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  • 20.08.2001 10:59

  • von Marcus Kollmann

Ross Brawn: "Die Fortsetzung eines Traums"

Der Engländer äußert sich über die in Ungarn verteidigte Weltmeisterschaft und die Zukunftspläne ausführlich im Interview

(Motorsport-Total.com) - Nachdem Michael Schumacher nach 1 Stunde 41 Minuten und 49 Sekunden am gestrigen Sonntag den Großen Preis von Ungarn gewonnen hatte und Rubens Barrichello 3 Sekunden später als Zweiter die Ziellinie überquerte, war der Scuderia Ferrari das Ziel der Titelverteidigung bereits im dreizehnten Formel-1-Rennen der insgesamt siebzehn Grand Prix umfassenden FIA-Formel-1-Weltmeisterschaft gelungen. Beigetragen zum Doppelerfolg und Sieg Schumachers hatte auch die angewandte Zwei-Stopp-Strategie Ferraris, für welche wie immer Ross Brawn, der technische Direktor des Teams aus Maranello, verantwortlich war.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn (Technischer Direktor)

Ross Brawn will mit Ferrari noch weitere Erfolge erreichen

Nach dem Erfolg in Ungarn sprach der Engländer darüber, was die Titelverteidigung für ihn persönlich bedeutet und welcher Herausforderung sich Ferrari stellte und was man in Zukunft noch erreichen möchte.

"Abgesehen von der Herausforderung, jedes Jahr ein neues Auto zu bauen, haben wir uns in den letzten Jahren immer der Herausforderung, bis zum letzten Rennen der Saison um den Titel kämpfen zu müssen gestellt. Wir mussten deshalb gleichzeitig den F2001 weiterentwickeln während wir schon am neuen Auto arbeiteten. Ich denke, dass das zeigt, wie leistungsfähig wir sind. Es gibt viele Teams, die zu einem gewissen Punkt in der Saison erkennen und befinden, dass sie am Maximum angelangt sind und sich deshalb nicht mehr dem aktuellen Auto sondern schon dem für das nächste Jahr widmen. Wir selbst, McLaren und Williams können uns so etwas aber nicht leisten. Ich bin zufrieden, dass Ferrari die Stärke besitzt um gleichzeitig am alten und neuen Auto arbeiten zu können. Ich glaube, dass der F2001 das beste Auto ist, welches wir - seit ich bei diesem Team bin - je gebaut haben", so Brawn.

Der Engländer weiter über die Gründe, welcher seiner Meinung nach der Scuderia zu neuer, alter Stärke verholfen haben: "Wir sind ein gut organisiertes Team welches in der Führungsebene Konstanz als sehr wichtig erachtet. Das bedeutet, dass wir alle uns über unsere Stärken und Schwächen im Klaren sind. Es war das Wissen, dass Ferrari sich als Ziel gesetzt hat für viele Jahre stark zu sein, weshalb ich froh war meinen Vertrag bis 2004 zu verlängern. Wir haben uns Rorys Auto vom letzten Jahr angeschaut und die verschiedenen Bereiche genau betrachtet, um so herauszufinden wo wir bessere Lösungen finden müssen würden. Der F2001 war mehr eine Evolution als denn eine Revolution, aber eine gute Evolution. In den letzten Jahren sind unsere Autos von Jahr zu Jahr immer besser geworden und der Bolide für die kommende Saison sollte noch stärker und besser als der F2001 werden."

Zur Titelverteidigung sagte Brawn, der mit seiner Familie von England nach Italien zog, um sich so komplett auf seine Arbeit für Ferrari konzentrieren zu können: "Es ist wie die Fortsetzung eines Traumes. Wir haben in den letzten drei Jahren drei Mal die Konstrukteursweltmeisterschaft und zwei Mal die Fahrerweltmeisterschaft gewonnen. Dies haben wir erreicht, weil wir uns alle der Sache und einander total verschrieben haben. Dieses Gefühl, diese Erfahrung ist einfach unglaublich."

Die Boxenstopps spielten im 77 Runden langen Rennen auf dem Hungaroring eine wichtige Rolle. Sowohl Michael Schumacher als auch Rubens Barrichello waren jeweils auf einer Zweistoppstrategie ins Rennen geschickt worden. Während die Stopps bei Schumacher in Runde 27 und Runde 51 mit einer Standzeit von 8,4 beziehungsweise 8,6 Sekunden dafür sorgten, dass der Deutsche, nachdem die Konkurrenz ebenfalls an der Box gewesen war, wieder die Führung einnahm, war Rubens Barrichello nach seinem ersten Boxenstopp um eine Position zurückgefallen. "Als David durch den Stopp an Rubens vorbeiwar, war ich ein wenig angespannt, denn David fuhr einige Runden verdammt schnell. Ich habe Michael über den Boxenfunk über die Abstände informiert und ihn gebeten etwas schneller zu fahren. Danach war dann David wieder ein wenig langsamer. Kurze Zeit später konnte sich Rubens den zweiten Platz durch seinen zweiten Stopp zurückholen. Es war ein gutes Rennen für uns, jedoch ist man immer angespannt wenn so viel auf dem Spiel steht", schilderte Brawn die spannenden Sekunden, als David Coulthard mit Rubens Barrichello im Getriebe seine Runden zog und der Brasilianer sich den Schotten beim letzten Boxenstopp wieder schnappte.

Brawn, zusammen mit Rory Byrne, Michael Schumacher und Jean Todt als neues Dreamteam gefeiert, erwartet auch in den kommenden Jahren eine starke Scuderia, denn das Team aus Maranello will die Königsklasse zusammen noch ein wenig dominieren.

"Haben wir den besten Ferrari schon konstruiert? Ich hoffe nicht! Ich hoffe, dass wir uns noch steigern können. Nach unserem Titelgewinn im letzten Jahr dachten alle, dass wir uns auf den Lorbeeren ausruhen würden, jedoch hat jetzt - glaube ich - jeder gesehen, was wir zu erreichen beabsichtigen. Ich denke, dass wir das nächste Jahr einen aufregenden Boliden mit zwei sehr guten Fahrern und einem guten Team an den Start schicken werden", macht der Engländer der Konkurrenz schon jetzt deutlich, dass diese sich warm anziehen muss.

Auch Michael Schumacher sieht Brawn noch längst nicht am Ende seiner Leistungsfähigkeit angelangt: "Michael wird einfach immer besser. Er ist der wesentliche Teil des Teams. Er ist ein großer Bestandteil bei Ferrari und so wertvoll und wichtig. Ich denke, dass die Tatsache, dass einige unserer Gegner zu Saisonbeginn mit Problemen kämpften, uns geholfen hat, dennoch war der Gewinn dieser Weltmeisterschaft kein Spaziergang. Der Druck war größer als im letzten Jahr denn wir hatten so lange Zeit ja nicht gewonnen. Die Titel so früh verteidigt zu haben ist ein toller Bonus. In den letzten vier Rennen werden wir uns nun darauf konzentrieren, Rubens Platz zwei in der Fahrerwertung zu ermöglichen. Der Schlüssel zur Titelverteidigung waren ein von Beginn des Jahres an fantastisches Auto und eine gute Zuverlässigkeit", so Brawn abschließend.