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Theissen: Reifen sind "entscheidender Erfolgsfaktor"
Mario Theissen im Interview über die Vorbereitungen auf die Saison 2004, Michelin, das neue Motorenreglement und anderes
(Motorsport-Total.com) - Der BMW-Motorsportdirektor im Interview über die Vorbereitungen auf die Saisons 2004, die Bedeutung der Reifen, das neue Motorenreglement und die Gleichbehandlung der beiden Fahrer

© xpb.cc
Theissen: "Wettbewerb zwischen Michelin und Bridgestone härter denn je"
Optimistisch in die Zukunft: Kurz vor dem Jahreswechsel äußert sich BMW-Motorsportdirektor Dr. Mario Theissen über die Vorbereitungen des BMW WilliamsF1-Teams auf die Saison 2004 und spricht über seine Erwartungen an die kommende Formel 1-WM. Darüber hinaus zieht der 51-Jährige unter anderem eine Bilanz der bisherigen Zusammenarbeit zwischen dem deutsch-britischen Team und seinem Reifenpartner Michelin.
Frage: "Welchen Aufgabenbereich umfasst Ihre Position als BMW Motorsport Direktor genau?"
Mario Theissen: "Ich zeichne für sämtliche Automobil-Sportarten verantwortlich, in denen sich BMW engagiert. Neben der Formel 1 sind das die verschiedenen Tourenwagen- und GT-Serien sowie die Formel BMW. Bildlich gesprochen bin ich der Architekt des Teams ? häufig auch sein Hausmeister."
Frage:"Wie sieht ein Grand Prix-Wochenende für Sie aus?"
Theissen: "Während ein Großteil der Mannschaft mit den Team-Trucks bereits zwischen Montag und Mittwoch an der jeweiligen Strecke eintrifft, reise ich Donnerstag Mittag an. Um 15.00 beginnt mit den ersten Ingenieur-Meetings das eigentliche Rennwochenende. "Feierabend" ist erst am Sonntag Abend. Am Montag Morgen beginnt dann bereits die Vorbereitung auf den nächsten Grand Prix. Diese zehn Tage sind eigentlich noch wichtiger als das eigentliche Rennwochenende, denn in dieser Zeit legen wir die Basis."
Frage:"Wie laufen die Briefings während der Rennwochenenden ab?"
Theissen: "Aufgrund der knappen Zeit sind diese Besprechungen genau geregelt. Um sie so effizient wie möglich zu gestalten, finden zu exakt festgelegten Zeiten Briefings mit verschiedenen Gruppen statt ? Fahrer und Ingenieure, Ingenieure unter sich oder Ingenieure und die Techniker von Michelin."
Frage:"Wie wirkt sich der seit der vergangenen Saison geänderte Qualifying-Modus auf die Taktik-Überlegungen aus?"
Theissen: "Es ist eine ganz neue Dimension. Die Rennstrategie hat eine weitaus größere Bedeutung erlangt. Wir müssen bereits vor der Qualifikationsrunde die Spritmenge und das Setup für das Rennen festlegen. Durch die limitierten Trainingssitzungen kommt es zudem darauf an, sehr effizient zu arbeiten. Da wir in der kommenden Saison unsere Reifenentscheidung bereits am Samstag Morgen um 9.00 Uhr treffen müssen, wird gerade dieser Punkt noch entscheidender."
Michelin der ideale Partner
Frage: "Wie würden Sie unter diesem Aspekt die Zusammenarbeit mit Michelin beschreiben?"
Theissen: "Sehr gut. Aber das war auch nicht anders zu erwarten. Als unser Entschluss feststand, in die Formel 1 zurückzukehren, haben wir uns ganz bewusst für Michelin als Reifenpartner entschieden. In seiner langen Motorsport-Geschichte hat BMW alle wichtigen Erfolge mit Michelin errungen. Als Beispiele seien hier nur der Weltmeistertitel mit Nelson Piquet oder der Le Mans-Sieg 1999 genannt. Für uns war Michelin deshalb der ideale Partner für unser Formel 1-Come-back. Im Sommer 1999 führten wir erste Gespräche mit Edouard Michelin und Pierre Dupasquier. Wir sind sehr schnell überein gekommen. Und der Erfolg gibt uns Recht: Wir haben auf den richtigen Reifenpartner gesetzt."
Frage: "Besteht zwischen Michelin und Bridgestone ein Reifenkrieg?"
Theissen: "Ich mag diesen Ausdruck überhaupt nicht. Im Sport gibt es keinen Krieg. Ich würde es eher Kampf nennen. Heute ist der Wettbewerb zwischen Michelin und Bridgestone härter denn je, und die Reifen haben sich zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor entwickelt. (Lachend:) Zu unserem Leidwesen haben die Pneus oftmals sogar größeren Einfluss auf das Ergebnis als der Motor. Aber solange wir davon weiter so profitieren wie in der Vergangenheit, soll es mir recht sein. Ich erhoffe mir Michelin bei jedem Rennen ganz vorn ? auf einem weiß-blauen Auto."
"Mit der Standfestigkeit der Motoren sind wir noch nicht ganz zufrieden"
Frage: "In der vergangenen Saison musste das BMW WilliamsF1-Team nach den Wintertestfahrten viel Kritik einstecken. Wie laufen die Vorbereitungen in diesem Jahr? Was macht das neue Auto?"
Theissen: "Vor Jahresfrist war die Kritik an uns leider absolut gerechtfertigt. Wir waren zu Saisonbeginn nicht bereit für Rennsiege. Allerdings haben wir schnell gelernt und uns im Saisonverlauf kontinuierlich verbessert. Allein auf aerodynamischem Gebiet hat Williams große Fortschritte gemacht, wie es zuvor noch bei keinem anderen Team zu beobachten war. In der kommenden Saison möchten wir selbstverständlich schon von Beginn an auf absolutem Top-Niveau sein. So begann beispielsweise unsere Motorenentwicklung ? auch auf Grund des neuen Reglements ? bereits sehr früh. Wir werden das neue Auto am 5. Januar präsentieren. Mit der Standfestigkeit der Motoren sind wir noch nicht ganz zufrieden. Aber bis zum Saisonauftakt im März bekommen wir das in den Griff."
Frage: "In der vergangenen Saison waren Sie die Drehzahlkönige. Kein anderes Triebwerk arbeitete mit so hohen Drehzahlen wie der BMW-Motor. Wie sieht die Entwicklung angesichts des neuen Motoren-Reglements mit nur einem Motor pro Wochenende aus?"
Theissen: "Die Motoren müssen praktisch die doppelte Distanz aushalten. 2002 standen uns drei Motoren pro Wochenende zur Verfügung, 2003 zwei und 2004 nur noch einer. Vor dem Hintergrund, dass die Teams auch am Freitag fahren statt ihre Motoren zu schonen, hat die FIA die Reifenwahl auf den Samstag Morgen terminiert. Insgesamt muss ein Triebwerk pro Wochenende also 700 bis 800 km absolvieren. Das ist eine sehr große Herausforderung."
Strafe im Fall eines Motordefekts vor dem Rennen ist Theissen "zu gering"
Frage: "Was mussten Sie konstruktiv ändern?"
Theissen: "Wir haben unser gesamtes Konzept überprüft und die Lebenserwartung jedes einzelnen Bauteils optimiert. Rund die Hälfte der Komponenten ? wie beispielsweise Kolben oder Pleuel ? wurden bislang nach rund einer Renndistanz getauscht. Jetzt müssen sie statt 300 Kilometer auch 800 Kilometer halten. Das Kunststück besteht darin, überall so viel Material wie möglich einzusparen, ohne zu große Risiken einzugehen. Zur Zeit arbeiten wir an der Zuverlässigkeit und befinden uns auf einem guten Weg. Ab Februar steht dann die Leistungssteigerung auf dem Programm."
Frage: "Das neue Reglement besagt, dass ein Motordefekt vor dem Rennen eine Rückstufung um zehn Positionen in der Startaufstellung zur Folge hat. Das erhöht die Spannung, kann aber nicht im Interesse der Teams liegen, oder?"
Theissen: "So lauten nun einmal die Regeln. Ich glaube zudem, dass diese Strafe noch zu gering ausfällt. Im Endeffekt muss das Handicap in diesem Fall so groß sein, dass niemand auch nur ansatzweise auf die Idee kommt, das Risiko bewusst einzugehen, um im Endeffekt dadurch dennoch unmöglich einen Vorteil zu erhalten."
Auch 2004 bekommen "Schumi II" und Montoya gleiches Material und die gleiche Betreuung
Frage: "In den vergangenen Wochen stand zeitweilig Ihre Fahrerpaarung im Mittelpunkt des Interesses. Wie sieht in diesem Punkt ihre Planung aus?"
Theissen: "Beide Verträge laufen nach der kommenden Saison aus. Juan-Pablo Montoyas Wechsel steht bereits fest. Mit Ralf Schumacher steht das Team in Verhandlungen. Ich mache mir darüber momentan aber keine allzu großen Gedanken. Wir konzentrieren uns voll und ganz auf 2004. Wenn wir erfolgreich abschneiden, ergibt sich alles Weitere praktisch von selbst. Dann werden die Piloten bei uns Schlange stehen. Momentan gibt es in der Formel 1 nämlich mehr gute Fahrer als gute Autos."
Frage: "Gibt es einen "Nummer 1"-Fahrer-Status in Ihrem Team?"
Theissen: "Eindeutig nein. Wir legen besonderen Wert auf den Konstrukteurs-Titel und dafür brauchen wir zwei starke Fahrer. Beide bekommen das gleiche Material und die gleiche Betreuung."
Engagement in der Rallye-WM geplant - Fokus liegt auf der Formel 1
Frage: "Wird BMW Weltmeister?"
Theissen: "Wir haben natürlich das Ziel zu gewinnen. In den vergangenen Jahren haben wir uns kontinuierlich gesteigert. So soll es weitergehen. Kommende Saison wollen wir wiederum in Schlagdistanz sein. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen. Ob es zum Titel reicht, werden wir sehen."
Frage: "Kann sich BMW auch ein Engagement in der Rallye-WM vorstellen?"
Theissen: "Nein, in diese Richtung gibt es keinerlei Überlegungen. Das gleiche gilt übrigens für die DTM. Wir konzentrieren uns auf die drei Säulen Formel 1, Tourenwagen und Nachwuchsförderung. Das ist übrigens keine Frage des Budgets. Vielmehr wollen wir den Fokus auf die Formel 1 nicht verlieren."
Frage: "Was wünscht sich Mario Theissen zu Weihnachten?"
Theissen: "Ich habe einen Wunsch an Michelin ? die Trockenreifen sollen so gut bleiben, wie sie sind. Und die Intermediates und Regenreifen sollen sich weiter diesem Niveau annähern."

