• 28.05.2002 17:20

  • von Fabian Hust

Unsichtbare Ferrari-Dominanz in Monte Carlo

Lesen Sie in unserer Analyse des Großen Preises von Monaco warum Theorie und Praxis in Monte Carlo so weit auseinander lagen

(Motorsport-Total.com) - Vor dem Großen Preis von Monaco in Monte Carlo rechneten die meisten Experten mit einer Ferrari-Dominanz. Doch auf der einen wichtigen Runde im Qualifying war Michelin zu stark gewesen und so mussten sich die Bridgestone-Teams mit hinteren Startplätzen zufrieden geben, was auch das Ferrari-Team betraf, wo Michael Schumacher mit Startplatz drei in Monaco schon halb verloren hatte. Die Tatsache, dass bis auf Ferrari alle Fahrer in der Top 10 im Qualifying auf Michelin-Reifen unterwegs waren, sprach Bände.

Titel-Bild zur News: Schumacher, Montoya, Coulthard

Verkehrte Reihenfolge im Fürstentum von Monte Carlo

Im Rennen jedoch war das Bild ein anderes. Hier schien Bridgestone sogar ein wenig im Vorteil zu sein. Die Tatsache, dass man in Monaco nur dann ein Auto überholen kann, wenn es pro Runde um mehrere Sekunden langsamer ist, der Fahrer vorne ein Problem hat oder sich einen Fahrfehler leistet, führte zu einem Rennausgang, der auf einer anderen Rennstrecke mit normalen Überholmöglichkeiten angesichts der Rundenzeiten völlig anders ausgesehen hätte.

Ferrari ? 72 WM-Punkte ? Platz 1
Ferrari hatte im Qualifying die Pole Position in Reichweite, Rubens Barrichello verpasste sie nur weil er im Verkehr hängen blieb. Michael Schumacher hingegen fuhr zwar im Gegensatz zu seinem Teamkollegen ein Wochenende konzentriert und ohne Fahrfehler durch, jedoch war der Deutsche wie schon an den letzten drei Rennwochenenden gesehen Barrichello nicht überlegen, im Gegenteil, er wirkte eine Ecke schwächer als der Paulista.

Im Rennen war es Rubens Barrichello, der mit 1:18.023 Minuten die schnellste Runde des Rennens drehte und den alten Streckenrekord von David Coulthard aus dem Vorjahr um 1,401 Sekunden unterbot. Die zweitschnellste Rennrunde drehte Michael Schumacher, der 0,629 Sekunden Rückstand zu verzeichnen hatte. Die Rundenzeiten zeigten eindeutig, dass Ferrari im Rennen erneut ein überlegenes Paket hatte, dies aber nicht nutzen konnte. Hätte, wäre, wenn - hätte Michael Schumacher nicht hinter Montoya zu viel Zeit auf Coulthard verloren oder hätte das Team den Schotten eine oder zwei Runden später an die Box geholt, dann hätte der Kerpener das Rennen gewinnen können.

Rubens Barrichello wurde im Rennen wieder einmal seinem Ruf gerecht, dass er teilweise zu unüberlegt und aggressiv fährt. Die Rennleitung stempelte den Auffahrunfall auf Kimi Räikkönen in der Hafenschikane als Rennunfall ab, ließ ihn aber dennoch zu einer Durchfahrstrafe an die Box kommen. Es war klar, dass der Brasilianer erneut etwas probierte, was zum Scheitern verurteilt war. Dass nur Räikkönen aufgeben musste, Barrichello noch als Siebter die Zielflagge sah, ist einer großen Portion Glück zuzuschreiben.

Michael Schumacher verhielt sich zum Schluss taktisch klug. Er behielt den Kontakt zu David Coulthard, um einen Fahrfehler des Schotten bei Gelegenheit ausnutzen zu können, riskierte aber nie einen unüberlegten Angriff, was wertvolle Punkte hätte kosten können. Dank seines zweiten Platzes machte der vierfache Weltmeister auf seine ärgsten WM-Rivalen Juan-Pablo Montoya und Ralf Schumacher so sechs beziehungsweise vier WM-Punkte gut.

Kurzprognose:
Der Ferrari F2002 ist weiterhin das bei weitem beste Auto im Feld. Im Rennen hatte man in Monaco erneut den schnellsten Boliden plus ein zuverlässiges und auch noch robustes Auto, was der Crash von Barrichello eindrucksvoll bewies. Der WM-Titel ist für Michael Schumacher theoretisch schon in Hockenheim zu sichern, Rubens Barrichello ist stark genug, um das Team im Kampf um den Konstrukteurstitel zu unterstützen.

BMW-Williams ? 54 WM-Punkte ? Platz 2
Auch wenn der BMW-Williams Expertenmeinungen zu Folge immer noch weniger Abtrieb aufbauen kann als der Ferrari und der McLaren-Mercedes, war man in Monaco konkurrenzfähig. Doch warum? Die Pole Position von Juan-Pablo Montoya war eine Traumrunde. In erster Linie war die Zeit des Kolumbianers auf den Fahrerfaktor zurückzuführen, auf den Michelin-Reifen, der an jenem Tag den meisten Grip bot und natürlich auch einer Portion Glück, denn der 26-Jährige traf auf eine vor ihm komplett freien Strecke.

Im Rennen täuschte das "Überholverbot" darüber hinweg, dass die Weiß-Blauen eigentlich keine realistische Chance auf eine Top-Platzierung gehabt hätten. Dem drittplatzierten Ralf Schumacher fehlten in seiner schnellsten Rennrunde 1,466 Sekunden auf Barrichello, Montoya sogar 2,323 Sekunden! Der Unterschied zwischen den beiden Fahrern ist wohl damit zu begründen, dass Ralf Schumacher durch seinen Reifenschaden einen frischen Reifensatz auf das bereits leichter gewordene Auto aufgezogen bekam.

Durch den Motorschaden am Auto des Kolumbianers liegen die beiden Teamkollegen nun mit 27 WM-Punkten gleich auf ? 33 Punkte hinter dem WM-Führenden. Für den Kolumbianer war es übrigens der erste Ausfall in dieser Saison, die Weiß-blauen stellen aber dennoch das im Durchschnitt zuverlässigste Auto im ganzen Feld.

Kurzprognose:
Das Rennen in Monaco hat gezeigt, dass Ferrari nicht unbesiegbar ist, wenn das Paket aus Fahrer, Chassis, Motor und Reifen funktioniert. So wird das Team von Frank Williams in diesem Jahr noch Rennen gewinnen können, für den Titel ist der Zug aber wohl bereits zu weit abgefahren.

McLaren-Mercedes ? 24 WM-Punkte ? Platz 3
McLaren-Mercedes hat richtig gehandelt, schon kurz nach dem Rennen auf die Euphoriebremse zu treten. Der Sieg in Monte Carlo kam zustande, weil an diesem Tag David Coulthard die Gunst der Stunde nutzen konnte, trotz eines langsameren Autos nicht überholt werden zu können und er seine ganze Routine ausspielte und die Silbernen sich an der Box gerade noch rechtzeitig entschieden, den Schotten an die Box zu holen. Teamkollege Kimi Räikkönen hatte Pech, er wurde von Barrichello unschuldig abgeschossen und musste aufgeben.

Auf den kommenden schnelleren Strecken wird das Paket nicht mehr so konkurrenzfähig sein, da der Top-Speed des Autos nicht ausreichend hoch ist, was vor allem im etwas zurückliegenden Mercedes-Motor zu begründen ist. In Monaco konnte man diesen Faktor durch eine sehr gut funktionierende Traktionskontrolle kaschieren. In seiner schnellsten Rennrunde fehlten David Coulthard 1,337 Sekunden auf Barrichello, Kimi Räikkönen 2,403 Sekunden ? dies zeigt, wie groß der Rückstand auch auf dem Stadtkurs war, der sich im Endergebnis aber nicht bemerkbar machte.

Kurzprognose:
Es wird in diesem Jahr noch Strecken geben, auf denen der McLaren-Mercedes wieder funktionieren könnte. Ob dies dann in einem oder mehreren Siegen enden wird, muss abgewartet werden. Das Ergebnis von Monaco darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass man im Moment weiterhin nur das drittschnellste Auto im Feld hat und besonders auf Ferrari der Rückstand eklatant ist.

Renault ? 11 WM-Punkte ? Platz 4
Neben Sauber war Renault die Enttäuschung von Monte Carlo. Angesichts der guten Fahrbarkeit des Renault-Motors und einer ausgezeichneten Traktionskontrolle waren die Franzosen im Vorfeld in den Augen der Experten eine echte Gefahr für BMW-Williams und McLaren-Mercedes. Doch der vierte Platz von Jarno Trulli bedeutete, dass man sich hinten anstellen musste, der Rückstand von einer Runde war zudem eklatant. Während der Italiener ein gutes Rennen fuhr, krachte Jenson Button bei einem misslungenen Überholmanöver mit Olivier Panis zusammen. Ein unnötiger Fehler.

Mit den Rundenzeiten bewegte sich das Renault-Team nur im Mittelfeld. Jarno Trulli war in seiner schnellsten Rennrunde 2,422 Sekunden langsamer als Rubens Barrichello, Teamkollege Jenson Button fehlten gar 2,697 Sekunden. Dank dem vierten Platz von Trulli, der am Dienstag von der FIA nach der Untersuchung der "Black Box" bestätigt wurde, konnte man auf Hauptgegner Sauber Boden gut machen.

Kurzprognose:
Nach großen Fortschritten im letzten Jahr und Anfang dieser Saison wird die Luft für Renault an der Spitze immer dünner, was sich nun bemerkbar zu machen scheint. Die anderen Teams wie McLaren-Mercedes und BMW-Williams entwickeln ebenfalls unter Hochdruck und so scheint man sich mit dem vierten Platz abfinden zu müssen und kann nicht wie zunächst erhofft den Silbernen die Show stehlen.

Sauber-Petronas ? 8 WM-Punkte ? Platz 5
Monaco ist und bleibt eine Strecke, die man in den Augen von Sauber wohl am liebsten nie in den Rennkalender aufgenommen hätte. 1994 der schwere Unfall von Karl Wendlinger, in diesem Jahr wieder einmal eine Nullnummer plus der schwere Unfall von Felipe Massa, der mit rund 160 km/h in die Reifenstapel krachte. Der Aufprall war so hart, dass der Brasilianer mit dem Helm auf dem Lenkrad aufschlug und sich dabei seine Nase unangenehm prellte.

Nach den mehr als enttäuschenden Startplätzen 13 und 17 für Massa und Heidfeld lief es auch im Rennen nicht viel besser. Immerhin konnte der früher in der Formel 3000 in Monte Carlo erfolgreiche Heidfeld sich auf den achten Platz vorarbeiten, der Rückstand von 2,904 Sekunden auf die schnellste Rennrunde zeigt aber, wo man wirklich stand. Massa war noch einmal rund eine Zehntelsekunde langsamer.

Kurzprognose:
Sauber kann positiv nach vorne schauen, denn die wohl in dieser Saison schlimmste Rennstrecke hat man hinter sich gebracht. Das Team wird noch Punkte einfahren können aber es wird schwierig werden, den vierten Platz in der Konstrukteurswertung von Renault zurückzuholen.

Jordan-Honda ? 4 WM-Punkte ? Platz 6
In den letzten zwei Rennen konnte Giancarlo Fisichella jeweils zwei WM-Punkte sammeln. In Monte Carlo war der Italiener extrem stark, er fuhr mit 1,097 Sekunden die drittschnellste Rennrunde und hat seinen fünften Platz mehr als verdient. Es ist aber klar, dass hier der Fahrerfaktor eine wichtige Rolle gespielt hat. Takuma Sato war bedeutend langsamer unterwegs und crashte auch noch, als er seinem Teamkollegen im Tunnel an der denkbar ungünstigsten Stelle Platz machen wollte und sorgte so wieder dafür, dass das Konto von Teamchef Eddie Jordan schrumpft.

Kurzprognose:
Bei Jordan ist ein Aufwärtstrend zu erkennen, nachdem man endlich die Zuverlässigkeit in den Griff bekommen hat. Der eine oder andere Punkteplatz ist möglich. Eddie Jordan wird wohl auf Regen hoffen, denn dann ist "Fisico" in Kombination mit Bridgestone ein echter Podiumskandidat.

Jaguar Racing ? 3 WM-Punkte ? Platz 7
So schlecht, wie das Jaguar-Team im Moment unterwegs ist, hätte es den vorletzten Platz in der Konstrukteurswertung verdient. Selbst ein routinierter Fahrer wie Eddie Irvine, der in den letzten Jahren bewiesen hat, dass er zu den besten Fahrern im Fürstentum gehört, konnte den dritten Platz des Vorjahres nicht wiederholen. Rang neun mit zwei Runden Rückstand ? mehr war nicht drin. Auch der Rückstand von 3,036 Sekunden auf die schnellste Runde kann nicht überzeugen. Teamkollege Pedro de la Rosa war rund eine Zehntelsekunde schneller und kam als Zehnter ins Ziel. Das einzige Positive an diesem Wochenende: Beide Fahrer sahen die Zielflagge.

Kurzprognose:
Das Jaguar-Team plant eine umfangreiche Verbesserung des Autos, doch die wird angesichts des eklatanten Rückstandes höchstens einen Sprung in das hintere Mittelfeld bewirken. Und selbst von dort ist es alles andere als leicht in die Punkte zu fahren, wie Jordan, BAR und Co. merken müssen.

Minardi-Asiatech ? 2 WM-Punkte ? Platz 8
Zum Minardi-Team gibt es nicht viel zu sagen. Dank Mark Webber konnte man in Monaco zumindest auf den Zeitenmonitoren glänzen, doch gebracht hat das leider nicht. Mit 1,945 Sekunden Rückstand fuhr der Australier die achtschnellste Rennrunde, was deutlich macht, wie groß der Fahrereinfluss auf dem engen Kurs ist. Teamkollege Alex Yoong konnte erwartungsgemäß nicht glänzen und drehte mit 4,761 Sekunden Rückstand die langsamste Runde des Rennens. Nur Webber sah am Ende als Elfter das Ziel, Yoong wurden die Leitplanken zum Verhängnis.

Kurzprognose:
Das Minardi-Team wird weiterhin die Statistenrolle in der Formel 1 einnehmen. Eine Platzierung in den WM-Punkten ist nur mit viel, viel Glück möglich.

Toyota ? 2 WM-Punkte ? Platz 9
Das Toyota-Team ist weiterhin verblüffend schnell unterwegs, Mika Salo und Allan McNish auf den Startplätzen neun und zehn, das war wirklich beachtlich. Auch Mika Salos schnellste Rennrunde mit 1,456 Sekunden Rückstand, was die fünftschnellste überhaupt war, ist mehr als beachtlich. Im Rennen sorgte der Doppelausfall natürlich für wenig Freude. McNish crashte in der 'Sainte-Dévote', Salo absichtlich in der 'Massenet', als ihm das Bremspedal durchfiel. Dennoch konnte man zufrieden sein, denn die Vorstellung war abgesehen davon wieder einmal sensationell gut. Man darf nicht vergessen: Die Japaner bestritten ihr siebtes Formel-1-Rennen und das auf einer Strecke, auf der man nie testen konnte.

Kurzprognose:
Toyota ist in dieser Saison noch die eine oder andere Überraschung zuzutrauen. Dass man am Ende der Saison hinter Minardi liegen wird, ist wohl sehr unwahrscheinlich.

Arrows ? 2 WM-Punkte ? Platz 10
Heinz-Harald Frentzen hat an diesem Wochenende erneut gezeigt, zu was der Arrows fähig ist, wenn er von dem richtigen Mann bewegt wird. Die Bestzeit im Warm Up war keine Hexerei, eine neue Vorderradaufhängung hatte dem Auto über Nacht das Untersteuern ausgetrieben. Im Rennen fuhr der Mönchengladbacher mit 1,578 Sekunden Rückstand auf Ralf Schumacher-Niveau und holte sich einen verdienten sechsten Platz.

Auch Teamkollege Enrique Bernoldi war stark unterwegs, der Brasilianer drehte mit 2,094 Sekunden Rückstand die neuntschnellste Zeit und war damit schneller als ein Montoya und Räikkönen. Nach dem Abschuss durch Felipe Massa kam der Brasilianer noch als Zwölfter und damit Letzter ins Ziel.

Kurzprognose:
Wie viel Potenzial noch im Arrows steckt wird immer deutlicher. Es wird viel davon abhängen, wie viel das Team testen kann, denn die Finanzlage ist angespannt. Dem Team sind durchaus noch weitere Platzierungen in den Punkten zuzutrauen.

BAR-Honda ? 0 Punkte ? Platz 11
Angesichts eines gesunden Budgets, eines Werkspartners (Honda) und mit Jacques Villeneuve und Olivier Panis als gute Fahrer ist der erste WM-Punkt eigentlich schon längst überfällig, aber die Basis des Autos zu schlecht und man wird Glück brauchen um in die Punkte zu fahren. Das Team wartet schon sehnsüchtig auf das "neue" Auto, das beim nächsten Rennen sein Debüt geben wird. In Monaco sahen beide Fahrer das Ziel nicht, Olivier Panis war mit 3,893 Sekunden Rückstand bei der schnellsten Rennrunde auf Platz 18 zu finden, Villeneuve hatte über vier Sekunden Rückstand.

Kurzprognose:
Es bleibt abzuwarten, um wie viel besser das "neue" Auto sein wird, mit dem das Team demnächst ausrücken wird. Die Änderungen sollen umfassend sein, aber dennoch scheint es zweifelhaft, dass dem Team ein großer Sprung nach vorne gelingen wird.

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