• 15.04.2002 15:50

  • von Fabian Hust

Rennanalyse Imola: Alarmstufe Rot!

Der Große Preis von San Marino in Imola dürfte bei der Konkurrenz von Ferrari für schlaflose Nächte sorgen

(Motorsport-Total.com) - Auf einer Strecke, die Ferrari in den vergangenen Jahren nie besonders gut gelegen war, konnte das Weltmeisterteam gleich das Auftaktrennen mit dem F2002 gewinnen. Die Rede ist natürlich von Interlagos. Und im zweiten Rennen, bei dem auch Rubens Barrichello das neue Auto endlich einsetzen konnte, fuhr nicht nur Michael Schumacher der Konkurrenz um die Ohren, sondern auch der Brasilianer, was der Konkurrenz doppelt zu denken geben dürfte. Spätestens jetzt weiß jeder, dass das neue Auto so gut ist, wie man im Winter immer behauptet hatte.

Titel-Bild zur News: Start in Imola

Klare Hackordnung in Imola: Ferrari führt die gesamte Konkurrenz an

Ferrari ? 40 Punkte ? WM-Platz 1
Von einem "Wunderauto" zu sprechen, wäre sicherlich übertrieben, aber der F2002 ist auf jeden Fall ein verblüffend gutes Auto. Sowohl Michael Schumacher als auch Rubens Barrichello verfügten im Rennen über ein beängstigend gut ausbalanciertes Auto. Wo andere Piloten in den engen Kurven an Untersteuern litten und im Kurvenausgang Übersteuern beklagten, lag der Ferrari wie auf Schienen. Die Piloten konnten mit dem Auto beinahe so fahren wie mit einem PKW im Straßenverkehr. Geruhsame Lenkbewegungen ohne Korrekturen waren die Folge.

Und egal ob mit viel Sprit in der ersten Rennhälfte oder in der zweiten Rennhälfte mit weniger Sprit ab Bord ? das Auto war der Konkurrenz um Welten überlegen. Rubens Barrichello stellte mit 1:24.170 Minuten einen neuen Streckenrekord auf, während Michael Schumacher in Führung liegend wegen seines großen Vorsprungs keinen Grund hatte, so schnell zu fahren aber dennoch mit rund 20 Sekunden vor Ralf Schumacher ins Ziel kam.

Schumachers schnellste Runde war um 0,111 Sekunden langsamer als jene von Barrichello. Hut ab, der Brasilianer war an diesem Wochenende im Vergleich zum vierfachen Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher verdammt gut. Nicht nur im Qualifying sogar auch im Rennen war der bisher nur einfache Grand-Prix-Sieger eine echte Konkurrenz für Michael Schumacher. Nur die Tatsache, dass Barrichello den Start gegen Ralf Schumacher verlor, bescherte Schumacher ein einfaches Rennen.

Vergleicht man die Rundenzeiten der Michelin-Autos mit jenen von Bridgestone, so kann man zum Fazit kommen, dass der Hauptanteil beim Sieg von Imola den japanischen Reifen zuzuschreiben ist, denn Sauber-Pilot Nick Heidfeld fuhr mit den japanischen Pneus wesentlich schnellere Rundenzeiten als die McLaren-Mercedes auf den Michelin-Gummies. Heidfeld war bis auf ein paar wenige Zehntel sogar auf BMW-Williams-Niveau unterwegs! Vermutlich arbeiteten die französischen Pneus einmal mehr bei den recht kühlen Asphalttemperaturen nicht gut genug.

Kurzeinschätzung:
Der neue Ferrari F2002 ist nicht nur sehr schnell, sondern auch zuverlässig. Beim Start ist man allerdings weiterhin einen Tick schlechter als Williams, hier gilt es in Zusammenarbeit mit Bridgestone Verbesserungen zu finden. In Imola hat sich gezeigt, dass ein guter Reifen extrem wichtig ist, es kann in den kommenden Rennen auch schnell einmal zu Gunsten Michelin und damit BMW-Williams ausschlagen. Den WM-Titel schon jetzt zu feiern, wäre viel zu früh. Aber zugegeben: Es sieht verdammt gut aus.

BMW-Williams ? 37 Punkte ? WM-Platz 2
In Malaysia noch dominant gesiegt, in Brasilien dicht am Sieger dran wurde Ralf Schumacher im BMW-Williams in Imola vorgeführt. Der von Malaysia bis Brasilien eklatante Zeitsprung von Ferrari ist in erster Linie Bridgestone zu verdanken. In Imola hat sich am Freitag und Samstagmorgen gezeigt, dass Michelin vor allem im Regen Aufholbedarf hat. Hätte es in Imola im Rennen geregnet, wäre auch BMW-Williams von Ferrari überrundet worden und das wohl nicht nur ein Mal.

Nichts auszusetzen gab es einmal mehr an der Startautomatik der Weiß-blauen und auch die Strategie sowie die Boxenstopps waren perfekt. Ralf Schumacher hatte das ganze Wochenende seinen Teamkollegen im Griff und nahm dem Kolumbianer im Rennen rund 25 Sekunden ab. Der Kolumbianer hatte sein Auto durch Eingriffe ins Setup kurz vor dem Start "verschlimmbessert". In seiner schnellsten Runde fehlten Schumacher 0,548 Sekunden auf die schnellste Rennrunde, Montoya hatte 0,870 Sekunden Rückstand.

Kurzeinschätzung:
Das Team möchte in diesem Jahr Vizeweltmeister werden und dieses Ziel scheint im Moment realistisch zu sein, sind doch die Leistungen Ferraris einfach zu konstant gut, um Weltmeister zu werden und von hinten droht durch McLaren-Mercedes derzeit keine Gefahr. Besonders im Aerodynamikbereich hat das Auto Defizite und Michelin wird mit den Reifen schnellstmöglich bei kühlen Bedingungen und bei Nässe konkurrenzfähig werden müssen.

McLaren-Mercedes ? 9 Punkte ? WM-Platz 3
Die Probleme bei McLaren-Mercedes sind vielfältig. Man kommt mit den Michelin-Reifen noch nicht gut zurecht, die Aerodynamik ist jener von Ferrari unterlegen, der Motor ist nicht konkurrenzfähig genug und vor allem macht dem Team immer wieder die Zuverlässigkeit einen Strich durch die Rechnung. Die Fahrer hingegen holen das Maximum aus dem Paket, doch das reicht derzeit nur für die Plätze hinter Ferrari und BMW-Williams.

Während Kimi Räikkönen in Imola aus dem Rennen geholt wurde, nachdem es Probleme mit der Auspuffanlage gab, wurde David Coulthard sogar von Jenson Button im Renault geschlagen und holte als Sechster einen mageren Punkt. In seiner schnellsten Runde hatte der Schotte 1,726 Sekunden Rückstand auf Barrichello ? für ein Team wie McLaren-Mercedes kommt dies einer Katastrophe gleich. Kimi Räikkönen fehlten 1,313 Sekunden, der Coulthard mehr und mehr unter Druck setzt. Dass Coulthard gar von Michael Schumacher überrundet wurde ist ein Armutszeugnis. Die bisherige Saisonbilanz nach vier Rennen: Zwei dritte Plätze, ein sechster Platz und fünf Ausfälle.

Kurzeinschätzung:
Für McLaren-Mercedes sind Siege derzeit in weite Ferne gerückt. Selbst wenn Michelin Bridgestone überlegen sein sollte und man damit Ferrari bezwingen könnte, wird immer noch BMW-Williams als stärkerer Gegner vor einem stehen. Realistisch gesehen wird das Team in den nächsten Wochen nur mit Glück Rennen gewinnen können. Man läuft sogar Gefahr, von Renault überholt zu werden, die nur noch einen Punkt Rückstand haben. Möglicherweise wird man sich wegen der aussichtslosen Lage frühzeitig auf das 2003er-Auto konzentrieren, was den Ergebnissen in diesem Jahr nicht zuträglich wäre. Titelchancen hat McLaren-Mercedes im Moment keine.

Renault ? 8 Punkte ? WM-Platz 4
Renault ist noch nicht ganz auf dem Niveau von McLaren-Mercedes angelangt, aber man kommt Schritt für Schritt näher. In Imola konnte Jenson Button dank einer guten Strategie den fünften Platz herausfahren. Dem Briten fehlten auf seiner schnellsten Rennrunde 1,591 Sekunden auf Barrichello. Jarno Trulli sah die Zielflagge nur als Neunter und wird von Button in dieser Saison gewaltig unter Druck gesetzt. 2,184 Sekunden fehlten dem Italiener auf die schnellste Runde.

Besonders im ersten Rennabschnitt wirkte Renault zu schwach, durch einen guten Start, bei dem man an Heidfeld im Sauber vorbeizog, konnte man jedoch Boden gut machen. Mit vollen Tanks scheint das Auto nicht ganz so gut zu sein wie mit halber Tankfüllung. Jarno Trulli kämpfte während dem Rennen erneut mit technischen Problemen, weswegen er langsamer fahren musste ? eine klare Schwäche der Renault im Moment.

Kurzeinschätzung:
Renault bewegt sich noch immer im vorderen Mittelfeld, bis man auf die Top-Teams aufgeschlossen hat, liegt vor den Franzosen noch ein langer und harter Weg. Jenson Button hat seinen letztes Jahr angeknacksten Ruf in Imola einmal mehr rehabilitiert.

Sauber ? 3 Punkte ? WM-Platz 6
Das Sauber-Team stand sich in Imola teilweise selbst im Weg, als Nick Heidfeld zunächst irrtümlich die Box ansteuerte und dann auch noch wegen zu schnellen Fahrens in der Boxengasse eine Zeitstrafe erhielt. Schade, denn der Mönchengladbacher war schnell unterwegs, ihm fehlten nur 1,131 Sekunden auf die schnellste Runde ? damit war er schneller als die beiden McLaren-Mercedes. Doch die vier Boxenstopps ließen ihn auf den zehnten Platz zurückfallen.

Teamkollege Felipe Massa fuhr vor allem in der Anfangsphase ein extrem aggressives Rennen, als er hinter Heidfeld fest hing. Der Brasilianer sah das Ziel als Achter aber damit ebenfalls außerhalb der Punkte. Abgesehen davon, dass der Formel-1-Neuling spektakulär fuhr, war er nicht wirklich schnell. In seiner schnellsten Runde fehlten ihm 2,109 Sekunden auf die schnellste Rennrunde. Wie Montoya schien Massa auf dieser Strecke durch seinen aggressiven Fahrstil mehr Zeit zu verlieren als gut zu machen.

Kurzeinschätzung:
Das Sauber-Team hat es derzeit gegen Renault sehr schwer. Die Schweizer scheinen sich momentan fest auf dem fünften Platz zu etablieren, was aber angesichts der Konkurrenz dennoch eine gute Leistung wäre. Nick Heidfeld hat nicht das erste Mal in diesem Jahr ein gutes Ergebnis durch einen eigenen Fehler vergeben.

BAR-Honda ? 0 Punkte
Jacques Villeneuve fuhr einmal mehr ein unauffälliges Rennen und kam als undankbarer Siebter ins Ziel. Auf die schnellste Rennrunde fehlten dem Kanadier 1,789 Sekunden. Teamkollege Olivier Panis fiel nach Problemen mit dem Gaspedal vorzeitig nach 44 der 62 Runden aus. Für den Franzosen schlug eine um rund zwei Sekunden langsamere schnelle Rennrunde zu Buche.

Kurzeinschätzung:
Trotz einer PS-Spritze von Honda gelang es dem Team nicht, sich deutlich zu verbessern, obwohl Bridgestone in Imola den besseren Reifen dabei hatte. Für das Team um David Richards heißt es aus diesem Grund weiterhin: Arbeit ohne Ende! Selbst Platzierungen in den Punkten sind für das Team unter normalen Umständen schwierig.

Jordan-Honda ? 0 Punkte
Im Regen präsentierte sich Jordan-Honda trotz einiger Dreher als schnelles Team, im Trockenen wurde man aber schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Nicht nur im Training kämpfte das Team mit Ausfällen, sondern auch im Rennen, als beide Fahrer vorzeitig aufgeben mussten. Sato schon nach fünf Runden und Fisichella nach 19 Umrundungen. Den Hydraulikschaden und das Getriebeproblem muss das Team auf seine eigene Kappe nehmen.

Kurzeinschätzung:
Auch Jordan-Honda ist weiterhin im hinteren Mittelfeld gefangen und es gibt keine Anzeichen, wonach sich das in absehbarer Zeit ändern sollte. Für Jordan ist es in dieser Saison sogar schwierig, in die WM-Punkte zu fahren. Nur bei Regen kann sich das Team berechtigte Hoffnungen auf Punkte machen.

Toyota ? 2 Punkte ? WM-Platz 8
Mit einem Doppelausfall ging der vierte Auftritt von Toyota in der Formel 1 zu Ende. Die Japaner lernen nach einigen Achtungserfolgen die Formel 1 nun von ihrer harten Seite kennen. Besonders im Regen zeigte sich, dass man noch deutlich hinterherhinkt. Das kann man zum einen mit dem fehlenden Abtrieb des Chassis erklären aber vielleicht auch mit einer noch nicht ganz ausgereiften Traktionskontrolle.

Kurzeinschätzung:
Die etablierte Konkurrenz wird von Rennen zu Rennen zuverlässiger werden, da wird es für Toyota schwierig, weitere WM-Punkte zu sammeln. Aber insbesondere auf schnelleren Strecken, die weniger Abtrieb erfordern, könnte Toyota mit Platzierungen in den Top 10 überzeugen.

Arrows ? 0 Punkte
Auch vor dem Imola-Rennen hatte Arrows nicht getestet und man kann vermuten, dass beide Piloten nicht zuletzt deshalb wieder massive Probleme hatten ? sei es bei der Abstimmung des Autos oder mit der Zuverlässigkeit. Frentzen hatte das ganze Wochenende Teamkollege Enrique Bernoldi im Griff. Und im Regen war der Deutsche sogar in der Lage, in den Top 6 mitzufahren.

Frentzen schied bereits in der 25. Runde aus und konnte dennoch eine schnellste Rennrunde fahren, die nur 2,367 Sekunden langsamer war als jene von Barrichello. Das ist durchaus erstaunlich, denn Frentzen war auf einer Einstopp-Strategie unterwegs. Noch ist die Ausfallursache beider Piloten nicht geklärt, aber es wird ein Motorschaden vermutet.

Kurzeinschätzung:
Arrows hat es trotz bisher ausgebliebener Testkilometer geschafft, ein besseres Paket auf die Beine zu stellen als Jaguar, die mit dem gleichen Cosworth-Motor unterwegs sind. Das Team kann durch Tests noch große Fortschritte machen, denn die Basis des Autos ist nicht schlecht. Aber Teamchef Tom Walkinshaw muss schon auf Regen hoffen, damit Frentzen in die Punkte fahren kann.

Jaguar ? 2 Punkte ? WM-Platz 5
Das Jaguar-Team scheint trotz ausgiebiger Testfahrten den Anschluss an die Konkurrenz mehr und mehr zu verlieren. Auch die bisher so gute Zuverlässigkeit des Jaguar R3 ist dahin, in Imola sah keiner der Fahrer die Zielflagge. Eddie Irvine konnte immerhin 45 Runden fahren, war aber in seiner schnellsten Runde 3,291 Sekunden langsamer, Pedro de la Rosa, der weiterhin auf einem Niveau mit Irvine fährt, war um 0,3 Sekunden schneller.

Kurzeinschätzung:
So gut wie man auch die Basis des neuen Autos nach außen hin darstellen will ? das Jaguar-Team kann diese Saison abhaken. Bis die Modifikationen aus dem neuen Windkanal greifen werden, wird mehr als nur ein Monat ins Land streichen. Die Zeiten, in denen man von vielen Ausfällen der anderen profitieren konnte, sind vorbei.

Minardi ? 2 Punkte ? WM-Platz 8
Das Minari-Team erlebte ein rabenschwarzes Heimspiel mit Alex Yoong, der nach einer Nichtqualifikation im Rennen zusehen musste. Mark Webber konnte das Rennen als Elfter und damit Letzter mit zwei Runden Rückstand beenden. In seiner schnellsten Rennrunde fehlten dem Australier 3,744 Sekunden.

Kurzeinschätzung:
Die Zeiten, in denen man durch Zuverlässigkeit in die Punkte kommen kann, sind nun mit dem Europa-Auftakt wohl vorbei. Minardi hat auch in diesem Jahr keine Chance auf "ehrliche Weise" WM-Punkte einzufahren, dazu ist das Paket zu schwach.