• 15.04.2002 11:41

Hubbert: "Fühlen uns nicht unter Druck"

McLaren-Mercedes musste beim Grand Prix von San Marino eine herbe Niederlage einstecken und hat nun viel Arbeit vor sich

(Motorsport-Total.com/sid/dpa) - Selbst Seriensieger Michael Schumacher macht sich langsam Sorgen um die "Ü-Klasse" von Mercedes-Benz. "Das war schon eine Überraschung, als ich David Coulthard überrundet habe", meinte der Ferrari-Weltmeister nach der erneuten Blamage der "Silberpfeile" in Imola: "Ich dachte, dass McLaren wieder ein ernstes Wörtchen mitredet. Aber aus Gründen, die ich nicht kenne, geht es nicht richtig vorwärts."

Titel-Bild zur News: Räikkönen und Coulthard

Fuhren in Imola hinterher: Kimi Räikkönen und David Coulthard

Eher rückwärts. 1998 und 1999 stellten die "Silberpfeile" mit Weltmeister Mika Häkkinen noch die "A-Klasse" der Formel 1, in Imola gehörten sie in Person des sechstplatzierten David Coulthard zur großen Schar der von "Schumi" deklassierten Ü(berrundungs)-Klasse.

Traurige Realität: Statt um den WM-Titel geht es für McLaren-Mercedes derzeit gegen Renault um Platz drei der Konstrukteursweltmeisterschaft. In der Einzelwertung ist McLaren-Mercedes gänzlich chancenlos. Nach vier Rennen stehen gerade mal zwei dritte Plätze, dafür aber schon fünf Ausfälle zu Buche. Diesmal brach Kimi Räikkönen der Auspuff.

Unzuverlässig und auch noch überrundet: Das ist auch der um das Image der Erfolgsmarke besorgten Konzernspitze von DaimlerChrysler zu viel. "Ich habe nichts zu sagen, ich habe nur etwas zu tun", lehnte DaimlerChrysler-Vorstandsmitglied Jürgen Hubbert einen Kommentar zum kümmerlichen Abschneiden des selbst ernannten Titelaspiranten ab. Nach der Pleite beim Großen Preis von San Marino gab es im Fahrerlager ein halbstündiges Treffen von Hubbert mit seinem Mercedes-Benz-Motorsportdirektor Norbert Haug, McLaren-Teamchef Ron Dennis und weiteren Verantwortlichen.

"Ich habe intern alles klar angesprochen, und werde nun extern nicht darüber reden", sagte Hubbert dem Sport-Informations-Dienst (sid). Haug wollte das Meeting "nicht als Krisensitzung" bezeichnet wissen, von personellen Konsequenzen war noch nicht die Rede. Aber die Lage ist ernst, das hatte auch Hubbert schon vor dem Rennen im sid-Gespräch bestätigt: "Ganz klar: Wir sind mit der bisherigen Vorstellung nicht zufrieden. Aber wir fühlen uns nicht unter Druck."

Er sei überzeugt, dass man in diesem Jahr noch Siege feiern werde, so Hubbert kämpferisch. Daran glauben aber momentan nur die Daueroptimisten in dem mit einem stolzen Etat von geschätzten 250 Millionen Euro ausgestatteten "Silberteam". "Wir müssen uns beeilen, dass wir an Ferrari dranbleiben, bei Mercedes-Benz können wir uns noch Zeit lassen", meinte BMW-Williams-Pilot Ralf Schumacher spöttisch: "Aber immerhin haben sie das schönste Motorhome im Fahrerlager."

Der "Silberpalast" hat angeblich fünf Millionen Euro gekostet ? allerdings sind der Anspruch im Fahrerlager und die Realität auf der Piste momentan meilenweit voneinander entfernt. "Wir haben rundum Verbesserungsbedarf und müssen alle Bausteine des Autos endlich zusammenfügen", meint Haug.

Die Fahrer träfe keine Schuld. Deshalb ist die Rückkehr des einstigen Erfolgsgaranten Mika Häkkinen ins Cockpit nach seinem Babyjahr "momentan kein Thema". Angeblich schiebt man sich intern gegenseitig die Schuld für den "eindeutig zu langsamen" Boliden zu. Der Mercedes-Benz-Motor sei nicht stark genug, behaupten die einen. Die anderen halten das Chassis von McLaren für den Grund des Übels.

Haug beteuert jedenfalls, dass es keinen Riss im Team gibt: "Wir sind schon aus ganz anderen Tälern wieder hochgekommen. Wir werden unser Formel-1-Engagement trotz dieses Tals nicht beenden. Aufhören ? das könnte man vielleicht, wenn man ein paar Mal hintereinander Weltmeister geworden ist."

"Man kommt nicht weit im Leben, wenn man seine Schwächen preisgibt", lehnte es Dennis ab, die Mängel detailliert aufzulisten. Der Michelin-Reifen mache die Hälfte aus, der Rest verteile sich auf mehrere Komponenten. "Wir wissen genau, was wir tun müssen", kündigte der Brite mit versteinerter Miene Konsequenzen an. "Der einzige Weg ist harte Arbeit." Und: McLaren-Mercedes werde zurückkommen, versicherte Dennis. "Nicht im nächsten Rennen, vielleicht auch nicht beim übernächsten und vielleicht auch danach noch nicht. Aber wer uns abschreibt, ist ein dummer Mensch."

Ob das Entwicklungstempo reicht, die enteilte Konkurrenz in dieser Saison noch einzuholen, erscheint angesichts deren Vorsprung und der eigenen Unzulänglichkeiten unwahrscheinlich. "Ferrari wird wohl noch einige Zeit dominieren", schätzt Dennis die Lage für sein Team wenig rosig ein. Derzeit droht McLaren-Mercedes sogar eher, vom stark aufkommenden Verfolger Renault in der Konstrukteurswertung vom dritten auf den vierten Platz verdrängt zu werden.

Noch trostloser sieht es für den mit großen Titelhoffnungen gestarteten Coulthard aus. Der Schotte dümpelt in der Fahrer-WM mit 5 Punkten aussichtslos auf Rang 6 herum. Spitzenreiter Schumacher sammelte schon 34 Zähler. "Ich habe das Maximum aus dem Auto heraus geholt, aber mehr war nicht drin", sagte Coulthard resigniert. Fünf technisch bedingte Ausfälle (zwei Motorschäden, ein kaputtes Getriebe, eine gebrochene Radnabe und jetzt ein gebrochener Auspuff) bei nur drei Zielankünften haben ihn und Räikkönen desillusioniert.

Ab Dienstag werden die "Silberpfeile" in Vorbereitung auf den Grand Prix in zwei Wochen in Barcelona ausgerechnet auf einer der Ferrari-Heimstrecken in Mugello testen. Michael Schumacher will dort am Freitag und Samstag auch fahren ? und von "Schumi" lernen, heißt siegen lernen: "Ich bin 1996 in Brasilien auch mal überrundet worden und habe kurz danach drei Rennen gewonnen. Ich schreibe Mercedes-Benz nicht ab."