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Todt: "Enttäuscht zu sein macht uns nicht schneller"
Der Ferrari-Teamchef verrät im Gespräch die Ursache für Barrichellos Ausfall und spricht über Bridgestone und Schumachers Professionalität
(Motorsport-Total.com) - Das Wort Krise wollte man bei Ferrari nach dem enttäuschenden Abschneiden in Ungarn weder in den Mund nehmen noch davon hören, doch wie unzufrieden man über den technisch bedingten Ausfall von Rubens Barrichello und Michael Schumachers Zielankunft als Achter war, lässt nun Jean Todt erahnen.

© Ferrari
Todt glaubt eisern daran, dass Ferrari das Blatt nochmal wenden kann
So beschrieb der Franzose das dreizehnte Rennwochenende der Saison 2003 für Ferrari im Nachhinein als "sehr enttäuschend".
"Wir wussten, dass es kein leichtes Rennen werden würde, jedoch hatten wir ein besseres Ergebnis erwartet. Rubens ist jetzt zwei Mal hintereinander ausgefallen und Michael hat insgesamt nur drei Punkte aus Deutschland und Ungarn mitgenommen", zeigte sich der Franzose enttäuscht.
Letzten beiden Rennen "enorme Enttäuschung"
"Wenn wir die vergangenen vier Jahre analysieren, so ist das eine fantastische Leistung gewesen, doch wenn wir nur die letzten beiden Rennen nehmen, dann ist es natürlich eine enorme Enttäuschung. Man muss aber die Gesamtsituation beurteilen. Michael hat in den letzten vier oder fünf Rennen nicht viele Punkte geholt, doch er führt mit einem Punkt Vorsprung noch die Fahrerweltmeisterschaft an. Natürlich ist das eine nicht zufrieden stellende Situation, doch wenn man sich alle 13 Rennen ansieht, dann ist es nicht so schlecht", klammert sich der Teamchef angesichts der gegenwärtig schwierigen Situation für das Team aus Maranello lieber an die wenigen positiven Erkenntnisse die man dem bisherigen Saisonverlauf abgewinnen kann.
Der Verlust der Führung in der Konstrukteursmeisterschaft wiegt aber schwer, denn Ferrari erklärtes Ziel lautete zu Saisonbeginn die Verteidigung beider Titel zu erreichen. Sollte es den Italienern aber nicht gelingen beim Italien-Grand Prix zurückzuschlagen, rechnen Experten nicht mehr damit, dass Michael Schumacher und die Roten in den letzten beiden Rennen das Blatt noch einmal wenden können.
Zuversicht, dass es wieder besser laufen wird
Für das Heimspiel in Monza hat man sich in Maranello aber in den letzten Woche intensiv vorbereitet und fiebert nun der Wiederaufnahme der Testfahrten entgegen.
"Wir müssen abwarten wie unser Weiterentwicklungsprogramm in Monza läuft. Wir haben jede Menge Reifen mit Bridgestone zu testen und erst danach werden wir wissen wo wir stehen. Ich denke, dass wir kämpfen werden und noch immer eine gute Chance besitzen erfolgreich zu sein. Wenn wir uns an Silverstone zurückerinnern, so hat Ferrari dort stark dominiert. Es kann also wieder passieren. Ich sage nicht, dass es passieren wird, aber es kann passieren", hat Todt noch nicht alle Hoffnung verloren.
Ein bestimmtes Team einzugrenzen welches aber leichter zu besiegen wird als ein anderes, kann und will der Teamchef jedoch nicht. Seine Erklärung dafür: "Das hängt von vielen verschiedenen Dingen ab und ist von Rennen zu Rennen unterschiedlich. Wenn man die letzten Rennen nimmt, so hat BMW-Williams eindeutig mehr Punkte geholt, doch wir haben dieses Jahr schon einmal gesehen, dass ein Auto oder ein Team wie von einem anderen Planeten zu sein schienen. So war es bei Alonso am Sonntag, bei Montoya vor drei Wochen und auch bei Rubens in Silverstone und ich denke, dass Räikkönen auf dem Nürburgring sehr stark war als er geführt hat."
Todt verrät die Ursache die zu Barrichellos Unfall führte
Erfolge in der Formel 1 sind in der Gesamtsumme aber auf gute Arbeit und gute Zuverlässigkeit und Chancenverwertung zurückzuführen. Letzteres kann man jedoch erst erreichen, wenn die zuvor genannten Dinge zutreffen. Auf dem Hungaroring war das gleich in mehrfacher Hinsicht bei Ferrari nicht der Fall.
Der spektakulär anzusehende Ausfall von Rubens Barrichello konnte inzwischen zweifelsfrei auf einen Defekt des oberen linken Gabelbeins der Hinterradaufhängung zurückgeführt werden. Das sonst aber für perfekte Boxenarbeit und gute Strategien bekannte Team verlor im Fall von Michael Schumacher bei dessen zweiten Boxenstopp jedoch viel Zeit. "Der Motor", so Todt, "hat nicht wirklich ausgesetzt als er an die Box kam. Doch wir verloren insgesamt sieben Sekunden, vier während des Stopps und drei auf der Runde danach."
Über die Gründe für die Stärke der Konkurrenz und Ferraris Schwäche haben sich bereits viele Leute Gedanken gemacht und den Kopf zerbrochen. In den meisten Fällen sind die Bridgestone-Reifen als eine der verantwortlichen Ursachen für die zu wünschen übrig lassende Wettbewerbsfähigkeit genannt worden, doch Jean Todt stellt sich vor den Reifenpartner.
"Es wäre sehr unfair, einer Reifenfirma den kompletten Anteil am Erfolg zu geben oder zu sagen, dass man nicht gut ist weil die andere Reifenfirma einfach besser ist. Wir haben so viele Rennen dank Bridgestone gewonnen, dass man das Gesamtbild sehen muss."
Dezente Kritik an Bridgestone
Ein Grund für die Vorteile der auf Michelin-Reifen vertrauenden Teams sieht Jean Todt zum Beispiel im Reifenreglement, welches es den Herstellern erlaubt jedes seiner Teams mit zwei unterschiedlichen Reifenspezifikationen auszurüsten.
"Vermutlich haben einige Teams daraus einen Vorteil gemacht. Ich denke, dass sich Bridgestone bei der Reifenentwicklung stärker auf uns konzentriert hat, weil wir für sie ein besserer Referenzpunkt waren, doch vermutlich hat der andere Reifenausrüster verschiedene Referenzpunkte. Ich möchte nicht sagen, dass das ein Vorteil oder ein Nachteil ist, sondern einfach nur darauf hinweisen", erklärt Todt durch die Blume gesprochen, dass man bei Ferrari sehr wohl davon überzeugt ist, dass Michelin die Möglichkeiten intensiver mit allen Teams zusammenarbeiten zu können besser genutzt hat als Bridgestone.
Abschließend zeigte sich der Ferrari-Teamchef noch von Michael Schumachers professioneller Einstellung beeindruckt, denn der Deutsche hat trotz des dahingeschmolzenen Punktevorsprungs einen kühlen Kopf bewahrt und sich in der Öffentlichkeit auch nach dem Rennen auf dem Hungaroring überzeugt davon gezeigt, dass Ferrari in der Lage ist sich aus der jetzigen Situation zu befreien.
Todt: "Wir alle waren enttäuscht" - Lob für "Schumis" Einstellung
"Er ist sehr konzentriert und verbringt etwas Zeit mit seiner Familie und trainiert viel. Er mag es natürlich nicht, mit nur einem einzigen Punkt zurückzukehren. Aber er erst jetzt schon so viele Jahre dabei, dass er weiß, dass es möglich ist. Deshalb ist er auch ruhig geblieben und steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Er war natürlich enttäuscht, wir alle waren enttäuscht, doch enttäuscht zu sein macht uns nicht schneller. Aus diesem Grund müssen wir das Ergebnis jetzt verdauen und uns auf die Vorbereitungen für das nächste Rennen konzentrieren."

