Schwache Ferrari-Tests: Vorderrad-Aufhängung schuld?

Simulationsexperte Peter Schöggl erklärt die Risiken der Ferrari-Vorderrad-Aufhängung und schließt nicht aus, dass der Teststart deshalb daneben ging

(Motorsport-Total.com) - Ferrari setzt dieses Jahr auf eine Vorderrad-Aufhängung mit Zugstreben-Technik. Man verspricht sich dadurch einen tieferen Schwerpunkt und somit eine bessere Traktion als bei der gängigen Druckstreben-Aufhängung. Im Heck verwenden längst alle Teams die Zugstreben-Lösung, die 2009 von Red-Bull-Genie Adrian Newey eingeführt wurde - an der Vorderachse ist die Scuderia bislang allein auf weiter Flur.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Ferrari setzt an der Vorderachse auf ein eigenwilliges System

"Vor allem aus aerodynamischen Gründen haben wir uns für eine Zugstreben-Variante entschieden", erklärt Chefdesigner Nicolas Tombazis. "Das bedeutete harte Arbeit für die Abteilungen Design und Fahrwerks-Dynamik, um alle mechanischen Eigenschaften zu erreichen, die wir mit diesem Auto erreichen wollen. Ich glaube, das ist uns gelungen, aber ich glaube auch, dass wir zusätzlich einen aerodynamischen Vorteil daraus ziehen."

Doch hält die Ferrari-Idee, was man sich in Maranello davon verspricht? Bei den Tests musste man die Servolenkung an das neue System anpassen, sonst merkte Fernando Alonso beim Fahrverhalten keine negativen Konsequenzen - mechanisch dürfte also alles passen. Im Fahrerlager gibt es jedoch Bedenken.

Die Nachteile der Zugstreben-Aufhängung


Fotos: Ferrari, Testfahrten in Barcelona


Simulationsexperte Peter Schöggl von der österreichischen Firma AVL List, schließt nicht aus, dass die Abstimmungsprobleme beim F2012 mit der ungewohnten Technik zusammenhängen. "Die Ferrari-Lösung ist von den Winkeln her sehr eng und wird sich im Betrieb extrem verwinden", fürchtet er gegenüber 'ServusTV'. "Diese Vorderachse mit den steil stehenden Dreieckslenkern abzustimmen, wird schwierig."

Fernando Alonso

Verwindet sich die Ferrari-Vorderrad-Aufhängung? Zoom

Er geht ins Detail: "Der Winkel der Zugstrebe und des Dreieckslenkers ist eigentlich sehr klein. Das Ganze bewegt und verwindet sich. Das in den Griff zu bekommen, ist sicherlich eine riesige Challenge und dauert wahrscheinlich eine gewisse Zeit." Auch allgemein sieht er es "sehr kritisch", wenn ein Team völlig aus der Reihe tanzt. "Dann ist man entweder ein Genie - oder man hat Riesenprobleme. Wenn es funktioniert, wird es nächstes Jahr abgekupfert. Wenn nicht, hat Ferrari nächstes Jahr auch wieder eine Standardlösung."

Das erinnert an das Renault-Team, das inzwischen Lotus heißt. Die Truppe aus Enstone sorgte im Vorjahr für Aufregung, als man ein Frontauspuff-System einsetzte. Die Lösung war so gewagt, dass das Team die ganze Saison hinweg darunter litt und bereits nach einigen Rennen an einer konventionelleren Lösung arbeitete. Diese kam allerdings nie zum Einsatz. Selbst wenn auspuffangeblasene Diffusoren 2012 nicht verboten worden wären, hätte Technikchef James Allison auf die Frontauspuff-Variante verzichtet.

Droht Ferrari ein Williams-Schicksal?

Williams-Mitbesitzer Toto Wolff weiß ebenfalls, dass Ferrari mit dem Aufhängungssystem ein großes Risiko eingeht und verweist gegenüber 'ServusTV' auf das extreme Williams-Heck aus dem Vorjahr: "Wir haben im letzten Jahr mit einem ganz kleinen Getriebe mit ganz anderen Aufhängungspunkten experimentiert. Das Ergebnis ist allen bekannt."

Ob Ferrari ein ähnliches Schicksal droht, möchte der Österreicher nicht kommentieren: "Aus den Testfahrten kann man nicht viel sagen. Ferrari hat nicht besonders geglänzt, aber wir haben es bei McLaren letztes Jahr gesehen: Am Samstag um 18:00 Uhr in Melbourne wird klar sein, wer es richtig gemacht hat."