"Silberpfeile" blasen zum Sturm auf Europa

McLaren-Mercedes hat in Bahrain bewiesen, dass Pace vorhanden ist, und will vor der Europasaison noch einmal einen Zahn zulegen

(Motorsport-Total.com) - Mit acht beziehungsweise sieben Punkten liegen Juan-Pablo Montoya und Kimi Räikkönen auf den Positionen sieben und acht der Fahrer-WM - eine Enttäuschung für McLaren-Mercedes, hatte man die "Silberpfeile" vor Saisonbeginn doch in die Schublade der großen Titelfavoriten gesteckt. Spätestens seit dem Grand Prix von Bahrain steht aber fest, dass aus Woking und Stuttgart noch etwas kommen wird.

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen

Die "Silberpfeile" haben ein schnelles Auto, müssen es aber noch umsetzen

Wie gut der neue MP4-20 ist, beweist die Tatsache, dass selbst die beiden Ersatzpiloten auf Anhieb schnell waren: Pedro de la Rosa wurde im Rennen Fünfter und fuhr die schnellste Runde, während Alexander Wurz im Freitagstraining eine sagenhafte Bestzeit hinknallte. Allerdings ist die Aerodynamik so ausgelegt, dass die Reifen geschont werden - wobei man einen Schritt zu sehr ins Extreme gegangen sein dürfte, denn im Qualifying steht man nun vor dem Problem, die Reifen nicht auf Temperatur zu bekommen.#w1#

"Wir schöpfen unser Potenzial einfach nicht optimal aus"

"Wir schöpfen unser Potenzial einfach nicht optimal aus", monierte Räikkönen in Bahrain. "Unser Auto geht sehr schonend mit den Reifen um - vielleicht bekommen wir sie daher nicht auf Temperatur. Im Rennen ist das Auto ungemein schnell, speziell dann, wenn ein wenig Gummi auf der Strecke liegt. Das ist aber meistens schon zu spät. Wir müssen etwas unternehmen, um im Qualifying nach vorne zu kommen, dann fahren wir auch wieder um Siege."

Teamchef Ron Dennis bestätigte diese Darstellung: "Wir fahren Rennen, um sie zu gewinnen, aber der Grund, weshalb wir im zweiten Teil der Rennen so stark sind, ist auch der Grund, weshalb wir es im Qualifying noch nicht auf die Reihe bekommen", sagte er. "Wir verwenden die Reifen nicht hart genug und dadurch gelingt es uns im Qualifying nicht, genügend Energie in die Reifen zu bekommen. Wir verstehen das Problem aber und werden das Auto entsprechend modifizieren."

Die von Stardesigner Adrian Newey entwickelte Aerodynamik sei "außergewöhnlich", lobte Dennis, man müsse nun aber entsprechende Detailverbesserungen anbringen, um die Michelin-Reifen besser ausnutzen zu können. Eine Sofortlösung wäre, ab dem ersten Europarennen in Imola einfach weichere Gummimischungen zu verwenden, was allerdings erst genau mit Reifenpartner Michelin abgesprochen werden muss.

McLaren-Mercedes will nun weichere Reifen verwenden

"Die Reifen sind fantastisch", vermied es der McLaren-Boss, die Schuld von sich zu weisen. "Die Wahrheit ist aber auch, dass wir gerne weichere Reifen verwenden würden. Dass wir das bisher nicht gemacht haben, hat uns gebremst. Wir haben das aber mit Michelin diskutiert und sie sind absolut gewillt, ihren Partnerteams das Material zu geben, das angefordert wird. Bei Michelin kann jedes Team den eigenen Weg gehen, ohne die Unterstützung zu verlieren. Das steht im krassen Gegensatz zum anderen Reifenhersteller in der Formel 1."

Parallel zu der reifenseitigen Richtungsänderung wird in der dreiwöchigen Pause vor Imola aber auch im Windkanal in Woking auf Hochtouren gearbeitet, um das eigentlich für Barcelona geplante neue Aerodynamikpaket schon früher einsetzen zu können. Die Modifikationen sollen dazu führen, dass die Reifen härter rangenommen werden, was gerade bei den Europarennen in kühlerem Ambiente ausschlaggebend sein könnte.

Prinzipiell sei das Potenzial aber da, man müsse es eben nur noch umsetzen, meinte Dennis: "In manchen Bereichen ist das Auto sehr, sehr stark. Wir sind sicherlich in der Lage, die Schnellsten zu sein - mindestens unter den schnellsten Vier. Wo immer wir jetzt auch im Vergleich zur Konkurrenz stehen, werden wir aggressive Entwicklungsschritte einleiten, deren Arbeit sich spätestens in Spanien bezahlt machen sollte."

Haug: "Alonso sicherlich einen Tick vorne, aber keine Welt"

Mercedes-Sportchef Norbert Haug ist sich indes der Qualifying-Problematik bewusst, glaubt aber gleichzeitig, dass die schlechten Startpositionen von Bahrain nicht die wahre Leistungsfähigkeit des MP4-20 reflektiert haben: "Kimi hat in den beiden Qualifyings im letzten Sektor jeweils einen Fehler gemacht", gab er gegenüber 'RTL' zu Protokoll. "Einmal hat ihn das eine halbe Sekunde gekostet und einmal drei Zehntel. Ansonsten wäre er auf dem dritten Startplatz gestanden. Den Speed der Toyotas können wir gehen. Alonso ist sicherlich einen Tick vorne, aber keine Welt, wenn auch sein Punktevorsprung schon groß ist."

"Es ist schwierig, nach einem Rennen zu erklären, dass wir podiumsfähig sind, wenn man nicht oben steht", fuhr Haug fort. "Der Speed ist da, die Zuverlässigkeit ist da. Wir gehören zu den wenigen Teams, die sechsmal gestartet und sechsmal ins Ziel gefahren sind. Ich glaube, dass wir noch mal einen Schritt machen können und dass wir regelmäßig um Podestplätze und Siege mitfahren werden."

Die Ansicht, dass McLaren-Mercedes durchaus über Potenzial verfügt, es bisher aber noch nicht ausschöpfen konnte, teilt auch 'F1Total.com'-Experte Marc Surer. Den Schweizer hat in Bahrain beeindruckt, dass sogar de la Rosa und Wurz auf Anhieb mit dem MP4-20 zurechtgekommen sind: "Bahrain hat gezeigt, dass im Prinzip jeder mit diesem Auto schnell fahren kann. Sie haben ein gutes Auto und müssen es nur noch umsetzen", so der Ex-Formel-1-Pilot.