• 09.01.2005 09:39

Toyota-Präsentation: Interview mit Mike Gascoyne

Technikchef Mike Gascoyne ist glücklich über die Arbeit im Windkanal und spricht im Interview über die Entwicklung des neuen TF105

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Mike, das neue Reglement wurde erst sehr spät beschlossen. Wie seid ihr überhaupt mit der Entwicklung zurechtgekommen? War es Schätzarbeit?"
Mike Gascoyne: "Obwohl die Regeln erst sehr spät beschlossen worden sind, haben wir sie zuvor in der Technischen Arbeitsgruppe schon eine ganze Weile diskutiert. Wir haben im Juli mit der Arbeit im Windkanal begonnen. Zu dem Zeitpunkt gab es schon einen temporären Regelentwurf. Zum Glück wurde der dann auch bestätigt! Es war also alles sehr knapp, aber..."

Titel-Bild zur News: Mike Gascoyne

Gascoyne zeichnet sich als Technischer Direktor für den TF105 verantwortlich

Frage: "Gab es auch hinter den Kulissen keine fixen Informationen?"
Gascoyne: "Überhaupt nicht, aber das hat uns nicht beeinträchtigt. Wenn das Paket in letzter Minute geändert worden wäre, hätten wir ein Problem gehabt, aber so sind wir sehr glücklich mit dem, was wir erreicht haben."#w1#

TF104B wurde für den TF105 geopfert

Frage: "Ihr habt vergangene Saison eine B-Version des Autos herausgebracht, aber dann wurde die Entwicklung eingefroren. Warum?"
Gascoyne: "Wir wollten das Auto bis Jahresende weiterentwickeln und Fortschritte damit machen. Zum Zeitpunkt, als wir den TF104B vorgestellt haben, wurden genau die neuen Regeln vorgestellt. Was die bevorstehende Saison angeht, war natürlich ein möglichst früher Entwicklungsbeginn umso besser. Also haben wir den TF104B eingefroren, weshalb wir nicht mehr auf die erwarteten Resultate gekommen sind. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass das Auto, das wir heute präsentiert haben und das wir in Melbourne verwenden werden, viel besser ist, und das war das Ziel."

Frage: "Was waren die größten Schwächen des letztjährigen Fahrzeugs und wie habt ihr versucht, diese für 2005 auszumerzen?"
Gascoyne: "Wir waren immer sehr ehrlich, was die Schwächen unseres Fahrzeugs angeht. Es war nie ein Geheimnis, dass die Aerodynamik nicht so gut ist, wie sie sein müsste, damit wir vorne mitfahren könnten. Folglich haben wir sehr viel Arbeit investiert, um das hinzubekommen - nicht an der Rennstrecke, sondern in der Fabrik. Die Methoden, die wir im Windkanal anwenden, haben sich verändert. Das hat zwar neun Monate gedauert, aber jetzt haben wir es erledigt und wir werden hoffentlich direkte Auswirkungen auf der Rennstrecke spüren."

Frage: "Was sind die augenscheinlichsten Innovationen des TF105?"
Gascoyne: "Durch die veränderten Regeln sind natürlich aerodynamische Veränderungen entstanden. Ein sehr signifikanter Bereich ist aus unserer Sicht aber das mechanische Paket. In Melbourne wird es ein ganz anderes Auto sein. Was man heute sehen kann, ist zwar komplett neu, aber es wird bis Melbourne noch einmal verbessert."

Laufende Weiterentwicklung ein Ziel von Toyota

Frage: "Was aber, wenn es so schnell ist, dass niemand an euch rankommt, lasst ihr dann von Veränderungen die Finger?"
Gascoyne: "Nein, wir machen das Auto immer schneller."

Frage: "Als ihr mit den neuen Regeln in den Windkanal gegangen seid, habt ihr euch da gedacht, 'Mein Gott, es sind 28 Prozent Abtrieb weg', und wie viel davon konnte inzwischen wieder zurückgewonnen werden?"
Gascoyne: "Wir sprechen nicht über Zahlen, würden das nie tun. Es war aber kein Schock, denn zu diesem Zweck sind die Regeln ja entwickelt worden. Wir wollten den Abtrieb verringern und es ist ein sehr vernünftiges Regelpaket. Mein Job als Designer ist es, das Defizit so gering wie möglich zu halten, aber wir wollen nicht verraten, in welchem Ausmaß uns das gelungen ist. Ich kann nur so viel verraten: Mein Team und ich sind sehr glücklich."

Frage: "Ein Reifensatz darf nun im Qualifying und Rennen nicht mehr gewechselt werden. Wie wird sich das auswirken?"
Gascoyne: "Die Fahrer, die die Reifen am besten schonen können, werden sich durchsetzen. Ralf ist darin sehr gut, aber auch Michael (Schumacher; Anm. d. Red.)."

Bis Melbourne folgen noch viele Modifikationen

Frage: "Andere Teams haben eine andere Strategie, verwenden im Winter Interimsfahrzeuge mit Teilen des neuen und des alten Autos. Ihr habt einen brandneuen Toyota. Ist das ein Vorteil?"
Gascoyne: "Es ist ein Vor- und gleichzeitig ein Nachteil. Bringt man das Auto früh heraus, hat man bei den Tests viel Zeit. Man will das Auto mechanisch zuverlässig machen und strebt daher eine möglichst frühe Präsentation an. Umgekehrt möchte man aerodynamisch so lange es geht weiterentwickeln und daher spät die Präsentation durchführen. Wir haben uns für eine frühe Präsentation entschieden, weil wir in Melbourne ein zuverlässiges Auto haben wollen. Allerdings werden wir das Bodywork bis Melbourne noch total auf den Kopf stellen, damit wir das neueste Aerodynamikpaket einsetzen können. Das ist der beste Kompromiss. Das bedeutet natürlich, dass mehr Teile produziert werden müssen, aber das muss man eben in Kauf nehmen, wenn man konkurrenzfähig sein will."

Frage: "Ihr habt eine sehr starke Fahrerpaarung. Natürlich werden sich die beiden gegenseitig antreiben, aber was bringen sie dem Team?"
Gascoyne: "Einer der aufregendsten Faktoren des Toyota-Teams sind die Fahrer, nicht nur die beiden Rennfahrer, sondern auch die Testfahrer, denn Olivier und Ricardo (Panis und Zonta; Anm. d. Red.) sind bei uns geblieben. Vor allem freut uns, dass Olivier als Testfahrer für uns arbeiten wird, obwohl er als Rennfahrer zurückgetreten ist, denn er hat die Reputation eines der besten Testpiloten überhaupt. Für das dritte Auto an den Freitagen gibt es keinen besseren Fahrer als Ricardo, der schon viel Rennerfahrung vorweisen kann. Und mit Jarno und Ralf haben wir zwei schnelle Grand-Prix-Piloten, ausgewiesene Rennsieger, mit denen ich zuvor schon gearbeitet habe. Ich glaube, dass sie zusammen eine sehr gute Fahrerkombination abgeben. Für die Belegschaft ist es außerdem sehr motivierend, zwei so starke Fahrer in den Autos sitzen zu haben. Ralf und Jarno sind sehr motiviert. Wenn man ihnen etwas vorwerfen kann, dann nur, dass sie im Verlauf ihrer Karrieren nicht immer das Maximum herausgeholt haben. Andererseits glaube ich aber, dass sie nie das Umfeld hatten, das ihnen solche Leistungen ermöglicht hätte."

Gascoyne will aus Schumacher/Trulli das Maximum herausholen

Frage: "Woran lag das deiner Meinung nach?"
Gascoyne: "Ralf hatte einen dornigen Teamkollegen, was eine Ablenkung gewesen sein muss, und Jarno hatte eine vertragliche Situation, aufgrund der er es nicht geschafft hat, seine Maximalleistung abzurufen. Sie werden bei uns aber gut zusammenarbeiten, weil Ralf einen schnellen Teamkollegen braucht, der nicht politisch ist, und auf Jarno trifft das zu. Für Jarno sollte es wiederum motivierend sein, sich mit einem anerkannt schnellen Fahrer wie Ralf zu messen. Beide haben in der Vergangenheit schon bewiesen, dass sie einen Grand Prix dominieren können. Ich habe großes Vertrauen in unsere Fahrer."