Rückendeckung für Jack Doohan: Verhalten von Alpine "sehr unfair"!
Viele Fahrerkollegen stellen sich hinter Jack Doohan und finden, dass Alpine unfair mit dem Rookie umgegangen ist - Ralf Schumacher sieht Trennung folgerichtig
(Motorsport-Total.com) - Dass dieser Tag kommen würde, war schon vor der Saison vorgezeichnet, doch vor Imola hat Alpine den Schritt gewagt und Jack Doohan aus dem Auto genommen - nach gerade einmal sechs Saisonrennen.

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Für Jack Doohan ist die Formel-1-Zeit erst einmal beendet Zoom
Der Australier macht Platz für Franco Colapinto, der im Januar in das ohnehin schon prall gefüllte Ersatzkabinett der Franzosen aufgenommen wurde, was für viele schon als Zeichen gedeutet wurde, dass er irgendwann in dieser Saison zum Einsatz kommen würde.
Zusammen mit den wenig ermutigenden Aussagen von Flavio Briatore vor der Saison stand Doohan von Anfang an unter enormem Druck. Und an diesem Druck scheiterte der Youngster schließlich. Doohan leistete sich mehrere schwerwiegende Fehler und wurde mit leerem Punktekonto ausgetauscht.
Und dennoch wirkt diese Maßnahme für viele Fahrer im Feld hart - vor allem da Colapinto im vergangenen Jahr ebenfalls einige schwere Unfälle hinlegte und Williams' Reparaturkosten in die Höhe trieb.
Vor allem Doohans Mitrookies fühlen mit dem 22-Jährigen, der bei Alpine von Anfang an einen schweren Stand hatte: "Ich denke, es ist in so einer Situation sehr schwer, wenn man diesen Druck schon ab dem ersten Rennen spürt", meint Haas-Rookie Oliver Bearman vor dem Grand Prix in Imola.

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Oliver Bearman fühlt mit seinem Rookie-Kollegen mit Zoom
"Ich kann mir nur vorstellen, dass das eine schreckliche Situation ist, und ich finde, seine Behandlung war sehr unfair", kritisiert der Engländer die Aktion von Alpine.
Bearman weiß, wie schwer es Rookies in der Formel 1 vor allem im ersten Viertel der Saison haben. "Ich glaube, bei vier der sechs Strecken waren es neue für uns Rookies", sagt er - tatsächlich sind es mit China, Japan und Miami aber nur drei.
Und dennoch: "Wir hatten zwei Sprintrennen, die für uns als Rookies noch schwieriger sind. Und bevor er überhaupt in die Europasaison kommt, wo er die Strecken kennt, ist er schon wieder aus dem Auto", schüttelt der Haas-Pilot den Kopf und bezeichnet die Situation als "unglaublich hart".
Antonelli: Besseres Auto, weniger Druck von außen
Manche sagen, dass man, wenn man schnell und talentiert genug ist, sich ohnehin durchsetzt. Das stimmt bis zu einem gewissen Grad, aber in der modernen Formel 1 gibt es viele Nuancen und Vorbehalte.
Zum Beispiel verweisen manche auf den sofortigen Eindruck, den Mercedes-Rookie Andrea Kimi Antonelli hinterlassen hat.
Doch wie in der offiziell abgesegneten Dokumentation "The Seat" zu sehen ist, profitierte Antonelli von so viel Testzeit, wie das Reglement erlaubte, einem durchdachten Vorbereitungsprogramm abseits der Strecke mit Renningenieur Peter Bonnington und einem deutlich wärmeren und unterstützenderen Umgang durch den Teamchef.
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Auch auf Bearmans drei Grands Prix als Ersatzmann im Vorjahr kann man schauen, als er einem beeindruckenden, schnellen und souveränen Debüt bei Ferrari in Dschidda zwei weniger auffällige Einsätze für Haas folgen ließ.
"Es lässt sich nicht leugnen, dass Autos, die weiter vorn im Feld sind, einfacher zu fahren sind", sagt Bearman. "Da ist die Aero-Plattform des Autos robuster, und dadurch ist man weniger fehleranfällig." Das merke er auch an sich selbst, denn obwohl er mehr Erfahrung besitzt, mache er deutlich mehr Fehler als bei seinem Debütrennen im vergangenen Jahr.
"Ich finde, dieser Trend, Leute sofort rauszuwerfen, ist ein bisschen hart. Besonders bei einem Rookie, einem Kerl mit nicht viel Erfahrung - sechs Rennen sind eine ziemlich große Herausforderung. So sehe ich das jedenfalls", sagt der Haas-Pilot.
Lawson: "Leider ist das Geschäft gnadenlos"
Auch Rookie-Kollege Isack Hadjar, der die eher bescheidenen Erwartungen der Red-Bull-Verantwortlichen vor Saisonbeginn offenbar übertroffen hat, äußert sich ähnlich: "Schon vor der Saison hatte das einen schlechten Beigeschmack, weil ich denke, dass er mit vielen Druck-Erwartungen in die Saison gegangen ist", sagt er.
"Das ist also nicht wirklich ein gutes Umfeld, und es fühlt sich ziemlich unfair an, denn - nun ja, nach sechs Rennen hatte er nicht viel Zeit, etwas zu zeigen - und es ist ja nicht so, als hätte er eine Rakete gefahren", meint der Franzose.
Einer, der Ähnliches in dieser Saison erlebt hat, ist Liam Lawson. Der Neuseeländer bekam bei Red Bull sogar nur zwei Rennen, bevor er rausgeschmissen wurde. Im Gegensatz zu Doohan hat er bei den Racing Bulls aber noch ein Auffangbecken und darf weiter mitfahren.
"Für ihn ist das natürlich sehr hart", sagt Lawson. "Wie kann man in fünf Rennen alles zeigen, was man draufhat, besonders in der Rookie-Saison? Leider ist das Geschäft sehr gnadenlos", weiß er und findet, dass Doohan "genug getan" hat, um in der Formel 1 dabei zu sein. "Aber bei nur 20 Cockpits ist es extrem schwer. Jedes Team trifft seine eigenen Entscheidungen."
McLaren-Pilot Oscar Piastri, der sich damals gegen das Cockpit bei Alpine entschieden hatte, versucht Doohan nach seinem Aus aufzubauen: "Ich denke, Jack kann stolz auf das sein, was er erreicht hat", sagt er. "Er hat es trotzdem in die Formel 1 geschafft, und das kann ihm niemand nehmen."
Kosteten viele Fehler Doohan das Cockpit?
"Ich finde es schade, dass man so mit ihm umgegangen ist", nimmt Sky-Experte Timo Glock derweil Alpine ins Visier. Der frühe Test von Franco Colapinto sei so "klar und offensichtlich" in eine Richtung gegangen, "dass es nur eine Frage der Zeit war, wann man ihn ersetzt".
"Ich kann mich nicht erinnern, dass es das in meiner Zeit schon einmal gab", so der Deutsche.
Aber - und da kommt man zur anderen Seite der Medaille - Jack Doohan hat auch wenig Argumente geliefert, die Alpine davon überzeugen konnten, ihn im Cockpit zu belassen. "Am Ende hat er Fehler gemacht", weiß Glock.
In Australien und Miami beendete er das Rennen jeweils bereits in der ersten Runde mit einem Unfall, in China sammelte er Strafpunkte bei einer Kollision mit beiden Sauber im Sprint - und dann wäre da ja auch noch die Sache in Japan, als Doohan im Training versucht hatte, die erste Kurve mit offenem DRS zu durchfahren - ein verhängnisvoller Fehler.
"Das war völlig chaotisch", kritisiert auch Ralf Schumacher bei Sky und meint, dass Doohan "überfordert" gewesen sei - auch wenn Alpine für ihn eine Rolle dabei gespielt hat.
Ralf Schumacher: Doohan nach Shootout gebrandmarkt
Für ihn hatte Doohan eigentlich im Gegensatz zu vielen anderen "eine Riesenchance", die er einfach nicht nutzen konnte. "Alpine hat ja dieses alte Auto, man hat ihn viel testen lassen, weit über 10.000 Kilometer", meint er.
Und dann gab es ja diesen ominösen Shootout-Test mit Mick Schumacher im vergangenen Jahr, nach dem man sich gegen den Deutschen und für Doohan entschieden hatte - weil er angeblich schneller gewesen sein soll.
Laut Schumacher entsprach das, was kommuniziert wurde, aber nicht der Wahrheit. "Sondern er war einfach weit weg, speziell im Longrun", sagt er, wobei niemand von außen die genauen Bedingungen des Tests damals kennt. Für ihn war es daher "schon in Stein gemeißelt", dass es für Doohan so laufen würde.
"Es sei denn, manchmal geht der Knopf auf bei einem Rennfahrer, das weiß man ja vorher nicht. Der ist aber nicht aufgegangen."
Daher hält der Ex-Pilot die Entscheidung von Alpine für legitim. "Ich glaube, Flavio und die Fahrer wussten, was sie tun. Ich glaube nur, die Kommunikation war falsch", sagt er. Jetzt Colapinto im Hinblick auf das kommende Jahr zu testen, weil man sich dann besser aufgestellt sieht, "ist ein Plan und auch ein Konzept".
"Was will Alpine jetzt hier gewinnen oder nicht? Also alles, was man jetzt macht, ist neue Leute an Bord bekommen und sich den besten Fahrer rauszuholen", so Schumacher.
Colapinto sieht "großartige Chance"
Ob es Colapinto besser machen wird, wird die Zeit zeigen. Denn auch für ihn wird es nicht leicht werden, glaubt Piastri. Zwar hat der Argentinier etwas Vorerfahrung aus dem vergangenen Jahr, doch auch er hat erst einmal die Ansage, dass er fünf Rennen Zeit bekommt. "Das sind auch keine einfachen Umstände, um zurück in die Formel 1 zu kommen", sagt er.
Colapinto selbst versucht es positiv zu sehen und sagt, dass er es als "großartige Chance" wahrnimmt. "Ich bin glücklich, in der Formel 1 zu sein. Ich denke nicht in 'fünf Rennen' - ich bin einfach in einer guten Stimmung und gehe gut mit der Situation um."
Doch auch wer weiß, dass fünf Rennen nicht viel sind - vor allem wenn man sieht, wie Fahrer wie Carlos Sainz und Lewis Hamilton nach ihren Teamwechseln zu kämpfen haben. "Ich bin insgesamt erst neun Formel-1-Rennen in meinem Leben gefahren. Es wird also wahrscheinlich ein paar mehr als fünf brauchen, um auf Tempo zu kommen und wirklich alles aus dem Auto herauszuholen."
"Aber das ist nun mal die Situation. Ich will einfach das Beste daraus machen, es genießen und das Beste für das Team geben", so Colapinto, der gleichzeitig betont, dass die Umstände "nie schön" sind, "wenn man so ins Auto eines anderen Fahrers steigt".
"Aber man kann sich den Moment, in dem man in der Formel 1 landet, nicht aussuchen. Ich nehme die Chance einfach an, versuche mein Bestes zu geben und alles für das Team herauszuholen."


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