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Stoddart übt erneut heftige Kritik an Max Mosley
Der Minardi-Teamchef beschreibt das Indianapolis-Wochenende aus seiner Sicht und lässt dabei erneut kein gutes Haar an Max Mosley
(Motorsport-Total.com) - Minardi-Teamchef Paul Stoddart ist nie um ein offenes Wort verlegen. Auf das Wochenende in Indianapolis kann er entspannter zurückblicken als sieben seiner Formel-1-Kollegen: Sie müssen in einer Woche in Paris der FIA erklären, warum ihre Autos - ausgerüstet mit Michelin-Reifen - nicht am Großen Preis der USA teilnahmen, warum dies der Rennleitung nicht mitgeteilt wurde und wieso keine Maßnahme ergriffen wurde, die von FIA vorgeschlagen wurde.
© xpb.cc
Paul Stoddart ärgerte sich erneut über den FIA-Präsidenten Max Mosley
Obschon die Minardi-Boliden auf Bridgestone-Pneus fahren, nahm Stoddartan allen Sitzungen teil, bei denen eine Lösung gefunden werden sollte. Dass schließlich kein Konsens gefunden und damit das Rennen zur Farce wurde, schiebt er indirekt auch FIA-Präsident Max Mosley zu. Die Formel-1-Gemeinde habe nicht das Gefühl, gut geführt zu werden, was sich auch in den Bemühungen der Motorenhersteller zeige, ab 2008 eine eigene Rennserie ins Leben zu rufen.#w1#
Die Unfälle von Ricardo Zonta und Ralf Schumacher am Freitag hatten für den Australier noch keine große Bedeutung, auch nicht, als das Gerücht durchsickerte, dass beide durch ein Reifenproblem entstanden seien. Am Samstagmorgen aber wurde offensichtlich, dass Michelin mit großen Problemen zu kämpfen hatte. "Ich wurde informiert, dass es um 14:30 Uhr zu einem Treffen der Teamchefs mit Bernie Ecclestone kommen sollte", so Stoddart. "Dabei habe ich fälschlicherweise angenommen, es würde dabei um Michelin gehen."
Michelin-Reifenproblem war zunächst kein Thema
Zum Meeting waren alle Teams, auch Ferrari, geladen. "Überraschenderweise war der Hauptverhandlungspunkt aber die Anzahl der Rennen für 2006", fuhr er fort. "Hinzu kam der Vorschlag, beim nächsten Grand Prix ein Treffen abzuhalten, um über Einheitsreifen und ein Qualifying mit oder ohne Benzin für das Rennen zu beraten. Erst am Ende wurde das Thema Michelin angeschnitten, aber auf Details ging man nicht ein. Ich fand das seltsam, doch es betraf Minardi ja nicht direkt."
Stoddart verließ die Rennstrecke mit dem Wissen, dass ein ernstes Reifenproblem vorlag. "Es wurden schon die ersten Wetten auf Punkteplätze von Minardi und Jordan abgegeben", erklärte er. Zugleich keimten erste Gerüchte auf, Michelin könne Reifen aus Frankreich nachliefern. Die Teilnahme der Team mit den französischen Reifen stand hier schon auf der Kippe. Diese Spekulationen gewannen an Fahrt, als Stoddart am Sonntagmorgen am 'Indianapolis Motor Speedway' ankam. Wenig später gab es ein Treffen zwischen den Teamchefs, Bernie Ecclestone, Streckenbesitzer Tony George und Abgesandten von Michelin.
"Dabei gab Michelin zu, dass ihre Reifen eine Renndistanz ohne Änderung an der Piste nicht durchstehen würden", so Stoddart. "Es wurde viele Informationen auf den Tisch gebracht, die auch die Anstrengungen von Michelin und den Teams zeigte, welche diese in den vergangenen 48 Stunden unternommen hatten. Aber das Problem konnte nicht gelöst werden und es wurde klar, dass es auch keine Lösung geben würde, wenn die Nicht-Michelin-Teams und letztlich auch die FIA nicht unterstützend tätig werden würden."
Im Zuge des Verhandlungen trat Michelin mit der Bitte nach einer Schikane auf. Nur so würden die Reifen im Rennen halten. "Andere Möglichkeiten, welche die FIA zuvor vorschlug, wie ein Geschindigkeitslimit für die Michelin-Autos in Kurve 13, hätten zu einem monumentalen Unfall führen können und wurden daher ebenso zurückgewiesen wie ein Boxenstopp alle zehn Runden", so der Australier. "Somit verblieb nur die Schikane als Lösung."
Stoddart von Mosleys Vorgehen nicht überrascht
Ecclestone führte daraufhin Gespräche mit Ferrari-Rennleiter Jean Todt, der nicht am Meeting teilnahm, und FIA-Präsident Max Mosley. Die Gespräche sollten weitergehen, sobald der Formel-1-Chef die Antworten bekommen hatte. Doch die Nachricht von Ecclestone war verheerend: "Bernie informierte uns, dass nicht nur Jean Todt nicht zustimmte - denn es sei kein Ferrari-, sondern ein FIA- und Michelin-Problem, sondern Max Mosley erklärte, dass bei jedem Versuch, die Strecke zu ändern, er den Grand Prix umgehend abgesagen würde", so der Australier.
"Dieser Ton kam mir doch sehr bekannt vor, er war dem in Australien, als der Grand Prix abgesagt werden sollte, nachdem ich rechtliche Schritte eingeleitet hatte, sehr ähnlich", fuhr er fort. "Aber Max Mosley war nicht einmal beim Grand Prix. Alle im Raum erklärten, dass Mr. Mosley die Grenze überschritten hatte. Er hatte keine Ahnung davon wie schwerwiegend die Situation war, und er kümmerte sich auch nicht um den US-Grand-Prix, dessen Organisatoren, die Fans und die TV-Zuschauer."
Die Gespräche gingen dennoch weiter. "Die neun Teams unterhielten sich bereits darüber, ein Rennen ohne WM-Status abzuhalten, oder ein Rennen, in dem die Michelin-Teams keine Punkte holen können, oder nur die Michelin-Autos die Schikane durchfahren. Wir haben jede Möglichkeit besprochen, damit 20 Autos teilnehmen können, so dass der Formel 1 kein Schaden zugefügt wird." Auch ein Rennen ohne Ferrari und ohne die FIA stand auf dem Plan. Alle Positionen der FIA, inklusive Rennleitung und Safety-Car-Phase, wurde hierfür bereits zugewiesen. "Wir hätten Teams und Fahrer nur angewiesen, in dem Geiste zu handeln, ein unterhaltsames Rennen zum Wohle der Formel 1 zu liefern."
"Zu diesem Zeitpunkt riefen wir alle 20 Fahrer zu uns und alle 20 erschienen auch. Wir unterrichteten sie dann von unserem Plan", so Stoddart weiter. "Ich kann nicht garantieren, dass jeder Fahrer uns zustimmte, aber ich kann sagen, dass sich kein Fahrer dagegen wehrte. Mitglieder der 'Grand Prix Drivers' Association' (Formel-1-Fahrer-Gewerkschaft; d. Red.) wollten sogar den Bau der Schikane überwachen. Nur Jean Todt fehlte bei dieser Versammlung, und die Ferrari-Fahrer erklärten, dass diese Entscheidung in den Händen von Mr. Todt liege."
Als die Vorschläge an Mosley herangetragen wurden, blockte dieser erneut ab. Auch ein Telefongespräch mit Renault-Teamchef Flavio Briatore verlief ergebnislos. "Zu diesem Zeitpunkt haben viele der Anwesenden den Glauben an Mr. Mosley und seine Fähigkeiten als FIA-Präsident verloren", erklärte Stoddart. "Ich bin mir sicher, dass dieser Satz bei Mr. Mosley auf Unmut stoßen wird, aber ich weiß, dass es für die anderen Teamchefs gute Gründe gibt, das nicht öffentlich zu sagen."
Erneute Drohungen des FIA-Präsidenten?
Weitere Anfragen blieben ebenso erfolglos. "Vielmehr erklärte er, dass, wenn ein Rennen, welches nicht zur Meisterschaft zählt, veranstaltet wird oder Veränderungen am Kurs getätigt werden, der gesamte FIA-regulierte Motorsport in den USA bedroht wäre - das ist exakt die gleiche Taktik, mit der er im März dieses Jahres den Australischen Grand Prix und den Motorsport in Australien bedrohte. Bernie Ecclestone konnte nichts mehr tun, und alle Bemühungen der Teamchefs, mit Ausnahme von Jean Todt, den US-Grand-Prix 2005 zu retten, schlugen fehl."
Zu diesem Zeit öffnete bereits die Boxengasse und hektische Diskussionen begannen. "Der Jordan-Teamchef fehlte da schon und die Jordan-Autos fuhren als erste in die Startaufstellung, dann die Ferrari", so Stoddart. "Nach Diskussionen mit Bernie Ecclestone kamen wir überein, dass die Michelin-Teams in die Startaufstellung fahren, aber auf keinen Fall wegen der Reifensituation am Rennen teilnehmen dürfen."
Auf Nachfrage seitens des Minardi-Teamchefs bestätigte Jordan, dass sie am Rennen teilnehmen, und auch Bridgestone drängte Stoddart auf einen Start. "Ich stand vor einer der schwierigsten Entscheidungen in meiner Zeit in der Formel 1", erklärte er. "Ich wollte nicht starten, aber wegen meiner momentanen Beziehung zu Max Mosley ging ich von harten Strafen aus, wenn ich es nicht tun würde. Ich erklärte aber allen, dass, wenn die Jordan-Autos ausfielen, ich auch meine Autos zurückziehen würde."
"Man sollte verstehen, dass Minardi, die sieben Michelin-Teams, Bernie Ecclestone und die Veranstalter nicht mit dem Vorgehen von Max Mosley einverstanden war", fuhr er fort. Die Schuld für den Umfang der Farce trage daher der FIA-Präsident. Er sei dafür verantwortlich, ebenso aber die mangelnde Unterstützung durch Jean Todt. Michelin habe einen falschen Reifen geliefert, doch auch die Nachlieferung hätte keine Sicherheit geboten. "Daher war es ein Fall von 'Höherer Gewalt', denn Michelin würde nicht einfach Reifen mitbringen, die nicht einsatzfähig sind."