• 08.01.2005 15:30

Toyota-Präsentation: Interview mit Ralf Schumacher

Aktualisierte Version: Ab Saisonmitte hofft Ralf Schumacher - bisher von Toyota "angenehm überrascht" - auf das eine oder andere Podium

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ralf, was hat dich dazu bewogen, zu Toyota zu wechseln?"
Ralf Schumacher: "Ich habe hier die Möglichkeit, mit einem noch recht jungen Team zu arbeiten, das sich auf dem aufsteigenden Ast befindet. Als ich im November die ersten Testfahrten bestritten habe, war ich sehr beeindruckt von der professionellen Vorgangsweise, die das Team an den Tag gelegt hat. Wichtig ist auch, dass Chassis und Motor im selben Gebäude hergestellt werden, denn dadurch arbeiten alle auf dasselbe Ziel hin. Für mich persönlich ist es natürlich auch ein Pluspunkt, dass Toyota die Fabrik in Deutschland hat. Alles zusammen stellt glaube ich eine gesunde Basis für gemeinsame Erfolge dar."

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher

Ralf Schumacher bei der Präsentation des Toyota TF105 in Barcelona

Frage: "Was sind die Vorteile davon, dass Chassis und Motor unter einem Dach gebaut werden?"
Schumacher: "Das bedeutet ganz einfach, dass keine Energie verschwendet wird. Wenn alle unter demselben Dach arbeiten, ist es ganz klar, dass auch alle dasselbe Ziel vor Augen haben."#w1#

"Kann nicht erwarten, dass sich der Erfolg sofort einstellt"

Frage: "Wie sehr beunruhigt dich, dass Toyota das vorhandene Potenzial bisher noch nicht in greifbare Ergebnisse umwandeln konnte?"
Schumacher: "Ich glaube, dass die kurze Geschichte von Toyota in diesem Sport typisch für die Formel 1 ist. Man kann nicht erwarten, dass sich der Erfolg sofort einstellt. Dafür gibt es viele Gründe. Natürlich wird es noch dauern, bis Toyota ganz vorne mitfahren kann, aber die ersten drei Jahre sind einmal vorbei und in denen hat das Team jede Menge gelernt. Die Jungs wissen, was es bedeutet, einen Grand Prix zu bestreiten, daher bin ich zuversichtlich."

Frage: "Du hast das Team jetzt in der Fabrik und bei den Tests gesehen. Wie ist dein bisheriger Eindruck?"
Schumacher: "Ich muss sagen, dass ich sehr ermutigt bin, denn sie arbeiten ungemein professionell. Von daher überrascht es mich ein bisschen, dass sie noch keine besseren Ergebnisse zustande gebracht haben. Gegen Saisonende 2004 hatten sie eine Menge Pech, denn ich glaube, da war das Paket besser als es aussah."

Frage: "Gibt es spezielle Bereiche, die dich besonders beeindruckt haben?"
Schumacher: "Elektronisch ist Toyota sehr weit fortgeschritten, sicher auf einem höheren Level als das, womit ich bisher gearbeitet habe. Die Struktur ist auch sehr gut, speziell wenn es darum geht, während der Saison neue Dinge zu entwickeln. Dadurch wird das ganze System beschleunigt, was ich sehr begrüße, denn es hat mich immer am meisten frustriert, wenn ich auf neue Teile warten musste. Der Motor verfügt über eine großartige Fahrbarkeit. Durch die elektronischen Fahrhilfen ist das Auto leicht zu kontrollieren. Es ist schon ein sehr fortgeschrittenes Stückchen Technik."

Potenzial ist laut Schumacher "sicher vorhanden"

Frage: "Hattest du nach den ersten Tests den Eindruck, dass Toyota irgendwann eine Weltmeisterschaft gewinnen kann?"
Schumacher: "Schwer zu sagen, aber ich war schon überrascht, wie gut es gleich gelaufen ist. Es war ein großartiges Gefühl, im Auto zu sitzen, auch wenn ich einen Tag gebraucht habe, um ernsthaft testen zu können. Wenn man sich genauer umsieht, ist das Potenzial sicher vorhanden, aber es wird eine Weile dauern."

Frage: "Was hältst du von den neuen Reifenregeln für 2005?"
Schumacher: "Ich muss sagen, dass ich bei den bisherigen Tests bezüglich der Reifen ziemlich überrascht gewesen bin. Die Reifen sind sehr gut und fast genauso schnell wie dieses Jahr. Natürlich werden wir weniger Boxenstopps sehen und gegen Ende eines Rennens keine schnellsten Runden mehr, weil ein frischer Satz klarerweise immer schneller ist, aber prinzipiell hat die veränderte Aerodynamik auf die Rundenzeiten weit größeren Einfluss als die Reifen. Ich halte es für richtig, dass der Speed jetzt kontrolliert wird, denn wenn wir uns so weiterentwickelt hätten wie in den letzten vier oder fünf Jahren, wäre es einfach zu schnell geworden."

Frage: "In welchem Ausmaß werden die Boxenstopps deiner Meinung nach abnehmen?"
Schumacher: "Die Boxenstrategie wird sehr vom Qualifying abhängen. Es kann gut sein, dass wir durch die höheren Frontflügel nicht mehr so leicht überholen können wie bisher. Wenn das der Fall ist, werden wir weniger Boxenstopps als bisher sehen. Es wird von Strecke zu Strecke unterschiedlich sein, aber im Extremfall ist sogar nur ein einziger, sehr früher Boxenstopp denkbar."

Motorenregeln bereiten Schumacher keine Sorgen

Frage: "Wie wird sich die neue Motorenregel auswirken? Jeder Motor muss jetzt ja zwei Wochenenden überstehen und nicht nur eines."
Schumacher: "Hier bei Toyota sind wir diesbezüglich sehr gut aufgestellt, was ich bisher gesehen habe, aber ich denke schon, dass wir bei manchen Teams den einen oder anderen Motorschaden sehen werden. Das Ziel eines jeden Teams ist sicher, bei doppelter Lebensdauer dieselbe Leistung und dieselben Drehzahlen zu erreichen. Wir werden sehen."

Frage: "Ärgert es dich als Fahrer, dass es jetzt durchaus passieren kann, dass du für einen technischen Defekt härter als bisher bestraft wirst?"
Schumacher: "Das hat mit Glück ja nichts zu tun, sondern mit Vertrauen in die Motorenabteilung. Es ist ja nicht unmöglich, einen Motor zu bauen, der 1.500 Kilometer aushält. Die technische Herausforderung ist gegeben, gewiss, aber es ist machbar."

Frage: "Um wie viel langsamer werden die Autos in Melbourne im Vergleich zu 2004 sein?"
Schumacher: "Vielleicht eine Sekunde, vielleicht anderthalb, aber ich glaube, dass die Chance, 2005 so schnelle Rundenzeiten wie 2004 zu sehen, gar nicht so gering ist. Alles hängt von der Reifenentwicklung ab, aber da wird ein wahnsinnig guter Job gemacht. Auf den Long-Runs sind wir schon jetzt wieder ziemlich konkurrenzfähig. Die Formel 1 wird 2005 nicht langsamer sein als bisher."

Frage: "Ist das Auto schwieriger zu fahren, rutscht es mehr?"
Schumacher: "Natürlich. Das hängt mit dem verlorenen Abtrieb zusammen. Ich bin aber angenehm überrascht, wie gut die Balance des Toyota ist."

Toyota könnte von neuen Regeln profitieren

Frage: "Ist es für ein Team wie Toyota ein Vorteil, dass sich so viele Regeln geändert haben?"
Schumacher: "Motorenseitig sind wir sicher im Vorteil, weil unser Motor schon jetzt eine sehr hohe Lebenserwartung hat. Auch aerodynamisch wird sich der Abstand zwischen den Top-Teams und dem Mittelfeld verringern, weshalb ich insgesamt schon glaube, dass Toyota ein wenig profitieren könnte."

Frage: "Mit Olivier Panis und Ricardo Zonta hat Toyota zwei erfahrene Testpiloten. Wie wichtig ist das für den Erfolg des Teams?"
Schumacher: "Man braucht Testfahrer, auf die man sich verlassen und denen man vertrauen kann. Olivier und Ricardo sind eine wirklich gute Wahl. Beide haben viel Erfahrung und Speed, was großartig ist. Ich bin daran gewöhnt, einen erfahrenen Testpiloten zu haben, und muss sagen, dass das verdammt wichtig ist. Dass wir jetzt gleich zwei von der Sorte zur Verfügung haben, ist umso besser und gut für das Team. Gleichzeitig bewahren wir so das wichtige Element der Stabilität. Wir befinden uns gerade in einer sehr wichtigen Phase und da ist es besonders entscheidend, dass in der Weiterentwicklung an einer bestimmten Richtung festgehalten wird."

Frage: "Und was hältst du von Jarno Trulli?"
Schumacher: "Jarno war schon immer ein angenehmer Kollege, auch als wir noch in verschiedenen Teams gefahren sind. Der Umgang mit ihm ist nicht kompliziert, was auch auf mich zutrifft, daher gibt es keine Probleme. Im Moment wollen wir das Projekt wirklich voranbringen. Meiner Meinung nach geben wir die optimale Fahrerpaarung für Toyota ab, weil wir uns gegenseitig ans Limit pushen werden."

Schumacher will "eine Menge Erfahrung" einbringen

Frage: "Was kannst du selbst ins Team einbringen?"
Schumacher: "Ich persönlich glaube, dass ich produktive Kommentare und eine Menge Erfahrung einbringen kann - und hoffentlich, was am wichtigsten ist, gute Resultate. In den nächsten Monaten werden wir sehen, wo wir stehen. Ich schätze, dass ab Saisonmitte die Möglichkeit bestehen wird, auch einmal auf das Podium zu fahren."

Frage: "Bei Toyota gibt es 32 Nationalitäten, aber das Team ist in Deutschland beheimatet. Kannst du Mike Gascoyne dabei helfen, Deutsch zu lernen?"
Schumacher: "Er spricht doch schon recht gut Deutsch! Das ist für mich das Schöne an Toyota: Alle anderen im Team müssen Deutsch lernen. Die Meetings sind aber natürlich in englischer Sprache, daher laufe ich nicht Gefahr, das zu verlernen."

Frage: "Der Rennkalender wurde auf insgesamt 19 Grands Prix erweitert. Wie schwierig ist das für euch Fahrer?"
Schumacher: "Ich glaube nicht, dass der Kalender für uns Fahrer ein spezielles Problem darstellt. Für die restlichen Mitarbeiter, die Organisation, ist es viel schwieriger. Andererseits sollte es leichter zu kompensieren sein, wenn die Testfahrten wie angekündigt limitiert werden."

"Die Formel 1 muss auf der ganzen Welt fahren"

Frage: "Was hältst du von den zwei neuen Strecken der Saison 2004, Bahrain und China?"
Schumacher: "Die Formel 1 muss auf der ganzen Welt fahren und Bahrain und China waren exzellente Veranstaltungen. Leider haben einige Strecken in Europa ihre besten Tage schon hinter sich, daher bin ich sehr dafür, auf neuen Strecken zu fahren."

Frage: "Genießt du es aus fahrerischer Sicht, neue Strecken auszuprobieren?"
Schumacher: "Sowohl Bahrain als auch China sind sehr moderne und anspruchsvolle Strecken. Sie unterscheiden sich stark voneinander, aber dennoch sind beide sehr unterhaltsam und gleichzeitig sicher. Davon abgesehen sind die Anlagen einfach beeindruckend, was den Mechanikern und den Marketingleuten etwas mehr Arbeitsplatz verschafft."