• 08.10.2011 18:00

  • von Rencken, Hust, Nimmervoll, Ziegler & Helgert

Teams sehen schwarz: Suzuka-Rennen als Reifenkrimi?

Nach dem Qualifying richteten sich die Blicke bei den Teams vor allem auf die Reifen, denn ihnen dürfte im Rennen eine Schlüsselrolle zukommen

(Motorsport-Total.com) - Vier Fahrer verzichteten im dritten Qualifying-Durchgang am Samstag darauf, eine gezeitete Runde zu fahren. Für die Zuschauer ist ein solches Verhalten natürlich eine Farce, doch vom technischen Standpunkt her ist das Vorgehen nachvollziehbar. Denn es zeichnet sich ab, dass den Reifen im Rennen eine Schlüsselrolle zukommen wird - der Kurs von Suzuka gilt als reifenverschleißend.

Titel-Bild zur News: Reifenpflege

Reifenpflege: Die Reifen könnten zum Zünglein an der Waage werden

Michael Schumacher war einer der Fahrer, der in den letzten Qualifying-Minuten auf eine gezeitete Runde verzichtete. Dadurch sparte er sich vor allem den wertvollen weichen Reifen: "Diese Mischung ist hier ziemlich am Limit. Es dürfte interessant werden, wie lange man sie am Leben erhalten kann. Das wird aber für jeden gleichermaßen eine Herausforderung darstellen."

Wie viele dürfen es denn sein?

Wie viele Stopps wird es am Sonntag geben? Mit zwei Stopps dürften nur wenige Fahrer durchkommen. Bei einem Start auf dem härteren Reifen dürften drei Stopps gut machbar sein. Wer auf dem weichen Gummi losfährt, könnte sogar viermal stoppen.

"Der harte Reifen ist nicht schlecht, er ist nur etwas langsamer", so Adrian Sutil. "Die Strecke ist generell zu den Reifen sehr hart. Mit Sicherheit wird es sogar schwierig sein, ein Drei-Boxenstopp-Rennen zu fahren. Vielleicht absolvieren die Top-Teams drei Stopps, andere vier Stopps. Es wird ziemlich viele Stopps geben."

Immerhin ist der Unterschied laut Fernando Alonso zwischen dem weichen und dem härteren Gummi nicht so groß wie auf anderen Strecken - das dürfte das ganze etwas entzerren: "Im Vergleich zu den anderen Rennen ist der Unterschied zwischen dem weichen und dem Medium-Reifen nicht allzu groß", erklärt der Ferrari-Pilot.

Zusätzliche Spannung durch die Boxenstopps

Der Spanier weiter: "Ich erwarte, dass morgen eine beträchtliche Abnutzung der Reifen im Rennen den Schlüsselfaktor darstellen wird. Der Medium-Reifen funktioniert gut, die Abnutzung ist jedoch groß. Es besteht die Möglichkeit einiger Boxenstopps, was bedeutet, dass die Strategie eine sehr wichtige Rolle spielen wird. Ich denke, dass es interessant sein wird, das Rennen anzuschauen."

Durch verschiedene Strategien könnte sich die Reihenfolge im Rennen also des Öfteren einmal ändern - das ist spannend aber auch eine Herausforderung für die Strategen wie für die Fans am TV-Schirm: "Es sieht danach aus, als würde das Rennen kompliziert werden, mit einer Menge Stopps, um die Reifen zu wechseln, welche hier eine beträchtliche Abnutzung zeigen", so Alonso-Teamkollege Felipe Massa.

Reifen als Überholelixier?

"Das bedeutet, dass die Strategie eine Schlüsselrolle spielen wird. Es wird entscheidend sein, die richtige Geschwindigkeit zu finden. Man muss schnell sein, aber gleichzeitig auch die Reifen schonen. Das Überholen wird trotz KERS und DRS nicht einfach. Vielleicht wird die Abnutzung der Reifen mehr zählen, wenn man aus der sehr langsamen Schikane langsam auf die Hauptgerade herauskommt."

Nicht alle Beteiligten machen sich Sorgen

Heikki Kovalainen gehört zu jenen Fahrern, die im Rennen keine Probleme erwarten: "Es wurde hier viel über die Abnutzung der Reifen gesprochen, aber ich bin mir nicht sicher, dass die Abnutzung ein so großes Problem darstellen wird, wie die Leute glauben. Der Longrun auf den weichen Reifen war gestern gut. Ich denke, dass wir vielleicht bis zu 15 Runden auf ihnen fahren können." Andere Fahrer hingegen trauen sich im besten Fall zehn Runden zu...

Auch Paul Hembery, Motorsportdirektor bei Pirelli, sieht bei den Reifen keinen übermäßigen Verschleiß: "Die Reifen widerstanden den hohen Tempoanforderungen von Suzuka. Der Reifenverschleiß ging nicht über die üblichen Parameter hinaus."

Der Brite widerspricht allerdings Alonsos Meinung, wonach der Unterschied zwischen den beiden Mischungen gering sei: "Die Unterschiede zwischen den beiden Reifenmischungen - mittel und weich - sind hier recht groß. Es besteht also die Möglichkeit, dass wir an diesem Wochenende viele interessante Rennstrategien sehen werden."

Auf das Paket kommt es an

Natürlich hängt das Verhalten der Reifen auch immer vom Auto und dem Fahrstil des Fahrers ab - das alleine dürfte schon zu verschiedenen Strategien führen. So gilt der Sauber zum Beispiel als extrem reifenschonendes Auto während der McLaren-Mercedes - insbesondere in Kombination mit Lewis Hamilton -, gerne einmal den Gummi regelrecht "auffrisst."

"Der Kompromiss bei der Extraleistung der weichen Pneus ist, dass der Zeitpunkt, an dem die mittlere Reifenmischung schneller wird, schon nach nur fünf oder sechs Runden eintreten kann", berichtet Hembery. "Es dürfte sehr spannend werden, zu sehen, wofür sich die Teams entscheiden."

Vettel muss hoffen

Sebastian Vettel weiß, wovon er spricht, wenn er über abbauende Reifen spricht. Beim China-Grand-Prix verlor der Deutsche den sicher geglaubten Sieg noch an Lewis Hamilton, als dieser in der Schlussphase des Rennens Schritt vor Schritt näher kam, als bei Vettel die Reifen nachließen. Als gebe es nichts einfacheres, zog der Brite am Champion vorbei.

"Das Rennen dürfte interessant werden", so Vettel. "Es wird bestimmt nicht einfach. Im vergangenen Jahr absolvierte jeder nur einen Stopp und danach war es ein Rennen bis zur Zielflagge. In diesem Jahr könnte es ganz unterhaltsam werden."

Auch bei Red Bull ist die Strategiefrage noch nicht geklärt: "Was die richtige Strategie sein wird, steht in meinen Augen noch nicht zu einhundert Prozent fest. Es sollte aber auf jeden Fall mehr als einen Stopp pro Auto geben. Die Reifen sind das Limit. Es ist schwierig zu sagen, wie viele Runden die Reifen zu Beginn hergeben und wie sich das im weiteren Verlauf verhalten wird. Wir scheinen aber gut aufgestellt zu sein."

Bei Red Bull herrscht Einigkeit

"Der Reifenverschleiß könnte entscheidend sein", befürchtet Teamchef Christian Horner. "Wir wissen es nicht. Vielleicht muss jedes Auto fünfmal an die Box fahren. Keine Ahnung, wie viele Reifenwechsel es letztendlich sein werden. Wahrscheinlich mehr als einer, denke ich (lacht; Anm. d. Red.)."

"Die Reifen werden am Sonntag der Knackpunkt sein", glaubt auch Mark Webber. "Schauen wir einmal, welche Auswirkungen der verstellbare Heckflügel hat. Es wird nicht so sein wie in der Türkei oder wie in Spa-Francorchamps. Interessant wird sein, wie die beiden ersten Stints verlaufen. Die Frage ist, wie lange die Reifen halten."

McLaren-Mercedes mit Reifensorgen

Jenson Button, der als einziger neben Sebastian Vettel noch Weltmeister werden kann - zumindest rechnerisch auf dem Papier -, macht keinen Hehl daraus, dass auch er im Moment im Dunkeln tappt: "Ich habe keine Ahnung, was am Sonntag passieren wird. Am Freitag fuhren die Leute mit unterschiedlichen Benzinmengen, als sie ihre Longruns bestritten. Das hoffe ich zumindest. Die Reifen scheinen nicht allzu lange zu halten. Hoffentlich ist das am Sonntag aber anders."

Es ist kein Geheimnis, dass McLaren-Mercedes auf den Longruns am Freitag deutlich schwächer war als Red Bull: "Unsere Rundenzeiten auf einen Umlauf waren im Training sehr gut. Bei den Longruns schienen wir indes etwa 1,5 Sekunden langsamer zu sein als diese Jungs. Entweder hatten sie eine andere Spritladung an Bord als wir - ich wünschte, wir hätten 200 Kilogramm dabeigehabt - oder wir stecken in großen Schwierigkeiten. Hoffentlich hatten sie weniger Benzin dabei als wir."

"Wie auch immer: Mit diesen Reifen eine Konstanz zu erzielen, ist sehr schwierig. Die weichere Mischung wird im Rennen recht kritisch sein. Ich kann im Augenblick beim besten Willen nicht sagen, wie viele Boxenstopps es geben wird. Wahrscheinlich mehr als einen, wahrscheinlich auch mehr als zwei. Ich denke, man arbeitet auf drei oder vier Reifenwechsel hin."

"Es wird interessant sein, zu sehen, wie das abläuft. Hoffentlich ist unsere Boxencrew gut drauf. Ich glaube schon, denn in den vergangenen Rennen waren die Jungs auf Trab. Und hoffentlich gehen wir am Sonntag besser mit den Reifen um als am Freitag. Am Freitag war der Verschleiß enorm, aber wir haben schon oft erlebt, dass die Situation am Sonntag dann ganz anders war."