• 09.07.2010 12:21

  • von Stefan Ziegler

Smedley über britische Tugenden und italienische Leidenschaft

Ein Brite bei Ferrari: Renningenieur Rob Smedley spricht über seine Erlebnisse in Maranello, seine Heimat und die unterschiedliche Mentalität der Fans

(Motorsport-Total.com) - Ferrari und Silverstone - da prallen zwei große Namen der Formel-1-Geschichte aufeinander. Vor allem aus der Sicht von Rob Smedley, der als Brite eine ganz besondere Beziehung zur Rennstrecke hat, die zwischen London und Birmingham gelegen ist. Überhaupt ist der Renningenieur von Felipe Massa ein Grenzgänger zwischen zwei Motorsport-Welten, wie er vor dem Grand Prix betont.

Titel-Bild zur News: Rob Smedley

Rob Smedley ist der britische Ingenieur des Brasilianers Felipe Massa bei Ferrari

Zwischen der italienischen und der britischen Herangehensweise an den Rennsport gäbe es kleine, aber feine Unterschiede, meint Smedley und erläutert: "Die Fans verarbeiten schlechte Ergebnisse auf unterschiedliche Art und Weise. Die italienischen Fans sind nämlich ungeheuer leidenschaftlich und haben große Schwierigkeiten damit, ein bescheidenes Resultat zu akzeptieren", hält Smedley fest.#w1#

Mansell als Bindeglied zwischen den Fankulturen

"Damit haben zwar auch die britischen Fans so ihre liebe Not, kommen aber vielleicht einen Tick besser klar mit dieser Situation. Wenn ich es müsste, könnte ich mich allerdings kaum zwischen diesen Gruppen entscheiden, denn beide teilen diese schiere Leidenschaft in Bezug auf den Motorsport", so der Ferrari-Renningenieur. "Die Italiener sind dahingehend regelrecht fanatisch."

"In Großbritannien unterstützt man als Zuschauer eher den Fahrer, in Italien eher das Team." Rob Smedley

Erstmals wirklich vereint wurden beide Fanblocks laut Smedley Ende der 1980-Jahre, als Nigel Mansell nach Maranello wechselte. "Er kam von Williams und hat viele britische Fans mitgebracht", erklärt Smedley. "In Großbritannien unterstützt man als Zuschauer eher den Fahrer, in Italien eher das Team. Als Mansell zu Ferrari kam, wurde mir dieser Unterschied zum ersten Mal wirklich bewusst."

Inzwischen konnte sich Smedley allerdings noch ein deutlich vielschichtigeres Bild von dieser Situation verschaffen, ist er doch seit geraumer Zeit selbst für die Traditionsmarke aus Maranello tätig. Aber hat man bei den Roten nicht einen schweren Stand, wenn man kein Italiener ist? Smedley verneint und fügt erläuternd hinzu: "Mir fällt es nicht schwer, als Brite bei Ferrari zu arbeiten."¿pbvin|512|2893|inside|0|1pb¿

Ferrari brilliert durch Leidenschaft

"Man hört immer wieder, dass sich die Teams einer familiären Atmosphäre rühmen. Bei Ferrari gibt es aber ein spezielles Gefühl der Zusammengehörigkeit. Die Leute verrichten ihre Arbeit nicht nur wegen des Geldes, sondern haben vor allem die nötige Leidenschaft. Das konnte ich anfangs nicht ganz verstehen. Du musst nämlich erst einmal akzeptiert werden und dann auch deinen Beitrag leisten."

"Für mich ist ein Traum wahr geworden, indem ich zu Ferrari gestoßen bin." Rob Smedley

"Für mich ist ein Traum wahr geworden, indem ich zu Ferrari gestoßen bin. Diesen Weg wollte ich einschlagen, seit ich ein Teenager war", gesteht Smedley, merkt aber an: "Großbritannien ist noch immer meine Heimat und ich vermisse es schon, mit meinen Freunden in den Pub zu gehen und ein paar Bier zu trinken" - das Leben in Italien habe allerdings durchaus ebenfalls seine Vorzüge.


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Großbritannien


Zumindest an diesem Wochenende darf sich Smedley aber wieder richtig heimisch fühlen, denn mit dem Silverstone Circuit verbindet der Brite sehr vieles. In erster Linie "viele Emotionen", wie Smedley herausstellt. "Für mich zählt dieser Grand Prix zu den angenehmsten im Kalender. Ende der 1980er-Jahre war ich erstmals in Silverstone. Das war meine erste Erfahrung mit dem Motorsport."

Silverstone als Klassiker im Rennkalender

"Ich war elf Jahre alt und mein Vater nahm mich mit zum Großen Preis der Formel 1. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt und war vollkommen begeistert von dem, was ich dort sah: die Strecke, die Teams, der Lärm, die Atmosphäre - alles. Das hat mich schwer beeindruckt", sagt Smedley und fügt nur wenig überraschend hinzu: "Gerade deswegen ist Silverstone etwas Besonderes für mich."

"Dieser Kurs zählt zu einer alten Garde von Rennstrecken." Rob Smedley

"Ich halte diesen Ort für einen klassischen Kurs. Silverstone ist eine der ursprünglichen Strecken. Natürlich hat sich das Layout der Rennbahn über die Jahre verändert, doch Silverstone ist ein Zentrum des Motorsports. Dieser Kurs zählt zu einer alten Garde von Rennstrecken, die über eine so reichhaltige Geschichte verfügen. Das wahre Herz des Motorsports schlägt aber wohl in Monza."

Nicht zuletzt aufgrund der großen Leidenschaft der Italiener, die Smedley zu einem britischen Team mitbringen würde: "Der Enthusiasmus, die Entschlossenheit und die Leidenschaft von Ferrari zählen vor allem in schwierigen Zeiten sehr viel, denn das bringt dich wieder nach vorne", meint Smedley. "Nur durch Ruhe und Besonnenheit wirst du nicht acht WM-Titel in zehn Jahren erobern."