Saisonanalyse Teil 9: Tiago Monteiro

Lesen Sie im neunten Teil unserer täglichen Saisonanalyse-Serie den Rückblick auf das Jahr von Jordan-Toyota-Pilot Tiago Monteiro

(Motorsport-Total.com) - Der Name Tiago Monteiro war vor der Formel-1-Saison 2005 in Europa nur den wenigsten Motorsportfans ein Begriff, dabei kam der Portugiese nicht gerade als unbeschriebenes Blatt in die Königsklasse, sondern als zweifacher Französischer Formel-3-Vizemeister, ehemaliger Renault-Nachwuchsfahrer - und vor allem mit ChampCar-Erfahrung.

Titel-Bild zur News: Tiago Monteiro

Einmal wie ein Grand-Prix-Sieger fühlen: Monteiro nach Platz drei in den USA

In Nordamerika stellte Monteiro 2003 sein Talent unter Beweis, als er sich beim ChampCar-Lauf in Mexiko-City die Pole Position sicherte und in St. Petersburg und Mid-Ohio mit Führungsrunden glänzte. Für die Experten war also klar: Da kommt einer daher, der genau weiß, wie er das Lenkrad drehen muss - zumal er 2004 mit fünf Einzelsiegen und dem Vizetitel in der Nissan-World-Series ein weiteres starkes Jahr folgen ließ.#w1#

Carlin schleuste Monteiro bei Jordan-Toyota ein

Der 29-Jährige ging damals für den Rennstall von Trevor Carlin an den Start und bekam so für die Saison 2005 plötzlich Zugang zur Formel 1, denn Carlin wurde von Midland-Milliardär Alexander Shnaider als Sportdirektor bei Jordan-Toyota eingesetzt. Monteiro durfte noch vor seinem ersten Rennauftritt in Melbourne ausgiebig testen, hatte aber mit dem EJ15 natürlich ein unterlegenes Fahrzeug, mit dem er sich nicht richtig in Szene setzen konnte.

Am ersten Grand-Prix-Wochenende zog er dann gegen seinen Teamkollegen Narain Karthikeyan überraschend klar den Kürzeren, weil er sich im Gegensatz zum ungestümen Inder nur langsam an das Limit herantastete und gleichzeitig gewisse Einstellungsprobleme auf den Formel-1-Stil hatte. Vor allem schaffte er es zunächst nicht, das Einzelzeitfahren in den Griff zu bekommen - und erst beim dritten Rennwochenende in Bahrain klassierte er sich im Qualifying erstmals vor Karthikeyan.

Anschließend ging es für Monteiro stetig bergauf, sodass er zumindest annähernd an die erwarteten Leistungen anschließen konnte. In Bahrain, Spanien, Monaco, am Nürburgring und in Kanada kam er jeweils vor dem zweiten Jordan-Toyota ins Ziel, ehe in den USA die ganz große Stunde schlagen sollte: Der Portugiese war im Qualifying um 0,3 Sekunden schneller als Karthikeyan - und belegte im Rennen bei nur sechs Startern als bester Nachzügler den dritten Platz.

Erster Podestplatz eines Portugiesen in der Formel 1

"Sechs Punkte sind sechs Punkte!" Tiago Monteiro

Natürlich war dies ein geschenktes Podium, aber der Jordan-Toyota-Pilot freute sich ungeachtet dessen wie ein kleines Kind: "Es war ein vollwertiges Rennen", sagt er noch heute. "Speziell für mich, Narain, Albers und Friesacher war es wie in jedem anderen Lauf. Meine direkten Konkurrenten waren vor Ort. Wir hatten uns nichts vorzuwerfen, Bridgestone hat einen guten Job gemacht. Wir sind für unsere Sponsoren und das Team gefahren - und sechs Punkte sind sechs Punkte!"

Mit gestärktem Selbstvertrauen setzte Monteiro in der Folge seine Serie von Zielankünften fort, ehe er im 17. Rennen wegen eines Elektronikdefekts erstmals stehen blieb - es sollte sein einziger Ausfall bleiben. Dennoch übertraf er mit dieser Beständigkeit einen uralten Rekord von Jackie Stewart, der vor ihm mit den meisten Zielankünften eines Formel-1-Neulings hintereinander in die Geschichtsbücher eingetragen war.

Tolle Vorstellung beim Regenrennen in Spa-Francorchamps

Sein persönliches Highlight, was die Leistung angeht, setzte der Rookie des Jahres 2005 in Spa-Francorchamps: Vom 19. Startplatz aus profitierte er im belgischen Regen von den strategischen Fehlgriffen und Ausfällen der Konkurrenz, während er selbst ein makelloses Rennen fuhr und dafür mit Platz acht und einem WM-Punkt belohnt wurde. Dass er zwischendurch auch einen Sauber-Petronas niederfighten konnte, war das Sahnehäubchen auf dem Eisbecher.

Ob seine zweifellos soliden, aber nicht wirklich überragenden Leistungen ausreichen werden, um auch 2006 ein Formel-1-Stammcockpit zu ergattern, ist dennoch mehr als fraglich. Sein Mentor Carlin ist nicht mehr im Team, und Teamchef Colin Kolles plant wohl eher mit Christijan Albers, Takuma Sato oder Anthony Davidson. Sollte allerdings das Honda-B-Team mit Sato/Davidson wirklich zustande kommen, darf Monteiro noch einmal hoffen...

Analyse der 'F1Total.com'-Experten:

Tiago Monteiro vor Narain Karthikeyan

Auch beim Regenrennen in Belgien hatte Monteiro seinen Teamkollegen im Griff Zoom

Marc Surer: "Monteiro hat mich am Anfang enttäuscht. Wegen seiner Routine hätte ich ihn stärker erwartet. Im Laufe der Saison hat er aber unglaublich aufgeholt - und seine Routine ausgespielt. Das zeigt sich auch darin, dass er das Auto bis auf einen Zwischenfall, für den er nichts konnte, immer ins Ziel gebracht hat. Der pure Speed scheint ihm aber zu fehlen."

Hans-Joachim Stuck: "Wäre ich Chef eines Langstreckenteams, würde ich Monteiro sofort verpflichten! Manchmal war sein Speed aber nicht überragend, und 18 Zielankünfte machen noch lange keinen Topfahrer aus. Ich halte Monteiro für nicht schlecht, aber er muss noch einiges dazulernen."

Statistiken zu Tiago Monteiros Saison:

Fahrerwertung: 16. mit 7 WM-Punkten (Gesamtübersicht)
Anzahl der gefahrenen Rennen: 19 (Gesamtübersicht)
Anzahl der Pole Positions: 0 (Gesamtübersicht)
Durchschnittlicher Startplatz: 17,1 (Gesamtübersicht)
Anzahl der schnellsten Rennrunden: 0 (Gesamtübersicht)
Bestes Ergebnis Qualifying: 11. (Brasilien)
Bestes Ergebnis Rennen: 3. (USA)
Gefahrene Führungsrunden: 0 (Gesamtübersicht)
Ausfallsrate: 5 Prozent (Gesamtübersicht)
Testtage: 15 (Gesamtübersicht)
Testkilometer: 3.806 (Gesamtübersicht)
Test-Tagesbestzeiten: 0 (Gesamtübersicht)