• 28.10.2008 08:59

  • von Stefan Ziegler

Theissen: "Die Hauptarbeit konzentriert sich auf die Technik"

BMW Motorsport Direktor Mario Theissen blickt im Interview zurück auf die Saison 2008, nimmt seine Fahrer unter die Lupe und wagt einen Ausblick

(Motorsport-Total.com) - Für das BMW Sauber F1 Team geht in wenigen Tagen ein äußerst erfolgreiches Jahr zu Ende. Die Truppe aus München und Hinwil sammelte mehr Punkte als jemals zuvor und konnte beim Großen Preis von Kanada erstmals einen Sieg landen. Für BMW Motorsport Direktor Mario Theissen ist klar: Sein Rennstall liegt voll auf Kurs. Doch während Robert Kubica eine hervorragende Saison bestritt, hatte Nick Heidfeld seine liebe Not mit dem F1.08. Auch darüber gibt Theissen im Fan Event Interview Auskunft.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

Hat gut lachen: BMW Motorsport Direktor Matio Theissen ist sehr zufrieden mit 2008

Frage: "Mario, wie lautet ihre Saisonbilanz?"
Mario Theissen: "Die Saisonbilanz ist sehr, sehr positiv. Es war eine tolle Saison für das Team - die dritte in Folge. Wir haben zum dritten Mal hintereinander die Ziele erreicht, die wir uns vorgenommen hatten. Wir wollten das erste Rennen gewinnen und aus dem Zweikampf an der Spitze einen Dreikampf machen. Wenn man einen Blick auf die Punktetabelle wirft, dann kann man sagen, dass beides geklappt hat. Hinter uns tut sich eine recht große Lücke auf. Darüber hinaus sind wir das zuverlässigste Team in diesem Jahr, denn wir hatten nicht einen einzigen technischen Defekt. Wir hatten sehr gute Rennstrategien und eine hervorragende Boxenarbeit - ich kann der gesamten Mannschaft nur ein Kompliment machen."#w1#

Fan Event als Dankeschön an die Fans

Frage: "Es war eine ziemlich kuriose Saison. Haben sie so etwas schon einmal erlebt?"
Theissen: "Da müsste ich jetzt im Gedächtnis kramen - aber die Saison war wirklich kurios. Insofern, als dass wir mit unseren Tugenden Zuverlässigkeit, Rennstrategie und Boxenarbeit bis zum Schluss im Titelkampf mit dabei waren. Das hatte vorher überhaupt niemand annehmen können. Außerdem hat es einige Rennresultate gegeben, die völlig unvorhersehbar waren. Was mich sehr freut - vor allem für die Fans: Wir haben in diesem Jahr sieben verschiedene Grand-Prix-Sieger. Das war lange nicht mehr der Fall. Fünf Teams haben Rennen gewonnen, auch das hat es lange nicht mehr gegeben. Es war und ist eine spannende Saison, für uns rundum positiv."

Frage: "Was für einen Stellenwert genießt bei Ihnen dieser Fan Event?"
Theissen: "Einen sehr hohen. Es ist eigentlich die einzige Gelegenheit im Jahr, um auf Tuchfühlung zu gehen. Wir wissen, dass wir viele Fans haben und wir wissen auch, dass sie da sind - nur sehen wir sie das ganze Jahr über nicht. Das ist eine Veranstaltung, wo man so richtig eintaucht."

"Es ist die einzige Gelegenheit im Jahr, um auf Tuchfühlung zu gehen." Mario Theissen

Frage: "Was versprechen sie sich von so einer Veranstaltung im Hinblick auf das eigene Team und die Öffentlichkeit?"
Theissen: "Wenn man die Fans als Öffentlichkeit bezeichnet, dann würde ich sagen, dass es sich um ein Dankeschön an die Fans handelt. Für das Team ist es eine Rückmeldung. Es ist die einzige Chance im Jahr um zu spüren, wie die Fans wirklich drauf sind. Was treibt sie, wie enthusiastisch sind sie und welche Opfer bringen sie eigentlich dafür? Es ist eine seltene Gelegenheit, sich diese Rückmeldung zu holen - von den Leuten, für die wir diese ganze Show veranstalten."

Nach der Saison, ist vor der Saison...

Frage: "Wenn sie auf bestimmte Bereiche eingehen müssten - wo kann sich das Team für 2009 noch verbessern?"
Theissen: "Da gibt es eine ganze Reihe. Ganz klar, sonst wären nicht noch zwei andere Rennställe vor uns. Wir werden in der Technik nachlegen, denn wir haben in diesem Jahr gesehen, dass wir vom reinen Tempo des Autos noch nicht ganz vorne mit dabei waren. Die Hauptarbeit konzentriert sich daher auf die Technik, weil wir im kommenden Jahr ein völlig neues Reglement haben werden. Daneben spielen auch die Fahrer eine große Rolle. Wir haben gesehen, dass Nick in dieser Saison einen Durchhänger hatte."

"Wir haben uns daher die Entscheidung für das kommende Jahr auch überhaupt nicht einfach gemacht. In der Sommerphase haben wir sehr intensiv mit Nick gearbeitet und haben dann auch noch die ursprünglich für August angesetzte Fahrerentscheidung nach hinten verschoben. In dem Moment, wo wir gesehen haben, dass Nick vom Tempo her wieder zurückkommt und dabei ist, da haben wir unsere Entscheidung getroffen. Das heißt, wir werden an der Technik, an der Aufstellung und mit den Fahrern im Team arbeiten, um den nächsten Schritt für 2009 zu machen."

Frage: "Wie wird dieser nächste Schritt konkret aussehen, vor allem im Hinblick auf die umfangreichen Regeländerungen?"
Theissen: "Das weiß ich nicht. Ich kann ihnen sagen, dass die nächste Herausforderung immer die schwierigste ist. Ich denke, wir sind gut unterwegs, was die Terminlage sowie die Technikziele anbelangt, die wir uns für das kommende Jahr gesetzt haben. Ich habe aber natürlich keine Ahnung, was die Konkurrenz macht. Es gibt nach wie vor große Fragezeichen bei der völlig neuen Aerodynamik, dem KER-System und den Slick-Reifen."

"Wir werden nach Saisonende mit der Testarbeit beginnen. Da werden wir zwar die Reifen haben, aber noch nicht das neue Auto. In einem Übergangsauto werden wir KERS zum Einsatz bringen und erst in der zweiten Januarhälfte werden wir wohl alle Teile so richtig zusammen haben. Dann wird auch die Konkurrenz erst auf der Strecke zu sehen sein. Vorher kann ich keine Prognose abgeben wo wir stehen."

Schnelligkeit noch ein Manko

Frage: "Sie haben angekündigt, um den WM-Titel kämpfen zu wollen. Das tut man ja nicht einfach so, wenn man nicht von seiner Arbeit überzeugt ist..."
Theissen: "Das ist richtig. Wir sind sehr von der Arbeit überzeugt, die wir leisten. Wir haben diese Aussage im Übrigen auch schon vor drei Jahren getätigt, als wir unseren Fahrplan bekannt gegeben haben. Bislang haben wir jedes Etappenziel erreicht - zum Teil sogar vorzeitig. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir auch mit dem neuen Auto auf Kurs liegen werden."

Frage: "Beide Fahrer haben gesagt, dass sie mit dem Wagen nicht immer ganz zufrieden waren. Vor allem Nick hatte seine liebe Not damit - ihr Kommentar dazu?"
Theissen: "Man muss zwei Dinge voneinander trennen: Das eine ist die objektive Schnelligkeit des Wagens und Punkt zwei ist, wie gut der Fahrer damit zurrecht kommt. Letzteres war in diesem Jahr bei Nick sicherlich ein großes Problem, während Robert mit dem Auto eigentlich gut zurrecht kam. Bei der Schnelligkeit des Wagens müssen wir uns steigern. Das gilt vor allem für die Weiternetwicklung während der Saison."

"Bei der Schnelligkeit des Wagens müssen wir uns steigern." Mario Theissen

"Im vergangenen Jahr haben wir während der Saison ein gutes Entwicklungstempo vorgelegt. Wir haben in diesem Jahr gewiss nicht weniger entwickelt, doch es sind nicht alle Entwicklungsthemen auf der Strecke dann auch in Rundezeit umgesetzt worden. Einiges hat nicht die erwartete Verbesserung gebracht. Das arbeiten wir gerade auf, analysieren die Frage nach dem Warum und wie wir das für das kommende Jahr abstellen können. Wir wollen die Treffsicherheit erhöhen."

Youngsters bereiten Theissen viel Freude

Frage: "Wie würden sie die Fahrerentwicklung von Robert Kubica über die vergangenen drei Jahre einschätzen?"
Theissen: "So wie erhofft, sehr positiv. Als er zu uns kam, war er ein unbeschriebenes Blatt. Er hatte ein hartes Jahr 2007, in dem er sicherlich gereift ist. Ich habe noch am Anfang dieses Jahres Kommentare von sogenannten Experten gehört, wonach er nicht in dieses Team gehöre und schnellstens ersetzt werden müsse. Inzwischen hat er sich zu einem der Toppiloten entwickelt, von dem wir uns für die Zukunft viel versprechen."

Frage: "Wie ist es um Marko Asmer bestellt?"
Theissen: "Marko Asmer ist in einer nicht einfachen Situation. Diese resultiert schlicht und ergreifend aus dem gegenwärtigen Reglement, was das Testen anbelangt. Wir brauchen natürlich einen Ersatzfahrer, der Erfahrung hat - deswegen Christian Klien. Das ist ein Fahrer, dem man notfalls am Samstagnachmittag sagen muss, dass sich sein Kollege den Magen verdorben hat und dass er nun ins Auto steigen muss und das Rennen fahren soll. Daneben gibt es sehr wenig Arbeit für Testfahrer, einfach weil die Kilometer beschränkt sind. Marko konnten wir in diesem Jahr ins Team nehmen, weil wir für einen Rookie vier zusätzliche Testtage bekommen."

"Die hat er genutzt und das hat ihn sicherlich weitergebracht. Für das nächste Jahr ist er aber für diese Rookie-Testtage einfach nicht mehr 'zugelassen'. Noch wissen wir allerdings auch noch nicht, ob wir diese Extratage 2009 überhaupt nutzen wollen. Es macht gewiss keinen Sinn, einen jungen Fahrer mit an Bord zu holen und ihn dann nur mit dieser Aufgabe zu betreuen. Dann würde er über das gesamte Jahr hinweg zu wenig fahren und könnte sich nicht entwickeln. Das macht nur Sinn, wenn er parallel noch ein anderes Rennprogramm absolviert."

Frage: "Wieviel Spaß haben sie in diesem Jahr an ihren ehemaligen 'Ziehsöhnen' Sebastian Vettel und Timo Glock gehabt?"
Theissen: "Die beiden haben sich sehr gut geschlagen, doch ich möchte auch Nico Rosberg nicht vergessen. Er hat eine harzige Saison hinter sich, doch die drei kommen aus derselben Schule und das sieht man auch. Ich traue jedem von ihnen zu, Rennen zu gewinnen. In diesem Jahr hat Sebastian sicherlich den größten Sprung gemacht. Das freut mich sehr, denn er ist ja erst 21. Wenn alles gut geht, dann hat er eine 15-jährige Karriere vor sich. Da können wir uns bestimmt noch auf einiges freuen."

Gutes Ergebnis als Ziel für Brasilien

Frage: "Was wollen sie beim letzten Rennen in Brasilien noch erreichen?"
Theissen: "Wir wollen das Maximum an Punkten holen und können hoffentlich unser zwölftes Podium in diesem Jahr erreichen. Wir gehen ohne Druck ins letzte Rennen, technisch ist es nicht mehr so sehr, denn man hat da keine Entwicklungen mehr. Die Abstimmung für Interlagos geht klar in Richtung Motorenkurs. Letztendlich müssen wir einfach schauen, was die anderen treiben."

Frage: "Wie werden sie sich im WM-Duell verhalten?"
Theissen: "Wir werden sicherlich nicht hinterherfahren, nur weil es für die anderen um die WM geht."

"Nach dem vergangenen Jahr mache ich sowieso keine Prognose mehr." Mario Theissen

Frage: "Nick hat gesagt, dass er im Endspurt sein Geld auf Lewis Hamilton setzen würde. Würden sie auch auf diesen Ausgang wetten?"
Theissen: "Nein, ich bin im Wetten nicht so gut. Das habe ich ein paar Mal versucht und es ging schief. Keine Ahnung - nach dem vergangenen Jahr mache ich sowieso keine Prognose mehr. Ich habe übrigens im vergangenen Jahr auf Kimi (Kimi Räikkönen; Anm. d. Red.) gesetzt... (lacht; Anm. d. Red.). Damit lag ich ausnahmsweise richtig."

Finanzkrise erreicht die Formel 1

Frage: "Spüren sie die Auswirkungen der Finanzkrise?"
Theissen: "Die Auswirkungen bekommen wir natürlich mit, ganz klar. Zum einen in der gesamten Autoindustrie und somit auch bei BMW, zum anderen bei den Sponsoren. Es ist aber nicht so, dass nun von einem Tag auf den anderen die Spielregeln verändert werden. Die Situation ist völlig normal, dass Sponsoringverträge zum Saisonende auslaufen und neue geschlossen werden. Wir sind für das kommende Jahr gut aufgestellt, wissen aber, dass jede Industrie für die Zukunft den Gürtel enger schnallt. Es wird in den kommenden zwei Jahren sicherlich schwierig werden, neue Sponsoren an Bord zu holen."

Frage: "Gibt es finanzielle Restriktionen durch BMW?"
Theissen: "Wir haben frühzeitig damit angefangen, die Kosten zu reduzieren. Im Formel-1-Projekt hat das schon vor drei Jahren begonnen. Wir geben heute 30 Prozent weniger Geld aus als in unserem letzten Jahr als Motorenlieferant für Williams. Damals hatten wir noch nicht einmal ein eigenes Team. Daran kann man erkennen, dass wir schon sehr früh gegengesteuert haben und den Kurs, den wir jetzt haben, den können wir auch halten. Unser Projekt steht, dennoch denken wir gemeinsam mit den anderen Teams über weitere Möglichkeiten nach."

"Wir werden beispielsweise Reglement-Vorschläge machen und haben auch schon die eine oder andere Idee präsentiert. Es kommt aber noch deutlich mehr. Das soll in dieser Wirtschaftslage dazu beitragen, dass die Formel 1 ihre Position für die Zukunft nicht nur hält, sondern sogar stärkt. Ich stelle es mir so vor, dass wir in den kommenden Jahren eine sehr harte wirtschaftliche Lage vor uns haben. Wer es also schafft, sich gut an diese Bedingungen anzupassen, der wird danach umso besser dastehen."

Theissen über KERS und Co.

Frage: "Aktuell stehen einige Regeländerungen im Raum, auch der Einheitsmotor wird dabei immer wieder genannt. Wie stehen sie diesen Diskussionen gegenüber?"
Theissen: "Grundsätzlich positiv, mit der Ausnahme, dass der Einheitsmotor für BMW natürlich nicht interessant ist. Für BMW ist der Motor nicht irgendein Teil des Autos sondern das Herz des Autos. Wenn wir in der Formel 1 sind, dann sollte also auch ein BMW Motor im Auto stecken."

Frage: "Wie stehen sie anderen Technologien wie KERS gegenüber?"
Theissen: "Wir haben das von der ersten Minute an stärker unterstützt, als jedes andere Team. Das sehen wir auch heute noch so, denn ich halte KERS für eine Riesenchance. Für BMW, weil wir das Formel-1-Projekt immer schon auch als Technologie-Projekt verstanden. Wir lernen mit KERS jede Menge für künftige Hybridkonzepte. Wir werden dabei einen regelrechten Quantensprung machen. Ich sehe das allerdings auch als eine Riesenchance für die Formel 1, sich durch künftig geforderte Technologien als Hochgeschwindigkeits-Entwicklungslabor zu repositionieren. Daher habe ich nicht wirklich verstanden, warum so wenige auf diesen Zug aufgesprungen sind."

"Ich halte KERS für eine Riesenchance." Mario Theissen

Frage: "Wie werden ihrer Meinung nach die Fans auf diesen 'Öko-Trip' reagieren?"
Theissen: "Ich sehe das weniger als 'Ökotrip', sondern als nachhaltige Design- und Entwicklungsrichtung. Ich glaube schon, dass die Fans das honorieren werden. Wir sehen jetzt schließlich auch ein Umdenken bei den Autokäufern. Im Prinzip ist das nichts anderes, als das, was auch hier passiert."

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