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Ricciardo: "Kann diesen siebten Platz wiederholen"

Daniel Ricciardo erklärt, was er für ein Red-Bull-Cockpit leisten müsste, wieso er Mark Webber so dankbar ist und warum er nach dem China-Erfolg am Boden bleibt

(Motorsport-Total.com) - Nach einem misslungenen Saisonstart war Daniel Ricciardo bei Toro Rosso gegen seinen Teamkollegen Jean-Eric Vergne bereits ins Hintertreffen geraten, doch in China meldete sich der "Aussie" mit einem blitzsauberen Wochenende und Platz sieben in Qualifying und Rennen eindrucksvoll zurück. In der Medienrunde vor dem Grand Prix von Bahrain erklärt er, wie Helmut Marko auf seine Leistung reagiert hat, warum er nach starken Qualifyings inzwischen die Nerven behält und was er davon hält, dass die Reifen die Formel 1 dominieren.

Titel-Bild zur News: Daniel Ricciardo

Das Grinsen ist noch breiter geworden: Ricciardo strotzt vor Selbstbewusstsein Zoom

Frage: "Daniel, wie hast du die letzten Tage nach deinem großartigen siebten Platz verbracht?"
Daniel Ricciardo: "Ich ließ es jede Nacht krachen - nur Tequila und Whiskey. Es war wirklich intensiv!"

Frage: "Mit Red Bull, schätze ich..."
Ricciardo: "Ja (lacht). Ich hatte am Sonntagabend meinen Flug, also habe ich versucht zu schlafen, um mich an die Zeitzone zu gewöhnen. Ganz ehrlich - ich habe keine Party gefeiert. Ich meine: Es war ein siebter Platz. Für das Team ist das natürlich großartig, aber ich habe kein Rennen gewonnen. Ich denke nicht, dass das rechtfertig, dass man die Nacht zum Tag macht. Ich habe den Jungs nach dem Rennen gratuliert. Ihre Hilfe hat mir das ermöglicht, und das war es. Am Montag kam ich hier an, habe im Hotel etwas entspannt. Das war wahrscheinlich meine Belohnung: am Pool entspannen."

Frage: "Von außen betrachtet wirkte China wie ein Meilenstein. Du hast dich weit vorne qualifiziert - wie in Bahrain im Vorjahr, als dann alles schieflief -, aber du hast dich im Rennen stark gehalten. Hast du auch dieses Gefühl und weißt du, wie du das wieder abrufen kannst?"
Ricciardo: "Ja, ehrlich gesagt habe ich mich nach dem Qualifying-Ergebnis ruhig verhalten, denn der Sonntag lag immer noch vor mir. Der Sonntag lief hier im Vorjahr bekanntlich nicht so gut, aber tief drinnen wusste ich, dass ich das im vergangenen Jahr eigentlich gelernt haben sollte. Ich war vorsichtig optimistisch, als ich ins Rennen ging, und einfach aufgeregt, dieses Wochenende zu einem guten Ende zu bringen. Die Reifenstrategie war natürlich ein Fragezeichen, denn wir begannen mit den weichen Reifen, aber es hat funktioniert. Ich war bereit, das nach Hause zu bringen."

"Ich werde einfach dieses Selbstvertrauen und diesen Schwung nutzen, um so weiterzumachen." Daniel Ricciardo

"Wie kann ich das jetzt wiederholen? Ich werde einfach dieses Selbstvertrauen und diesen Schwung nutzen, um so weiterzumachen. Ich glaube, das Team hat viel gelernt, und hoffentlich können wir uns weiterhin verbessern. Das Selbstbewusstsein, der Glaube an mich selbst - diese Faktoren sind definitiv da. Ich bin sicher, dass ich das mit den richtigen Werkzeugen wiederholen kann."

Ricciardo: China-Ergebnis war verdient

Frage: Gehst du mit diesem Ergebnis im Rücken jetzt anders in das Rennwochenende?"
Ricciardo: "Ich denke, dass die Herangehensweise vielleicht etwas entspannter ist, aber ich muss da definitiv eine Balance finden. Wenn ich zu entspannt bin und damit rechne, wieder Siebter zu werden, dann wäre das ein großer Fehler. Ich muss auf jeden Fall dafür arbeiten, in die Top 10 kommen. Ich rechne nicht damit, dass mir diese Platzierungen zufliegen werden. Die Last auf meinen Schultern ist jetzt auf jeden Fall etwas leichter, und meine Saison ist jetzt endlich ordentlich in die Gänge gekommen, nachdem ich zwei sehr schwache Wochenenden hatte. Wir müssen weitermachen, aber die Last ist jetzt auf jeden Fall geringer."

Frage: "Wird dieses Wochenende schwieriger als China, weil hier die Hinterachse wichtig ist und das nicht unbedingt die Stärke eures Autos ist?"
Ricciardo: "Ja, es ist für uns immer etwas schwieriger, wenn es sich um eine hecklastige Strecke handelt. Ich schätze, dass die Jungs mit mehr Abtrieb da besser aussehen. Andererseits war der Abbau der Reifen in Malaysia an der Hinterachse enorm, und mein Rennen lief nicht optimal, aber JEV (Jean-Eric Vergne, Anm.) hatte ein ziemlich starkes Rennen. Wie gesagt - wir können nicht erwarten, wieder Siebter zu werden, so einfach wird das sicher nicht, aber ich denke, dass wir auf jeden Fall um Punkte kämpfen können. Ich glaube daran, dass wir wieder konkurrenzfähig sein werden."

Daniel Ricciardo, Christian Nimmervoll

Ricciardo im Talk mit 'Motorsport-Total.com'-Chefredakteur Christian Nimmervoll & Co. Zoom

Frage: "Glaubst du, dass ihr, wenn an einem Wochenende alles zusammenpasst, ungefähr dort steht, wo ihr in China wart, oder ist das ein schlechter Gradmesser?"
Ricciardo: "Ich denke, dass wir diese Leistung auf jeden Fall noch einmal wiederholen müssten, damit wir wissen, wo wir stehen. Wir sind in Qualifying und Rennen auf Platz sieben gelandet - und zwar ziemlich verdient. Ich denke nicht, dass das auf Glück zurückzuführen ist. Gut, Webber hatte seine Probleme und Rosberg auch, aber wir konnten mit Rosberg im Rennen ziemlich gut mithalten - zumindest in den ersten paar Runden haben wir gut ausgesehen. Ich denke, dass wir Platz sieben erobert haben, weil wir schnell genug waren. Es kann aber auch sein, dass das eine Eintagsfliege war - das weiß man nie. Wir wollen es wiederholen, dann wissen wir es. Ich denke aber, dass es zumindest in China ein repräsentativer Gradmesser unserer Konkurrenzfähigkeit war."

Der Weg zum Red-Bull-Cockpit

Frage: "Wie viele solche Ergebnisse musst du noch einfahren, damit du nächstes Jahr zu Red Bull wechselst?"
Ricciardo: "Ein paar mehr, ein paar mehr (lacht). Man verfällt sehr schnell in Euphorie, aber es ist immer noch ein siebter Platz. Es handelt sich nicht um einen Podestplatz. Ich muss auf jeden Fall Konstanz beweisen, und wirklich dafür sorgen, dass ich Sonntage wie in China wiederholen kann. Wenn mir diese Konstanz in etwas so gelingt wie Ende vergangenen Jahres und ich vor JEV ins Ziel komme, dann wird mir das sicher nicht schaden. Ich muss aber auf jeden Fall noch warten, bevor ich an der Tür anklopfen kann."

Frage: "Es ist ein großes Thema, dass Rookies nicht genug Erfahrung auf der Strecke sammeln können, um sich an die Formel 1 zu gewöhnen. Du hattest 2011 eine halbe und 2012 eine ganze Saison - hast du die Zeit auf der Rennstrecke sehr vermisst?"
Ricciardo: "Kein zusätzlicher Kilometer schadet einem. Man muss aber auch dazu sagen, dass Testen eine Sache ist und das Rennwochenende eine andere. Die sechs Monate mit HRT waren wirklich gut, um zu verstehen, wie ein Rennwochenende abläuft und um wirklich dabei zu sein. Testen hilft dir zu 80 Prozent, aber 20 Prozent kann man nur am Sonntag da draußen auf der Strecke lernen. So sieht es derzeit aus."


Fotos: Großer Preis von Bahrain


Frage: "Reden wir über die Natur des Rennfahrens mit diesen stark abbauenden Reifen. Dadurch ist es natürlich für ein Team wie deines einfacher, gegen die Topteams ein gutes Ergebnis zu holen. Magst du diese Reifen, weil sie dir mehr Chancen bieten oder würdest du bei den Rennen lieber 100 Prozent geben können?"
Ricciardo: "Gewissermaßen hätte ich beides gerne. Natürlich würde ich gerne da draußen das ganze Rennen lang pushen. Das ist die eine Seite, und das wäre wirklich schön. Gleichzeitig ist es aber auch wirklich schön, wenn man sieht, dass der Kerl vor einem plötzlich Reifenprobleme kriegt und man eine Sekunde pro Runde aufholt. Ich schätze, dass es davon abhängt, auf welcher Seite du stehst - ob du der unter abbauenden Reifen leidest oder nicht."

"Es ist wirklich schön, wenn man sieht, dass der Kerl vor einem plötzlich Reifenprobleme kriegt und man eine Sekunde pro Runde aufholt." Daniel Ricciardo

"Ich würde liebend gerne 100 Prozent geben und immer pushen, aber es ist auch eine schöne Herausforderung, auf die Reifen aufzupassen. Das spielt sich im Kopf ab - man sagt: Wenn ich um so und so viel pro Runde langsamer fahre, dann kann ich vielleicht drei oder vier Runden länger fahren. Das ist eine Rechnerei, und ein anderer Teil des Sports, der es interessant macht. Ich habe diese Erfahrungen in den Nachwuchsformeln nicht gemacht, und ich würde nicht sagen, dass es für Langeweile sorgt. Es tragt etwas bei - sorgt für mehr Optionen. Man kann das Rennen wirklich steuern."

Anforderungen durch Reifen nicht Formel-1-würdig?

Frage: "Aber werden da die Kernqualität eines Rennfahrers gefordert, wenn man so fährt, oder ist es einfach eine andere Art der Herausforderung?"
Ricciardo: "Auf eine gewisse Art und Weise muss man wirklich sagen, dass es das ganze etwas einfacher macht - vor allem auf die Distanz. Wenn man mit Jenson über sein Wochenende spricht, dann wird er wahrscheinlich sagen, dass er das gesamte Rennen lang nie pusht und einfach versucht, sauber und ruhig zu fahren. So gesehen muss man vielleicht kein absoluter Top-Formel-1-Pilot sein, um die Reifen zu schonen. Das passt vielleicht nicht ganz zur Formel 1. Ich schätze, dass unsere Rundenzeiten zu gewissen Zeiten auf GP2-Niveau sind. Es wäre schön, wenn wir immer noch das Extrem der Formel 1 hätten, aber es ist jetzt eben so wie es ist. Natürlich fährt man manchmal durch eine Kurve und man denkt sich: Das fühlt sich jetzt schon etwas langsam an, ich würde gerne schneller fahren."

Frage: "Ich bin mir sicher, dass du nach China mit Helmut Marko gesprochen hast. Ich bin auch ziemlich sicher, dass er verhindern wollte, dass du nach dem Ergebnis abhebst."
Ricciardo: "Ja, ich war sehr kurz angebunden. Ich habe ihn gesehen, er hat mir die Hand geschüttelt und gesagt: gutes Rennen! Das war es. Ich weiß auch selbst, dass es ein gutes Rennen war, aber wenn ich in der restlichen Saison kein ähnliches Rennen mehr fahre, dann war es absolut zwecklos. Er hat die Leistung anerkannt, aber ich hatte auch den Eindruck, dass es gut war, aber dass ich das wiederholen muss. Das ist die Realität."

"Helmut Marko hat die Leistung anerkannt. Ich hatte auch den Eindruck, dass es gut war, aber dass ich das wiederholen muss." Daniel Ricciardo

"Wie gesagt - ich habe den Montag am Pool genossen, aber das ist jetzt Vergangenheit, und ich muss mich auf dieses Wochenende konzentrieren. So ist es, wenn man in einer Konkurrenzsituation ist und der Beste sein will. Man darf nicht zu lange euphorisch sein, außer man befindet sich am Saisonende und hat gerade den WM-Titel gewonnen."

Frage: "Mark Webber feiert hier mit dem 200. Grand Prix sein Jubiläum. Ihr seid beide Australier. Unterscheidet sich eure Beziehung auf irgendeine Art und Weise oder ist es wie mit jedem anderen Fahrer?"
Ricciardo: "Wenn ich unter den Fahrern Freunde habe, dann zählt er definitiv dazu. Wir stammen aus dem gleichen Land, und das verbindet uns. Dadurch haben wir abseits des Rennsports ein gemeinsames Gesprächsthema. Wie sieht es zuhause aus? Solche Dinge... Dadurch haben wir etwas gemein. Er stammt aus einer völlig anderen Ära, ist gegen ganz andere Piloten in den Nachwuchsformeln gefahren. Als Australier hat er aber definitiv sehr viel für den Sport getan. Das sage ich jetzt nicht so dahin."

"200 Grands Prix - das ist bemerkenswert. Er hat mir und mit Sicherheit vielen anderen Kinds viel Hoffnung gegeben. Die Hoffnung, dass es nicht unmöglich ist, in die Formel 1 zu kommen, denn eine Zeitlang machte es für Australier den Eindruck. Er war immer nett zu mir, war immer offen und hat mir Ratschläge gegeben. Wenn es um die Formel 1 geht, dann war er sehr nett zu mir."