• 19.07.2004 14:22

Sato: "Rennen fahren ist mein Leben"

Im ausführlichen Interview spricht Takuma Sato über den starken BAR, seine Motorschäden und wilde Aktionen auf der Strecke

(Motorsport-Total.com) - Takuma Sato ist der Aufsteiger des Jahres in der Formel 1. Auch wenn der Japaner noch hin und wieder Fehler macht, hätte vor Saisonbeginn wohl kaum jemand erwartet, dass er mit seinem Teamkollegen Jenson Button so gut würde mithalten können. Mit seinem dritten Platz in Indianapolis ist er überhaupt erst der zweite Japaner nach Aguri Suzuki 1990 in Suzuka, der in der Formel 1 auf das Podium steigen konnte. Aber Sato hat höhere Ziele, will möglichst noch in diesem Jahr einen Grand Prix gewinnen und der "Beste der Besten" werden, wie er im Interview verriet. In einem hat er seine bisherigen Landsleute in der Formel 1 übrigens schon mit weitem Abstand hinter sich gelassen: Ein so gutes Englisch wie er sprach noch kein Japaner im Grand-Prix-Zirkus.

Titel-Bild zur News: Takuma Sato

Takuma Sato will in der Formel 1 "der Beste der Besten" werden

Frage: "Wie zufrieden sind sie mit ihrem bisherigen Saisonverlauf?"
Takuma Sato: "Ich bin zufrieden mit dem großen Fortschritt seit letztem Jahr, das ganze Team hat einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht. Letztes Jahr habe ich da ja schon als Testfahrer zur Vorbereitung dieser Entwicklung beigetragen - und mit dem, was wir da insgesamt erreicht haben, bin ich sehr zufrieden."

Frage: "Und mit ihrer persönlichen Leistung und Entwicklung?"
Sato: "Es ist natürlich schon ein bisschen frustrierend, dass ich fünf Motorschäden in neun Rennen hatte. Das ist einfach ein bisschen zu viel. Aber trotzdem konnte ich natürlich zusammen mit dem ganzen Team zeigen, wie weit wir gekommen sind, und das ist schon befriedigend. Ich habe halt einfach Pech gehabt."

Sato rätselt über seine Motorenschäden

Frage: "Haben sie eine Erklärung dafür, warum die Defekte immer nur an ihrem Auto passieren?"
Sato: "Ich stelle mir diese Frage natürlich auch und die Wahrheit ist, dass wir es nicht wissen. Wir fahren absolut die gleichen Motoren, die Honda-Leute schauen sich das auch ganz genau an... Sicher, der Fahrstil beim Runterschalten, der Einsatz der Traktionskontrolle und auch im Motormanagement - da gab es überall ein paar kleine Unterschiede. Und daraufhin haben wir auch da alles angeglichen, ich habe auch meinen Fahrstil angepasst - und trotzdem passiert es immer noch bei mir. Es gibt eigentlich keine Erklärung."

Frage: "Der Fahrstil war es also nicht?"
Sato: "Nein - und heute kann ein Fahrer auch grundsätzlich keine Motoren mehr kaputt machen, bei all der Elektronik... Auch Jensons Motor war ja nicht immer hundertprozentig in Ordnung. Wir bewegen uns auf einem sehr dünnen Seil - und irgendwie bleibt er immer oben und ich falle durch die eine oder andere Kleinigkeit runter."

Keine "Experimentalmotoren" für Sato

Frage: "Es gab ja auch Gerüchte, dass Honda bei ihnen ab und zu mal neue Dinge ausprobieren würde?"
Sato: "Das sind wirklich nur dumme Gerüchte. Wir sind mit beiden Motoren absolut gleich am Limit. Das ist die Formel 1 - da muss man überall am Limit sein."

Frage: "Wie waren ihre Erwartungen vor Saisonbeginn?"
Sato: "Wir wussten, dass wir stark sein würden, aber nicht unbedingt so stark. Das hatten wir ehrlich nicht erwartet. Wir wussten ja auch nicht, wie schnell die anderen sein würden. Aber zum Glück haben wir einen großen Schritt nach vorn gemacht und das war eine positive Überraschung."

"Ich wusste immer, was ich kann"

Frage: "Es gab ja einige Zweifel an Ihnen, viele glaubten, sie hätten ihren Platz im Team nur wegen Honda bekommen..."
Sato: "Ich selbst wusste immer, was ich kann. Ich habe an mich geglaubt und auch die Leute, die mich unterstützten. In der Formel 1 wird immer viel geredet, aber das ist mir eigentlich egal. Das zweite Jahr ist für einen Formel-1-Fahrer immer schwierig, aber ich hatte große Unterstützung durch das Team und deshalb bin ich auch sehr zuversichtlich in diese Saison gegangen."

Frage: " Sie geben also nicht allzu viel auf die öffentliche Meinung?"
Sato: "Nein, eigentlich nicht. Ich versuche natürlich, das Positive mitzunehmen und den Rest zu ignorieren. Ich glaube, in diesem Geschäft ist das die richtige Einstellung."

Testjahr bei BAR war für Sato wertvoll

Frage: "War der Schritt zurück von Jordan zum Testfahrer bei BAR 2003 eigentlich sehr schwierig für sie?"
Sato: "Ja, das war hart für mich. Denn für mich sind die Rennen alles. Rennen fahren ist mein Leben. Deshalb war es für mich sehr frustrierend, an der Strecke zu sein und im Rennen nicht zu fahren. Das ist sehr hart. Aber es war auch eine große Chance für mich, viel zu lernen. Das erste Jahr bei Jordan war zwar eine großartige Erfahrung, aber wir haben halt nicht viel getestet. Letztes Jahr habe ich dann viel getestet - und dabei gelernt, wie man ein Formel-1-Auto besser machen kann. Ich habe technische Erfahrung gesammelt und ein sehr gutes Verhältnis zum Team aufgebaut. Insofern war es ein sehr wichtiges Jahr für mich."

Frage: "Hatten sie je Zweifel, ob sie den Sprung zurück vom Test- zum Rennfahrer schaffen würden?"
Sato: "Man hat nie eine Garantie für die Zukunft. Aber ich habe an die Leute geglaubt, die mich unterstützen und ich habe schon gemerkt, dass es eine Möglichkeit geben würde. Und wenn man eine Chance hat, dann muss man sie ergreifen."

Zusammenarbeit der Nationen funktioniert laut Sato gut

Frage: "Liegt die Unterstützung im Team hauptsächlich auf japanischer Seite - oder genauso auch auf englischer?"
Sato: "Nein, das ist von beiden Seiten absolut gleich - die Atmosphäre hier im Team ist wirklich toll."

Frage: "Ist es für sie als Japaner eigentlich besonders schwierig, sich in der Formel 1 zu behaupten?"
Sato: "Natürlich gibt es allein die räumliche Trennung zu Asien. Aber ich habe England als Basis für meinen Einstieg in den Rennsport gewählt, und das war sicher richtig. Denn England ist nun mal das Mutterland des Motorsports, die britische Formel 3 hat mich in die Formel 1 gebracht, darauf bin ich auch stolz. Und jetzt in einem Britischen Team fühle ich mich auch sehr wohl. England ist inzwischen wirklich eine zweite Heimat für mich."

Interesse der Japaner an der Formel 1 wächst wieder

Frage: "Wie groß ist die Reaktion in ihrer ersten Heimat, Japan, auf ihre Erfolge?"
Sato: "Sehr groß, das Interesse dort an der Formel 1 ist wieder gewaltig gewachsen. Die Japaner fiebern wirklich mit mir mit, ich höre das immer wieder..."

Frage: "Wie wichtig wäre es für sie, als erster Japaner einen Grand Prix zu gewinnen?"
Sato: "Es wäre einfach für mich persönlich wichtig, nicht aus nationaler Sicht. Aber es würde natürlich auch dem japanischen Motorsport insgesamt helfen. Ich werde versuchen, es noch dieses Jahr zu schaffen."

Sato will "der Beste der Besten" sein

Frage: "Sie haben Jenson im Qualifying jetzt schon ein paar Mal besiegt. Wie viel Selbstvertrauen gibt das?"
Sato: "Vom rein fahrerischen Standpunkt aus ist das ein tolles Gefühl, man will immer möglichst alle schlagen. Und ich will der Beste der Besten sein, nicht nur gut. So ist es ein gutes Gefühl, schneller zu sein als dein Teamkollege. Aber das wichtigste ist, dass wir beide ganz vorne mitfahren und uns gegenseitig noch weiter pushen."

Frage: "Die Konkurrenz im Team ist aber noch eine gesunde Konkurrenz? Ist ihr Verhältnis zu Jenson Button noch immer so gut wie am Anfang?"
Sato: "Ja, es ist immer noch sehr gut. Wir arbeiten wirklich zusammen, tauschen komplett alle Daten aus, und wir haben auch Spaß zusammen. Aber trotzdem treiben wir uns auf der Strecke immer weiter an..."

Frage: "Er wird also nicht sauer, wenn er gegen sie verliert?"
Sato: "Nein, sauer wird er da nicht. Wenn ein Fahrer sich über etwas ärgert, dann über sich selbst. Nicht darüber, dass der Teamkollege schneller war..."

Button ist "nicht unbedingt" der Teamleader bei BAR

Frage: "Er ist jünger als sie, galt aber trotzdem vor Saisonbeginn als die Nummer 1 im Team. Ist das nicht eine schwierige Situation?"
Sato: "Nicht unbedingt. Okay, rein altersmäßig ist er jünger, aber er hat wahrscheinlich mehr als dreimal soviel Erfahrung wie ich in der Formel 1 und auch insgesamt eine längere Rennkarriere hinter sich. Er hat ja schon mit sieben oder acht Jahren angefangen, Kart zu fahren, ich habe erst mit 19 mit dem Rennsport begonnen. Ich sehe ihn nicht unbedingt als Teamleader, aber wenn er schneller ist, dann will ich lernen, warum..."

Frage: "Es gab zuletzt - auch von ihrem eigenen Teamchef - ein paar Vorwürfe, sie würden vielleicht zu viel wollen und deshalb öfter Fehler machen. Ist diese Kritik gerechtfertigt?"
Sato: "Das ist schwierig zu beurteilen. Ich glaube, ich habe einfach alles probiert. Ich hatte das Selbstvertrauen und ich hatte die Gelegenheit. Und in diesem Geschäft muss man sich immer am Limit bewegen. Das ist natürlich schwierig, aber wenn man die Herausforderung nicht annimmt, dann erreicht man auch nichts. Ich bin nur dann glücklich, wenn ich wirklich 100 Prozent gegeben habe."

"Manchmal geht es dann halt auch schief"

Frage: "Also nach dem Motto: Einfach mal probieren..."
Sato: "Beim Überholen muss heute jeder optimistisch sein. Manchmal geht es dann halt auch schief, aber das ist okay für mich. Das Limit zu erreichen, darum geht es..."

Frage: "Und wenn es dann schief geht?"
Sato: "Dann ist es wichtig zu analysieren, warum es schief gegangen ist und was genau falsch war; damit man den gleichen Fehler nicht noch einmal macht. Ab und zu passieren natürlich unnötige Dinge, wie der Trainingsunfall mit Massa in den USA. Ich wollte das wirklich nicht, wollte auch eigentlich gar nicht überholen, aber er hat halt einen Fehler gemacht, deshalb bin ich auf ihn aufgelaufen und ich dachte, es sei ganz natürlich, dass ich dann auch vorbeifahre, aber er hat das offenbar ein bisschen anders gesehen..."

Frage: "Und was ist da dann die Lehre daraus?"
Sato: "Es beim nächsten Mal anders zu machen, beim nächsten Mal mehr Abstand zu halten, denn es hat ja wirklich keinen Sinn, in einem freien Training etwas zu riskieren..."