• 23.06.2004 14:10

Renaults technisches Debriefing aus Indianapolis

Wie nach jedem Rennen gewährt das Renault-Team auch dieses Mal spannende Einblicke in die eigene Rennanalyse

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich schien es wie eine klare Sache: Der Sieger Michael Schumacher gewann sein achtes Rennen der Saison 2,9 Sekunden vor Ferrari-Stallgefährte Rubens Barrichello. In Wahrheit entschied sich der Sieg aber auf einigen wenigen Metern - in jener Szene, als Schumacher sich in Runde 52 gerade noch an dem aus der Box beschleunigenden Brasilianer vorbeiquetschte.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso (Renault R24)

Legte wieder einmal einen Raketenstart hin: Fernando Alonso

Der Schlüssel zum Doppelsieg lag zweifellos in der Entscheidung der Scuderia, den Deutschen umgehend hereinzuholen, als nach dem Unfall seines Bruders in Runde zehn das Safety Car auf die Strecke ging. Das Feld rollte so langsam an der Unfallstelle vorbei, dass Schumacher in die Box fahren, tanken und Reifen wechseln konnte und sich trotzdem wieder als Führender einreihte.#w1#

Takuma Sato durch Boxenstragie bestraft

Der Mann, der von dieser Aktion am meisten enttäuscht sein muss, ist Takuma Sato: Sein Team verpasste die Chance zum Tankstopp in dieser Situation. Stattdessen führte er das Feld in Schleichfahrt an den Unfall-Trümmern vorbei - nur um am Ende der Geraden Schumachers Ferrari wieder mit frischen Pneus und vollem Tank vor sich zu sehen. Satos Stopp in Runde 35 kostete ihn 26 Sekunden gegenüber Schumacher, und noch etwas mehr, wenn man den Verkehr berücksichtigt, in den der Japaner nach dem Boxenbesuch geriet. Im Ziel betrug sein Rückstand 22 Sekunden...

Für Renault entwickelte sich das Rennen schnell zum Versuch der Schadensbegrenzung. Jarno Trullis vierter Platz reichte immerhin aus, um den zweiten Rang in der Konstrukteurswertung zu verteidigen. Der Italiener arbeitete sich durch ein starkes Rennen vom letzten Startplatz bis in Podiumsnähe vor - dank schneller strategischer Entscheidungen des Teams und konstanter Rundenzeiten. Im Finale büßte er noch eine Position gegen Sato ein. Hätte Trulli das verhindern können? Mal sehen...

Renault dieses Mal nur die dritte Kraft

Die beste Grundlage, um die Leistungsfähigkeit von Auto und Fahrer im Rennen zu beurteilen, bietet zweifellos die durchschnittliche Rundenzeit. In Indianapolis wurde diese zwar durch das zweimalige Eingreifen des Safety Cars verzerrt, doch der Vergleich zeigt deutlich, dass der Renault diesmal nur das drittschnellste Auto auf der Strecke war.

Interessant für die Analyse sind auch die jeweils längsten Stints, die ein Fahrer absolvierte. Beide Ferrari blieben - wenn auch in verschiedenen Rennphasen - längstens 30 Runden am Stück draußen, Schumacher gegen Ende, Barrichello zwischen erstem und zweitem Tankstopp.

Der Brasilianer war in seinem Run mit 1.11.667 Minuten durchschnittlich eine hable Sekunde schneller als Schumacher mit 1.12.125 Minuten. Allerdings musste der Deutsche zu diesem Zeitpunkt nicht mehr voll fahren, denn er hatte das Rennen längst unter Kontrolle und sein Stallgefährte die Angriffe eingestellt.

Takuma Sato war flott unterwegs

BAR-Pilot Sato fuhr in seinem längsten Stint mit 1.11.961 Minuten ebenfalls schneller als der Weltmeister. Diese Zeit liegt sogar nah an der besten Rennrunde des Japaners - was umso überraschender ist, als er auch noch durch viel Verkehr manövrieren musste.

Jarno Trulli erwies sich wieder einmal als Muster an Konstanz. Sein Rennen bestand nach der Safety-Car-Phase aus zwei jeweils 26 Runden langen Stints. Im ersten davon lag sein Schnitt bei 1.12.202 Minuten, im zweiten - unter Ausschluss des Ausrutschers im Kampf mit Sato - bei 1.12.222.

Toyota erstaunlich gut bei der Musik dabei

Die Kräfteverhältnisse an der Spitze illustrieren die schnellsten Rennrunden. Barrichello markierte den Bestwert mit 1.10.399 min, gefolgt von Teamkollege Schumacher in 1.10.412 min, dann Sato (1.10.727 min), Panis (1.10.933 min), Jenson Button (1.11.025 min) und Trulli (1.11.187 min). Erneut pendelt sich der Abstand zwischen Renault und BAR bei rund einer halben Sekunde ein. Überraschend kann sich Olivier Panis im Toyota weit vorn platzieren.

Panis in Sachen ideale Rundenzeiten spitze

Der Vergleich der idealen Runden - zusammengesetzt aus den jeweils besten Sektorzeiten eines Fahrers - gibt darüber Auskunft, wie sehr ein Pilot das Potenzial seines Pakets ausgeschöpft hat. Bei Rubens Barrichello weicht die ideale von der realen Rekordrunde um 0,232 Sekunden ab, bei Michael Schumacher um 0,126 Sekunden und bei Jarno Trulli um 0,168 Sekunden. Dies bedeutet, dass alle drei sehr nah an ihrem und dem Limit ihrer Autos fuhren. Am eindrucksvollsten fällt der Vergleich bei Panis aus, dessen ideale Runde nur 0,059 Sekunden unter seiner tatsächlich schnellsten liegt, während die Differenz bei Sato mit 0,498 Sekunden bedeutend größer ausfällt.

Traditionell spielt in Indy auch die Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden eine große Rolle. Auch hier enttäuschte der Renault R24 keineswegs. Mit 255 km/h raste Jarno als Viertschnellster durch die "Radarfalle", nur 1 km/h unter dem von Barrichello markierten Bestwert.

Renault mit dem schnellsten Boxenstopp

Der andere Faktor für Jarnos raschen Fortschritt im Rennen lag in der wieder einmal perfekten Boxenarbeit des Teams. Trulli verzeichnete den kürzesten durchschnittlichen Aufenthalt aller Zweistopper mit 23,408 Sekunden, gefolgt von Sato mit 24,289 Sekunden, Michael Schumacher mit 25,2 Sekunden, Panis mit 25,24 Sekunden und Barrichello mit 26,358 Sekunden. Die Renault-Mechaniker schafften zudem den schnellsten Tankstopp des Rennens, als Jarno in Runde 46 schon nach 22,855 Sekunden wieder auf den Weg geschickt wurde.

Eigentlich klares Rennen mit interessanten Details

Fazit: Oberflächlich betrachtet, war der US-Grand Prix wieder eine klare Sache für Michael Schumacher. Auf den zweiten Blick jedoch hätte das Rennen auch ganz anders ausgehen können - sowohl für Barrichello als auch Sato. Jarno fuhr während seiner Aufholjadgd eine äußerst konstante Pace. Dass Takuma Sato ihn am Ende noch von Platz drei abfing, war angesichts der besseren Rundenzeiten des BAR kaum zu verhindern.

Fernando Alonso riss ein Reifenschaden früh aus dem Rennen und zerstörte seine hervorragenden Chancen. Allein sein Start, bei dem er bis zur ersten Kurve fünf Gegner kassierte, dürfte zu den besten Aktionen der Saison gehören. Fernando selbst bezeichnet ihn als "den besten meines Lebens". Wieder einmal bleibt unterm Strich jedoch nur die müßige Frage, die mit den unsterblichen Worten beginnt, "Was wäre, wenn...".