• 15.04.2002 13:04

Dennis: "Ferrari wird noch einige Zeit dominieren"

Die Konkurrenz muss Ferrari klar die aussichtsreichsten Titelchancen zusprechen, doch bei Ferrari bremst man die Euphorie

(Motorsport-Total.com/sid/dpa) - Die Tifosi schwenkten ein Riesentransparent mit der Aufschrift "Schumacher und Ferrari Weltmeister 2002", der Boss der Roten hob "King Michael" bei der improvisierten Siegerfete in den Himmel, und die bis auf BMW-Williams überrundeten Rivalen erklärten die Titeljagd vorerst für beendet. Nach dem überlegenen Doppelsieg von Imola durch Michael Schumacher und Rubens Barrichello droht die große Langeweile.

Titel-Bild zur News: Ron Dennis

Ron Dennis ist mit der Leistung von McLaren-Mercedes absolut unzufrieden

"Schumi der König von Imola, Ferrari hat keine Gegner mehr", bilanzierte 'Corriere dello Sport'. 'Tuttosport schrieb': "Die Formel 1 ist ein Zirkus ohne Dompteure für Ferrari. Der WM-Titel ist für Schumi schon jetzt in greifbarer Nähe." Eine Einschätzung, die selbst von dem trotz Platz drei restlos bedienten Ralf Schumacher geteilt wurde: "Ist schon blöd, wenn jemand so klar gewinnt und du weißt, dass du den Rückstand bis zum nächsten Rennen sowieso nicht aufholen kannst."

Der BMW-Williams-Pilot entschwand schon eine Stunde nach der Vorführung seines großen Bruders gemeinsam mit Ehefrau Cora per Privatflieger. Ab Mittwoch wird bereits in Silverstone getestet - für den Kampf um den Ehrenplatz hinter Ferrari. "Unser Ziel war und ist Rang zwei. Ferrari ernsthaft im Titelkampf zu gefährden, sehe ich kritisch", sagte BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger dem Sport-Informations-Dienst (sid).

Theissen verspricht Besserung

Sein nicht ganz so pessimistischer Entwicklungschef Mario Theissen versprach eine neue Entwicklungsstufe des BMW-Renners: "Dann wird es auch wieder weiß-blaue Rennen geben." Höchste Zeit, denn selbst Berger räumte ein, dass das Rennen von Imola "fade" gewesen sei und in zwei Wochen in Barcelona eine ähnlich langweilige Schumi-Show drohe: "Die Strecke liegt Ferrari, uns nicht."

Konkurrenz muss Ferrari zum vorzeitigen Weltmeister erklären

Nach Michael Schumachers Triumphfahrt bei den "Roten Festspielen" in Imola wirft die Konkurrenz überwiegend die Flinte schon ins Korn. "Dieser neue Ferrari mit Schumacher ist unschlagbar", sagte Renault-Teamchef Flavio Briatore. "Sie haben ein außergewöhnliches Auto und werden sicher den Titel gewinnen", stellte sogar BMW-Sportdirektor Gerhard Berger fest. Auch Ron Dennis vom krisengeschüttelten McLaren-Mercedes-Rennstall befand: "Ferrari wird noch einige Zeit dominieren." Und Sportdirektor Ove Andersson vom Neuling Toyota sprach den Formel-1-Fans aus dem Herzen: "Ich wünsche mir, dass die BMW-Williams doch noch aufholen. Sonst wird es langweilig in der Formel 1."

Italiens Zeitungen feierten den Doppelerfolg des viermaligen Weltmeisters und seines treuen Gehilfen Rubens Barrichello (Brasilien) beim Großen Preis von San Marino überschwänglich. "Schumi und Barrichello machen die Gegner lächerlich", schrieb die 'Gazzetta dello Sport'. Der 'Corriere della Sera' urteilte: "Die Roten sind ohne Gegner. Schumi ist der Herrscher der Formel 1". "La Repubblica" appellierte an die Rivalen: "Liebe Gegner, bitte wacht auf! Sonst ist es vorbei." Der französische 'Le Figaro' titelte: "Schumacher und Ferrari überrollen die Konkurrenz." Der englische 'Daily Express' wunderte sich: "Kinderspiel für Schumacher."

Schumacher - Sieger auf der ganzen Linie

Einen Tag nach seinem 56. Grand-Prix-Sieg wurde der viermalige Weltmeister in Paris zum "UNESCO-Champion für den Sport" ernannt. "Es ist sicherlich eine große Ehre, diese Auszeichnung zu bekommen", sagte Schumacher. Der Ferrari-Pilot ist seit 1995 bereits UNESCO- Sonderbeauftragter für Ausbildung und Sport, hat unter anderem den Bau einer Schule in Dakar, der Hauptstadt Senegals, sowie die Errichtung eine Kinderklinik in Sarajewo ermöglicht. "Ich hoffe, für die UNESCO auch weiterhin erfolgreich tätig sein zu können", sagte Schumacher.

Willi Weber kann gelassen bleiben

In der Fahrerwertung der Formel 1 rangiert der 33 Jahre alte Kerpener mit 34 Punkten schon 14 Zähler vor seinem Bruder Ralf im BMW-Williams und gar 17 vor dessen Teamkollegen Juan-Pablo Montoya (Kolumbien). "Es ist klar, dass wir den Hintern bewegen müssen", sagte Ralf Schumacher, der als einziger neben seinem dominierenden Bruder in dieser Saison einen Grand-Prix-Sieg feiern konnte. "Die letzten zwei Rennen wollten wir gewinnen, und es ist uns zwei Mal nicht gelungen", schimpfte "Schumi II", der Dritter geworden war. Manager Willi Weber dagegen freute sich: "Für mich ist es egal, wer gewinnt - solange er Schumacher heißt."

Michael Schumacher genehmigte sich nur eine kurze Fete im Ferrari-Motorhome mit ein paar Glas Champagner. Ferrari-Chef Luca di Montezemolo hob seinen teuersten Angestellten bei der herzlichen Umarmung zwar ein paar Zentimeter gen Himmel, bemühte sich dann aber wieder um Bodenhaftung. "Es ist zu früh, um von einem Weltmeister Schumacher zu sprechen. Aber es sieht gut aus", sagte er dem 'sid'.

BMW-Williams trotz Niederlage voll auf Saisonzielkurs

Den Kopf in den Sand steckt man bei BMW-Williams noch nicht: "Wir haben unser erklärtes Saisonziel auch in den letzten vier Wochen, als wir die WM angeführt haben, nicht aus den Augen verloren. Es lautet WM-Rang 2. Wir liegen also mehr als gut im Plan", sagte BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen. Mit dem Grand Prix in Barcelona am 28. April und dem Rennen in Spielberg zwei Wochen später kommen zwei Strecken, die dem britisch-deutschen Rennstall nicht so liegen: "Das sind richtige Ferrari-Strecken", sagte Berger.

Schumacher "traut dem Braten" noch nicht

"Wir haben jetzt zwei Rennen auf Nicht-Ferrari-Strecken gewonnen, also wer weiß, vielleicht dreht sich das rum", warnte Schumacher vor allzu großer Euphorie. "Ich trau dem Braten nie. Auf keinen Fall glaube ich an eine Dominanz, die das ganze Jahr anhalten wird. Es wird in meinen Augen noch Probleme geben, die wir meistern müssen", sagte der WM-Spitzenreiter. Ferrari-Boss Luca di Montezemolo forderte von seiner Mannschaft: "Wir müssen mit den Füßen auf dem Boden bleiben." Auch Teamchef Jean Todt baute vor: "Nicht jedes Wochenende kann so schön sein wie dieses."

Dagegen hielt der Sturzflug der Silberpfeile auch in Imola an: "Wir müssen in die Hände spucken und bessere Arbeit leisten. So wie wir jetzt da stehen, haben wir uns das nicht vorgestellt", sagte Mercedes-Sportchef Norbert Haug. In der Konstrukteurswertung liegt McLaren-Mercedes (9) nur noch einen Punkt vor Renault (8). Der Kampf um die Titel ist nach dem ersten Viertel der Saison zu einer Angelegenheit zwischen "Rot" (40) und "Weiß-Blau" (37) geworden.

Hubbert "nicht zufrieden"

Die Testfahrten am Freitag und Samstag in Mugello könnten zum Einsatz für Konkurrenten in Not werden - denn auch McLaren-Mercedes übt mit seiner Ü(berrundungs)-Klasse auf der Ferrari-Heimstrecke. Der Schotte David Coulthard vom Weltmeister überrundet, der Finne Kimi Räikkönen mit dem fünften Ausfall im vierten Rennen - für die "Silberpfeile" sieht es düster aus. "Ich habe intern alles klar angesprochen und werde extern nicht darüber reden. Aber ganz klar: Wir sind mit der bisherigen Vorstellung nicht zufrieden, sagte Mercedes-Vorstand Jürgen Hubbert.

Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug verließ eine sofort nach der Pleite einberufene Sitzung mit versteinerter Miene: "Wir sind zu langsam und müssen alle Bausteine des Autos endlich zusammenfügen." Ein Formel-1-Ausstieg von Mercedes sei momentan allerdings kein Thema, versicherten die Chef-Strategen des Teams und schlossen personelle Konsequenzen (vorerst) ebenfalls aus.