach wie vor weit von sich, aber er akzeptiert, dass das Projekt gescheitert ist, weil gravierende Fehler gemacht wurden.

"Ich habe Fehler gemacht, Ken hat Fehler gemacht. Wir müssen die Schuld und die Verantwortung auf uns nehmen", stellt Windsor klar. Er möchte "niemanden schlechtreden", aber er erklärt, warum US F1 seiner Meinung nach gescheitert ist: "Ich hätte nie gedacht, dass das Auto unser Problem werden würde. Ich ging davon aus, dass es viele Probleme beim Aufbau des Teams geben würde, aber nicht dieses. Das war ein Fehler, denn ich habe dem zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet."

Den Ingenieuren blind vertraut

"Andererseits bin ich aber kein Ingenieur", rechtfertigt sich der ehemalige Teammanager von Williams und Ferraris früherem Designbüro in Großbritannien unter John Barnard. "Wenn du hörst, dass sich einige hinsichtlich der Zeitpläne unsicher sind, dann gehst du zu den Technikern, von denen du am meisten hältst, und fragst sie nach ihrer Meinung. Wenn das, was sie sagen, Sinn macht, machst du weiter. Genau das habe ich getan."

"Ich glaube, wir haben 2009 den Fehler gemacht, nicht sorgfältig genug zu evaluieren, was sich in der Formel 1 wirklich abspielt", räumt er ein. "Da gab es Risse zwischen der FOTA, der FIA und dem Inhaber der kommerziellen Rechte. Das hatte Auswirkungen auf unser Programm, denn im Gegensatz zu den anderen drei neuen Teams sah unser Programm vor, eine komplett neue Fabrik aufzubauen, ein komplett neues Designteam zusammenzustellen und eine komplett neue Produktion."


Fotos: Stammsitz von US F1 in Charlotte


"Wir wollten in einem Land ein Auto bauen, in dem in der modernen Ära noch nie jemand ein Auto gebaut hat", so Windsor. Ein interessantes Statement, denn er und seine Partner haben noch vor einem Jahr beharrlich behauptet, dass der Standort USA eher ein Vor- als ein Nachteil sein würde. Offenbar hat er diesbezüglich seine Meinung geändert, aber "Ken wollte es so. Das war vielleicht ein Fehler. Ich selbst war ja 2009 bei den Rennen, bin viel gereist."

"Ich will mich nicht herausreden, aber ich bin der Erste, der im Nachhinein zugibt, dass es vielleicht richtig gewesen wäre, von Anfang an um eine Verschiebung auf 2011 zu bitten", gibt Windsor zu Protokoll. "Das ging aber nicht, denn mit all den neuen Teams, die sich damals bewarben, hätte das bedeutet, dass wir unseren Startplatz verloren hätten. Aber in Wahrheit wäre das das Beste gewesen." Um die Verschiebung wurde zwar angesucht, aber erst kurz vor Saisonbeginn 2010.

Sorgen begannen mit FIA-Ausschreibung

Im Februar/März 2009 sei der Kampf um maximal drei FIA-Startplätze "noch kein Thema" gewesen, daher habe man sich sicher gefühlt: "Damals gab es zwei freie Startplätze und wir waren das einzige Team, das einsteigen wollte. Alle anderen haben gesagt, dass es zu teuer ist und daher unmöglich. Ich verstehe immer noch nicht, was dann passiert ist, aber auf einmal wollten einen Haufen Leute ein Formel-1-Team haben und da ist alles außer Kontrolle geraten."

Ken Anderson

Peter Windsors Partner Ken Anderson wurde als Hauptschuldiger dargestellt Zoom

Oder, wie böse Zungen behaupten: US F1 hatte schlicht und einfach nicht genug Geld, um ernsthaft in die Formel 1 einsteigen zu können - auch Hurley hat ja nicht bedingungslos investiert. Mitarbeiter haben kurz vor dem Kollaps der Fabrik in Charlotte berichtet, dass ihre Gehälter nicht mehr bezahlt wurden, aber Windsor reagiert allergisch auf das Thema Finanzierung und sagt nur: "Natürlich hatten wir ein Budget." Stand März 2009 sei das ausreichend gewesen.

Dafür gesteht er aber erstmals ein, dass es ein Fehler war, alles auf eigene Faust machen zu wollen, statt nach einem externen Partner zu suchen, der das Chassis bauen hätte können: "Mein Fehler war, nicht zu Mike Gascoyne zu gehen oder zu Lola oder einer dritten Firma, die ein gut geöltes System hat, um ein Auto zu bauen. Wir wollten dieses gut geölte System selbst in drei Wochen aufbauen, aber dass das nicht passieren würde, war eigentlich klar", zeigt sich Windsor einsichtig.

Den Vorwurf, man habe bei Toyota in Köln eine perfekte Gratischance gehabt, ein bestehendes Team zu übernehmen, lässt der Brite nicht gelten: "Es war nie ein Gratisangebot, sondern es ging darum, das gesamte Projekt zu übernehmen - für sehr, sehr viel Geld. Das war nie ein Thema. Sie hatten allerdings nette Motoren rumstehen, was mir wie eine Verschwendung erschien. Aber wir waren leider an Cosworth gebunden."

Bis zum Schluss an US F1 geglaubt

Mit Geld habe das Scheitern nichts zu tun gehabt: "Du kannst Wissen nicht kaufen, ebenso wenig wie Weltmeister oder Ingenieure. Das hat man ja an BAR gesehen", sagt Windsor und versichert: "Ich war mir bis zum letzten Tag hundertprozentig sicher, dass US F1 passieren würde. Das kann ich dir aus tiefstem Herzen sagen, während ich dir in die Augen schaue. Ich habe es erst gewusst, als wir den Crashtest nicht geschafft haben. Da war klar, dass wir Probleme haben."

Dass er seiner nicht-journalistischen Karriere nachhaltig geschadet hat, ist Windsor bewusst. Daher gibt er auch offen zu: "Ich habe viel negative Presse abbekommen, viel davon gerechtfertigt. Ich bin kein perfekter Mensch und ich gebe das zu. Ken wurde aber noch übler mitgespielt. Ich möchte auf diese Kritik nicht spezifisch eingehen, aber es ist mir ein Anliegen, zu sagen, dass dieses Projekt nie auch nur existiert hätte, wenn er nicht gewesen wäre."

¿pbvin|512|3148||0|1pb¿"Auch wenn es in technischer und finanzieller Hinsicht nicht geklappt hat, war das Konzept an sich brillant", ist Windsor immer noch überzeugt und bezieht sich damit "vor allem auf das Marketing", wie er selbst sagt. Und: "Niemand auf der Welt hatte an dieses Konzept gedacht, auch ich nicht. Für diese Kreativität und für diese Ambition sollte man Ken zehn von zehn Punkten geben und ihm Respekt entgegenbringen."

"Kein Mensch in der Boxengasse hatte je daran gedacht, ein Team so zu betreiben, und nur weil wir gescheitert sind, bedeutet das nicht, dass der Plan an sich falsch war. Wir sind gescheitert, weil wir den Plan nicht gut genug ausgeführt haben, aber ich glaube ehrlich, dass es damals ein großartiger Plan war. Viele sehr seriöse Leute hätten sich ja nicht hinter uns gestellt, wenn sie ihn nicht auch für großartig gehalten hätten", meint er abschließend.