Saisonanalyse Teil 10: Christian Klien

Lesen Sie im zehnten Teil unserer täglichen Saisonanalyse-Serie den Rückblick auf das Jahr von Red-Bull-Cosworth-Pilot Christian Klien

(Motorsport-Total.com) - Während sich die Mehrheit des Fahrerfeldes im Winter in aller Ruhe auf die Saison 2005 vorbereiten konnte, wurde Christian Klien erst exakt zwei Wochen vor dem Trainingsauftakt in Melbourne über den Zuschlag für das zweite Red-Bull-Cosworth-Cockpit neben David Coulthard informiert. Diese Unsicherheit sollte sich anschließend wie ein roter Faden durch sein Jahr ziehen.

Titel-Bild zur News: Christian Klien

Christian Klien lebte das Fun-Image von Red Bull 2005 mit Leib und Seele

Auf seinen Schultern lastete ein umso höherer Druck, als sein Team von Anfang an klar machte, dass im Verlauf der Saison auch Vitantonio Liuzzi einmal zum Zug kommen würde. Vorgesehen war zunächst ein Intervall von jeweils drei Rennen - und in der Tat musste Klien nach dem dritten WM-Lauf in Bahrain erst einmal aussteigen. Was er bis dahin ablieferte, konnte sich jedoch sehen lassen, übertraf sogar die Erwartungen der meisten Experten.#w1#

Im Qualifying war Klien sogar stärker als Coulthard

Im Gegensatz zu 2004, als der Österreicher zwar beständig unterwegs war, aber gegen seinen damaligen Teamkollegen Mark Webber kein Land sah, setzte er sich 2005 gleich einmal mit einigen starken Qualifying-Leistungen in Szene: In Melbourne klassierte er sich im Einzelzeitfahren dank des Regens an sechster Position, in Sepang und Manama reichte es jeweils zu Platz sieben. Zu jenem Zeitpunkt schien seine Welt noch heil zu sein...

Vor der Aufwärmrunde zum Grand Prix von Bahrain - seinem bis dahin stärksten Formel-1-Wochenende überhaupt - quittierte allerdings die Technik des RB1 den Dienst, sodass Klien am Rennen, von dem er sich zum dritten Mal hintereinander Punkte erwartet hätte, gar nicht erst teilnehmen konnte. Doch es kam noch schlimmer: Beim Europaauftakt in Imola wurde er vom Team zum Zuschauen verdammt, weil Red Bull auch Liuzzi eine Chance geben wollte.

Der 22-Jährige, übrigens der jüngste Fahrer im Feld, begnügte sich vier Rennen lang mit der Rolle als Freitagstester, ehe er in Montréal mit einem glücklichen achten Platz in den Zirkus zurückkehrte, ohne jedoch an seine früheren Performances anknüpfen zu können. Klien verabsäumte es in der Folge bis Istanbul, wieder WM-Punkte zu sammeln, konnte aber seine Chefs mit dem Argument, die Pause habe ihn aus dem Rhythmus gebracht, dazu überreden, ihm das Cockpit weiterhin anzuvertrauen.

Im Finish der Saison trumpfte Klien noch einmal groß auf

Als er vom österreichisch-britischen Team endlich bis Saisonende bestätigt war, schien der Druck von ihm zu weichen - und plötzlich stimmten auch die Leistungen wieder: Klien fuhr in Spa-Francorchamps - mit drittschnellster Rennrunde -, Interlagos und Suzuka jeweils auf den neunten Platz, wurde beim Finale in Shanghai dank einer cleveren Strategie sogar Fünfter. Abgerundet wurde dieses starke Finish mit den Startpositionen sechs und vier im dritt- beziehungsweise vorletzten Grand Prix.

Der Red-Bull-Cosworth-Pilot dürfte damit sein A-Ticket für kommende Saison gelöst haben, zumal seine Bilanz gegen Coulthard ebenfalls einen guten Eindruck macht: In 18 gemeinsam bestrittenen Qualifyings war er elfmal schneller als der routinierte Schotte - nur im Rennen hatte er fast immer das Nachsehen. Gegenüber 2004 war aber auch hinsichtlich der Leistungen auf längere Distanzen eine klare Steigerung erkennbar.

Nur einer von vier Ausfällen war nicht technisch bedingt

Mit einer Ausfallsrate von nur 14 Prozent zählte der Youngster übrigens zu den beständigsten Piloten der Saison - nur viermal sah er nicht die Zielflagge: in Bahrain wegen des Defekts am Vorstart, in den USA wegen der Michelin-Problematik, in Frankreich wegen eines Benzindruckproblems und in Ungarn wegen einer unglücklichen Kollision mit einem Sauber-Petronas am Start, durch die sein Auto in einen harmlosen Überschlag torpediert wurde.

Die Steigerung Kliens gegenüber seiner Premierensaison im Grand-Prix-Sport kam für Insider übrigens nicht wirklich überraschend, denn auch in den Nachwuchsklassen zündete er seinen Turbo jeweils erst nach Anlaufschwierigkeiten: 2001 wurde er Gesamtdritter in der Formel BMW, nachdem er im Jahr zuvor nicht über Platz zehn hinausgekommen war, und 2003 kam er in der Formel-3-Euroserie erst nach dem Sieg in Zandvoort richtig auf Touren, was ihm noch den Vizetitel einbrachte...

Analyse der 'F1Total.com'-Experten:

Christian Klien

Einer der wenigen Zwischenfälle von Klien 2005: Trainingscrash in Brasilien Zoom

Marc Surer: "In den Qualifyings hat er gegen Jahresende auch mit schwerem Auto sehr überzeugt. Das sind Leistungen, die zeigen, dass er wirklich Potenzial hat. Das Beste von Christian Klien haben wir noch nicht gesehen, denke ich!"

Hans-Joachim Stuck: "Christian zählt für mich zu den Aufsteigern des Jahres. Trotz dieses ständigen Wechselspiels mit Liuzzi, das ihm vom Team auferlegt wurde, hat er eine sehr gute Leistung gebracht. Mit seinem fünften Platz in Shanghai hat er seine Reputation gefestigt. Wenn ich bei Red Bull etwas zu sagen hätte, würde ich ihn auf alle Fälle neben Coulthard ins zweite Auto setzen. Er ist es wert."

Statistiken zu Christian Kliens Saison:

Fahrerwertung: 15. mit 9 WM-Punkten (Gesamtübersicht)
Anzahl der gefahrenen Rennen: 14 (Gesamtübersicht)
Anzahl der Pole Positions: 0 (Gesamtübersicht)
Durchschnittlicher Startplatz: 10,9 (Gesamtübersicht)
Anzahl der schnellsten Rennrunden: 0 (Gesamtübersicht)
Bestes Ergebnis Qualifying: 4. (Japan)
Bestes Ergebnis Rennen: 5. (China)
Gefahrene Führungsrunden: 0 (Gesamtübersicht)
Ausfallsrate: 14 Prozent (Gesamtübersicht)
Testtage: 23 (Gesamtübersicht)
Testkilometer: 7.531 (Gesamtübersicht)
Test-Tagesbestzeiten: 1 (Gesamtübersicht)