Todt: "Haben uns ein anderes Ziel gesetzt"
Der Ferrari-Boss über die frühe Premiere in Australien, seine Erwartungen für 2004 und die Kooperation mit Sauber
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Jean, seid ihr auf die wiederum veränderten Regeln ausreichend vorbereitet?"
Jean Todt: "Wir haben noch viel zu tun. Wie sie wissen, haben wir unser neues Auto erst heute Morgen vorgestellt. Hoffentlich können wir Ende der Woche erstmals damit fahren. Bei Privattests haben wir schon einige der neuen Lösungen am F2003-GA ausprobiert, aber vor dem Flug nach Australien liegt noch ein sehr intensiver Februar vor uns."

© xpb.cc
Jean Todt nimmt die Gegner ernst und ist gespannt auf das erste Rennen
Frage: "Die Frontpartie des F2004 ist konventioneller als beispielsweise beim neuen BMW-Williams, aber ist sie auch gut genug?"
Todt: "Die Zeit wird es zeigen. Ich weiß nicht, ob sie gut genug ist, aber ich hoffe, es ist eine Siegernase. Man gewinnt oder verliert eine Meisterschaft aber nicht wegen eines Frontflügels, das muss man auch einmal sagen. Natürlich erregt dieser Bereich diesmal sehr viel mediale Aufmerksamkeit, weil die einzelnen Nasen unterschiedlich aussehen, aber wir haben im Windkanal viel getestet und getüftelt. Pro Woche sind wir rund 140 Stunden im Windkanal und den Leuten müsste klar sein, dass viele Dinge, die nicht am Auto sind, schon einmal getestet wurden oder noch getestet werden. Das Auto, wie es heute gezeigt wurde, ist nicht die finale Version, die in Melbourne am Start sein wird, aber wir sind zuversichtlich, dass wir die Saison mit einem konkurrenzfähigen Frontflügel beginnen können."#w1#
Über die Rivalen: "Ich mache mir immer Sorgen"
Frage: "Machst du dir Sorgen über die Fortschritte bei Teams wie Renault oder BAR-Honda?"
Todt: "Ich weiß nicht. Besorgt? Ich mache mir immer Sorgen, weil ich Respekt habe für die Arbeit unserer Konkurrenten. Ich bin überzeugt, dass sie die nötigen Anlagen, die nötigen Leute, die nötige Organisation und das Budget haben, um einen guten Job zu machen, aber ob es reichen wird, um vor uns zu sein, steht in den Sternen. Das ist unvorhersehbar. Wenn man jetzt schon das Resultat des ersten Rennens kennen würde, wäre die Formel 1 doch völlig uninteressant."
Frage: "Welches Team kann deiner Meinung nach 2004 euer stärkster Konkurrent werden?"
Todt: "Wahrscheinlich die, die auch in den letzten Jahren stark waren, aber niemand im Besonderen. Wie soll ich das wissen? Ich glaube nicht, dass jemand, der auf so eine Frage einen Teamnamen nennt, eine korrekte Antwort gibt. Wie könnte er das wissen? Es ist doch gerade das Schöne am Rennsport, dass es so viele unvorhersehbare Faktoren gibt. Werde ich also gefragt, welches Team ich am stärksten erwarte, dann muss ich passen. Werde ich nach den besten vier oder fünf Teams gefragt, würde mir das leichter fallen, aber nur eines, das ist schwierig. Hoffentlich Ferrari!"
Frage: "Bridgestone hat BAR an Michelin verloren. Könnte das zu einem Problem für euch werden?"
Todt: "In allen Situationen gibt es zwei Spalten ? die mit Vorteilen und die mit Nachteilen. Es gibt auch in diesem Fall Vor- und Nachteile. Wir wissen, dass Bridgestone nur ein Top-Team als Referenz hat, während Michelin mehrere Teams miteinander vergleichen kann. Andererseits arbeiten wir sehr eng mit Bridgestone zusammen, wir haben eine fantastische Partnerschaft und wir können vertrauliche Informationen austauschen, was bedenklich wäre, wenn Bridgestone ein zweites Top-Team unter Vertrag hätte. Unterm Strich waren wir mit Bridgestone in den letzten Jahren überaus erfolgreich und wir wollen mit Bridgestone erfolgreich bleiben."
Frage: "Zum ersten Mal seit 2001 werdet ihr das neue Auto voraussichtlich schon beim ersten Rennen einsetzen. Wie wirkt sich das auf eure Vorbereitungsphase aus?"
Todt: "Ich würde einfach sagen, dass wir früher begonnen und uns ein anderes Ziel gesetzt haben. In den vergangenen beiden Jahren haben wir uns das erste oder zweite Europarennen als Ziel gesetzt, weil uns das Reglement die Option ermöglichte, es so zu machen. Dieses Jahr war uns klar, dass es besser wäre, mit einem neuen Auto zu beginnen, also haben wir uns das vorgenommen. Natürlich entstehen daraus einige potenzielle Probleme, aber es gibt ja auch Vorteile. Ich sehe da verglichen mit den Vorjahren kein ernsthaftes Problem auf uns zukommen."
Sauber bekommt exakt gleichen Motor wie Ferrari
Frage: "Die Zusammenarbeit mit Sauber wird immer intensiver. Worin liegt euer Vorteil, Motoren und Getriebe nach Hinwil zu liefern?"
Todt: "Wir sind vor einigen Jahren schon einmal so vorgegangen, als wir Motor und Getriebe im Paket an Prost geliefert haben. Wir haben das also in der Vergangenheit schon einmal gemacht. Dieses Jahr haben wir uns mit Peter Sauber darauf geeinigt, ihm weiterhin unsere Motoren zu liefern, mit dem Unterschied, dass sie jetzt dieselbe Spezifikation bekommen wie wir selbst, weil es das Reglement nicht anders zulässt. Zusammen mit dem Getriebe sind sie vielleicht insgesamt konkurrenzfähiger. Wenn wir ihnen Motor und Getriebe liefern, hilft ihnen das bestimmt, aber da gibt es noch mehr Bereiche, in denen wir kooperieren. Sauber verwendet auch Bridgestone-Reifen, also können sie uns bei den Tests unterstützen und wir werden die vielen Reifentests besser verstehen. Unterm Strich ist Peter Sauber mit seinem Team aber ein kommerzieller Partner ? wir verkaufen ihm den Motor, wir verkaufen ihm das Getriebe."
Frage: "Es gab Gerüchte, dass Luca Badoer die Freitagstests für Sauber bestreiten könnte. Ist da etwas Wahres dran?"
Todt: "Ich lasse mich auf solche Spekulationen nicht ein. Man kann schnell etwas in die Welt setzen. Sagen wir einfach so: Wenn wir uns mit Peter Sauber auf so eine Variante einigen sollten, würden es die Regeln zulassen. Das ist keine Interpretation der Regeln, sondern es ist Fakt, dass Luca Badoer alle Kriterien erfüllt, um für ein Team zwischen Platz fünf und zehn in der Konstrukteurs-WM 2003 die Freitagstests bestreiten zu dürfen. Ob wir das auch tatsächlich wollen, ist eine andere Frage, sollten wir uns aber dafür entscheiden, steht dem nichts im Weg."
Frage: "Wie intensiv ist die Zusammenarbeit mit Sauber chassisseitig?"
Todt: "Wir tauschen natürlich Informationen aus, unsere Ingenieure unterhalten sich miteinander, aber das passiert schon seit Jahren. Man muss sich doch nur andere Autos von Teams anschauen, die keine offizielle Zusammenarbeit haben ? die sehen sich teilweise viel ähnlicher. Ich glaube, dass es in der Formel 1 inzwischen ein gutes Verständnis darüber gibt, dass sich die Autos einfach sehr ähnlich sind."

