Strategiegruppe diskutiert Kundenautos in der Formel 1

Von "reine Zeitverschwendung" bis "Farce": Nach dem Meeting der Formel-1-Strategiegruppe hagelt es Kritik - Kundenautos wieder ein ernsthaftes Thema

(Motorsport-Total.com) - Obwohl es nach wie vor keine offiziell gesicherten Informationen zum gestrigen Meeting der Formel-1-Strategiegruppe gibt, sickern über verschiedene Kanäle nach und nach Bruchstücke durch. Demnach wurden viele der im Vorfeld diskutierten Ideen relativ schnell verworfen, dafür aber ein altes Konzept wieder ausgegraben.

Titel-Bild zur News: Donald Mackenzie, Bernie Ecclestone und Pasquale Lattuneddu

CVC-Manager Donald Mackenzie im Gespräch mit Bernie Ecclestone Zoom

Konkret geht es um den Einsatz von Kundenautos, der es finanzschwachen Privatteams erlauben soll, nicht nur die Antriebseinheit bei einem Hersteller einzukaufen, sondern auch das komplette Chassis. Laut Informationen des 'Telegraph' soll als Verhandlungsbasis eine Summe von umgerechnet 20 Millionen Euro pro Saison genannt worden sein. Die Kundenteams müssten dann effektiv nur noch das Einsetzen der Autos selbst organisieren.

Stand heute dürfen nur bestimmte Komponenten extern zugekauft werden, weil ein Team ansonsten nicht als Konstrukteur gilt und gegen die Bestimmungen bestehender Verträge verstoßen würde. Aber ein Wechsel zu Kundenautos ist nicht nur den traditionsbewussteren Fans ein Dorn im Auge, sondern ironischerweise auch den meisten Teams, die als Chassiskunden in Frage kommen würden. Force India zum Beispiel soll sich gestern gegen die Idee gestellt haben.

Es bleibt bei vier Motoren pro Saison

Ohne große Diskussion gescheitert sind das ursprünglich von Red Bull vorgeschlagene Windkanal-Verbot oder die Genehmigung eines fünften Motors für die Saison 2015. Das bedeutet, dass einige Teams schon bald die ersten Grid-Strafen kassieren werden, etwa Red Bull oder McLaren. Und auch die zuletzt immer intensiver geführte Diskussion über ein Zerreißen bestehender Verträge und eine Umverteilung der Formel-1-Einnahmen wurde abgewürgt.

Dem vorangegangen war die Veröffentlichung der Einnahmenverteilung für das Jahr 2014. So kassiert Ferrari dank Bonuszahlungen 164 Millionen US-Dollar, Weltmeister Mercedes aber nur 126. Und Williams bekommt trotz einer Bonuszahlung nur 83 Millionen Dollar, also die Hälfte des Ferrari-Geldes - obwohl Valtteri Bottas und Felipe Massa um fast 50 Prozent mehr Punkte gesammelt haben als Fernando Alonso und Kimi Räikkönen für die Scuderia.


Fotostrecke: F1 Backstage: Barcelona

Beim Treffen in Biggin Hill (London) anwesend waren Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone (sechs Stimmen), FIA-Präsident Jean Todt (sechs Stimmen) Vertreter von Ferrari, McLaren, Mercedes, Red Bull, Williams und Force India (sechs Stimmen) und CVC-Manager Donald Mackenzie. Das Gremium ist nicht entscheidungsbefugt, kann aber Vorschläge abweisen oder an die Formel-1-Kommission weiterleiten. In letzter Instanz entscheidet der FIA-Motorsport-Weltrat.

Drittes Auto bei weiteren Teampleiten

Ecclestone soll während des Meetings erneut zur Sprache gebracht haben, dass die sogenannten CCB-Teams Ferrari, McLaren und Red Bull ein drittes Auto einsetzen müssten, falls die gefährdeten kleinen Teams wirklich pleitegehen sollten. Ecclestones zuletzt geäußerte Idee, neben den V6-Hybrid-Turbos eine (billigere) zweite Antriebsvariante zuzulassen, zum Beispiel einen Standard-V8-Saugmotor von Cosworth, wird in der Formel 1 nicht umgesetzt.

Dafür gab es Fortschritt bei einem kleinen Detail am Rande: Gut möglich, dass die Teams ab 2016 selbst wählen dürfen, welche Pirelli-Reifentypen sie zu einem Rennwochenende mitbringen wollen. Damit verbunden wäre aber eine ausreichende Vorlaufzeit, damit Pirelli genug Reifen produzieren kann, und Einschränkungen aus Sicherheitsgründen. Beispielsweise könnte die Auswahl Supersoft für den Hochgeschwindigkeits-Grand-Prix in Monza verboten werden.

"Wenn die Drahtzieher keine Lösungen haben, sollte man sie auswechseln." auto motor und sport

Von den internationalen Medien wurden die Ergebnisse des Strategiegruppen-Meetings überwiegend negativ aufgenommen. So schreibt etwa der 'Telegraph', die Gespräche über die Formel-1-Zukunft seien "eine Farce" gewesen, während 'auto motor und sport' das Treffen als "reine Zeitverschwendung" beschreibt. Auf eines hat man sich in mehr als sechs Stunden aber sehr wohl geeinigt: den Termin für das nächste Meeting...