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Schumacher: "Der dritte Fahrerplatz ist mir völlig egal"

Michael Schumacher im Interview über verbleibende Saisonziele, seine beiden Nachfolger, den Stellenwert der Konstrukteurs-WM und mehr

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, was bleibt nach der Saison, die du bisher erlebt hast, als Ziel für Suzuka übrig?"
Michael Schumacher: "Sicherlich wollen wir noch ein bisschen Schadensbegrenzung betreiben. Unsere Hoffnung in den letzten Testwochen und auch bei den letzten Rennen war, dass wir etwas an unserer Langsamkeit ändern können. Das war nicht der Fall. Wir sind auf dem Stand von Brasilien, und so werden wir die letzten beiden Rennen wohl auch beenden."

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher erwartet sich in Suzuka bestenfalls einen Podestplatz

Frage: "Zweimal Platz drei in den beiden Weltmeisterschaften ist das, was du noch erreichen kannst. Was ist das überhaupt wert?"
Schumacher: "Der dritte Fahrerplatz ist mir völlig egal, um ehrlich zu sein. Das wäre anders, wenn es eine besondere Herausforderung wäre, Dritter zu werden, aber diese Herausforderung besteht nicht. Die Konstrukteursposition inne zu halten, ist wirklich wichtig. Ich sehe das so, weil die Chancen, für meine persönliche Position etwas auszurichten, wirklich gering sind. Von daher will ich Spaß haben und die letzten zwei Rennen so gut wie möglich beenden."#w1#

Ferrari hat den dritten Platz fast schon in der Tasche

Frage: "Toyota liegt direkt hinter euch, und dein Bruder sagt, dass 17 Punkte nicht unmöglich aufzuholen sind. Wie realistisch ist das deiner Meinung nach?"
Schumacher: "Das ist so realistisch oder unrealistisch wie mein dritter Platz in der Fahrerwertung. Aus Toyotas Sicht ist das schon ziemlich unrealistisch - zwar nicht unmöglich, aber eigentlich unrealistisch..."

Frage: "Deine persönliche Leistung in Brasilien war sehr stark. Was bedeutet dir so ein Rennen verglichen mit deinen vielen WM-Titeln und Siegen?"
Schumacher: "Es war eine gute Fahrt, eine unserer besseren in diesem Jahr. Wir waren konstant und konnten die Pace auch am Ende des Rennens noch halten. Insofern war es eine gute Vorstellung."

Frage: "Dein Überholmanöver gegen Giancarlo Fisichella in der ersten Runde war sehr mutig. Hast du das Gefühl, dass du es noch mit jedem in der Formel 1 aufnehmen kannst?"
Schumacher: "Daran habe ich nie gezweifelt, aber es gibt Umstände, warum sich manche Dinge so entwickelt haben. Was das Manöver gegen Fisichella angeht, wollte ich eigentlich schon zurückstecken, aber genau an dem Punkt, als ich bremsen wollte, wechselte die Asphaltoberfläche. Außerdem war dort auch noch eine nasse Stelle, was man von außen nicht sehen konnte. Dort zu bremsen, wäre etwas zu aufregend gewesen! Also bin ich zur Seite gefahren und wäre beinahe in 'Fisico' reingekracht, der sehr gut und nicht dumm reagiert hat. Unter normalen Bedingungen wäre ich einfach innen an ihm vorbeigegangen, aber durch die nasse Stelle sah es sehr halt spektakulär aus."

Frage: "Wie schwierig ist es für dich, dich jedes Mal neu zu motivieren, obwohl du weißt, dass Siege nicht möglich sind?"
Schumacher: "Es ist klar, dass wir nicht um Siege kämpfen, aber dann müssen wir uns eben auch über ein Podium freuen."

Inzwischen kann sich Schumacher auch über dritte Plätze freuen

Frage: "Und wie sehr kannst du dich über ein Podium freuen?"
Schumacher: "Natürlich ist man ab einem gewissen Zeitpunkt auch mit einem Podium zufrieden."

Frage: "Wann war dir das erste Mal klar, dass 2005 eine schwierige Saison für Ferrari werden könnte?"
Schumacher: "Es gab schon im Winter die ersten Anzeichen, aber im Winter vor 2004 gab es die ja auch. Damals konnten wir unsere Situation noch bessern. Das ist uns dieses Jahr nicht gelungen."

Frage: "Die japanischen Fans hier sind immer wieder etwas Besonderes, ganz anders als in Europa..."
Schumacher: "Das ist wahr. Sie sind völlig losgelöst!"

Frage: "Suzuka ist der Heim-Grand-Prix von Bridgestone. Was sind die Ziele, auch hinsichtlich der Reifensituation?"
Schumacher: "Die Reifen werden sicher nicht das Problem sein. Die Ziele sind im Prinzip, ähnliches zu erreichen wie in Brasilien. Es gibt keinen Anlass dafür, sehr viel mehr zu erwarten. Es ist nicht unmöglich, auf das Podium zu fahren, denn in Brasilien waren wir auch recht stark. Aber wir brauchen ein bisschen Glück. Das Wetter könnte schwanken, daher ist ein Podium wohl das maximal Mögliche."

Frage: "Magst du die Strecke hier in Suzuka?"
Schumacher: "Ja, sehr."

Frage: "Was wirst du nach dem letzten Rennen in Shanghai machen?"
Schumacher: "Nach Hause fahren!"

Gekürzter Winterurlaub nur eine Erfindung der Presse

Frage: "Wirst du nicht weiterhin testen? Die 'Bild'-Zeitung schreibt ja, dass du diesmal weniger Urlaub machen wirst. Ist das richtig?"
Schumacher: "Nein, überhaupt nicht."

Frage: "Fernando Alonso hat in der Pressekonferenz gesagt, dass er auf dich tippt, was den WM-Titel 2006 angeht. Was ist deine Antwort darauf?"
Schumacher: "Es würde auch ziemlich arrogant sein, wenn er sich selbst nennen würde (lacht)! Hoffen wir das Beste..."

Frage: "Fernando Alonso ist dein Nachfolger als Weltmeister. Muss ein Weltmeister als Repräsentant des Sports mehr können als nur schnell Autofahren, und wie beurteilst du bei ihm diese Qualitäten?"
Schumacher: "Darauf möchte ich nicht wirklich eingehen, denn ich kenne ihn nicht gut genug. Wir spielen manchmal zusammen Fußball, aber mehr ist das auch nicht. Ich weiß nicht, ob die Außendarstellung wichtig ist, denn hier geht es in erster Linie um Sport. Wenn man sich Fußball anschaut, scheint das ja auch nicht so wichtig zu sein."

"Ich weiß nicht, ob die Außendarstellung wichtig ist, denn hier geht es in erster Linie um Sport." Michael Schumacher

Frage: "Aber ist es nicht auch wichtig, dass ein Weltmeister auch etwas zu sagen hat, wenn er aus dem Auto steigt, um seine Sportart zu repräsentieren?"
Schumacher: "Es ist letzten Endes sicher interessanter für ein Team, einen Fahrer zu haben, der auch etwas Interessantes zu sagen hat, aber wenn man die Wahl hat zwischen einem, der eine Meisterschaft gewinnen kann und schneller ist, oder einem, der halt ein bisschen reden kann, wird man sich sicher für den schnelleren Fahrer entscheiden. An den anderen Dingen kann man ja arbeiten. Wie das bei Fernando ist, mag ich nicht beurteilen."

Schumacher sieht in Alonso einen würdigen Weltmeister

Frage: "Siehst du in Fernando Alonso etwas, was andere Fahrer nicht haben?"
Schumacher: "Ich finde diese Fragen ziemlich langweilig, denn ich sehe jeden Fahrer als einzigartig an. Jeder hat seinen eigenen Charakter. Für mich ist er ein würdiger Weltmeister. Er hat einen großartigen Job gemacht - nicht nur er selbst, sondern auch das Team. Aus meinen Benetton- und Ferrari-Jahren weiß ich, wie wichtig das ist."

Frage: "Siehst du Unterschiede zwischen deiner Fahrergeneration und der neuen Generation, die dich jagt?"
Schumacher: "Sicherlich hat sich da etwas geändert. Was genau im Einzelnen, ist unerheblich, aber wir reden da von einer ganz anderen Situation. Früher gab es immer die tollen Geschichten, dass alles viel schwieriger war und es noch die Senna, Prosts und Mansells gab, aber irgendwie gab es die eben mal nicht mehr - und deshalb soll das alles so einfach gewesen sein. Die Leute legen sich das so zurecht, wie sie es brauchen. Fakt ist, dass die Teams versuchen, die besten Fahrer zu bekommen, sofern das möglich ist. Das Level der Formel 1 hat sich über die Jahre eher gesteigert."

Frage: "Würdest du dich als hungriger bezeichnen als die Jungs es heute sind?"
Schumacher: "Damals oder jetzt? Eigentlich macht das bei mir keinen Unterschied. Ich müsste sie dafür besser kennen. Wenn man sich einen Fernando oder Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) anschaut, dann muss man ehrgeizig sein und ein festes Ziel vor Augen haben, um dafür zu arbeiten. Wie das nach außen hin rüberkommt, da hat jeder seine eigene Art und Weise, das zu vermitteln."

Auch Ferrari holte 1999 nur die Konstrukteurs-WM

Frage: "McLaren-Mercedes kann nur noch die Konstrukteurs-WM gewinnen. Ihr habt 1999 mit Ferrari auch nur die Konstrukteurs-WM geholt. Was bedeutet das für einen Fahrer?"
Schumacher: "Es hat schon eine Bedeutung, denn es war damals das Einzige, was noch zu gewinnen war. Wir haben damals versucht, beide Weltmeisterschaften zu gewinnen. Wir hätten hier Mika (Häkkinen; Anm. d. Red.) besiegen müssen, um den Fahrertitel noch zu holen, aber Eddie (Irvine; Anm. d. Red.) war viel zu langsam, um es selbst zu schaffen. Ich konnte Mika auch nicht folgen, um eine wirkliche Gefahr zu sein. Natürlich waren wir dann happy, dass wir wenigstens die Konstrukteurs-WM gewonnen haben, aber die große Sache ist klarerweise der Fahrertitel."

Start in Japan 1999

In Suzuka 1999 entschied Häkkinen die WM mit einem wahren Raketenstart Zoom

Frage: "Welchen Anteil hat Flavio Briatore daran, Fernando Alonso so weit gebracht zu haben?"
Schumacher: "Im Endeffekt ist es sicherlich das Team, das den Erfolg hat. Das war bei uns auch jahrelang so, und ich habe es deswegen auch immer wieder betont. Ohne die Schlüsselfiguren und die Leute, die letzten Endes die Arbeit umsetzen, sind weder ein Jean Todt, noch ein Flavio, ein Fernando oder ich dazu in der Lage, etwas auszurichten. Das wird sich auch nicht ändern. Flavio hat es sicherlich geschafft, ein Team zu formen, das Leistung bringt."

Frage: "Glaubst du, dass nach der Ferrari-Ära nun eine Renault-Ära anbrechen könnte?"
Schumacher: "Ich hoffe, dass Ferrari sehr bald zurückschlagen wird!"

Frage: "Für Peter Sauber ist es das vorletzte Rennen in der Formel 1. Du kennst ihn recht gut. Kannst du ihm ein paar Worte zum Abschied mitgeben?"
Schumacher: "Es wird kein genereller Abschied, denn ich habe es so verstanden, dass er noch hin und wieder vorbeischauen wird. Aber es ist schon ein großer Schritt für Peter, den er da gemacht hat - ein nachvollziehbarer Schritt. Ich wünsche ihm viel Spaß und viel Glück bei seinen neuen Aufgaben. Wir werden ihn in gewisser Hinsicht vermissen, denn er ist schon eine Figur für sich gewesen."