• 14.10.2004 10:33

  • von Marco Helgert

Pizzonia bleibt im Spiel

Antonio Pizzonia hat seine Reputation in nur vier Rennen wieder aufgebaut und ist ein Kandidat bei BMW-Williams für die Saison 2005

(Motorsport-Total.com) - Zwei Tage vor der Entscheidung des 'Contract Recognition Boards' (CRB) zeichnen sich die möglichen Szenarien bereits ab. In Genf muss dann entschieden werden, welcher Vertrag von Jenson Button einen höheren Rang besitzt. Das BAR-Honda-Team argumentiert, dass man eine Option auf die Dienste des Engländers gezogen habe, BMW-Williams dagegen fechtet an, dass dies ordnungsgemäß geschah.

Titel-Bild zur News: Antonio Pizzonia

Antonio Pizzonia macht sich Hoffnungen auf ein Cockpit für 2005

Bei BMW-Williams scheint der Testfahrer gute Aussichten auf das Cockpit zu haben, falls Button der Wechsel untersagt wird. Antonio Pizzonia durfte in dieser Saison bereits vier Rennen bestreiten, als Ersatz für den rekonvaleszenten Ralf Schumacher. Dabei schlug sich der Brasilianer gut, fuhr insgesamt sechs Punkte ein und hätte in Spa-Francorchamps auf dem Siegerpodest stehen können, wenn das Getriebe seines Autos nicht vorzeitig das Zeitliche gesegnet hätte.#w1#

Die Jaguar-Zeit als Tiefpunkt

Sollte das 'CRB' also gegen die Interessen von BMW-Williams entscheiden, dann "wäre er (Pizzonia; d. Red.) sicher auf unserer Liste", erklärte Teamchef Frank Williams gegenüber 'AtlasF1'. "Seit Dezember 2001 fuhr er tausende an Testkilometern und hat dabei umfangreiche Kenntnisse gesammelt, wie Rennautos funktionieren und wie man schnell um einen Grand-Prix-Kurs kommt. Und er hat auch gelernt, was man nicht tun sollte."

Dabei hätte vor einem Jahr niemand mehr eine Rückkehr des "Jungle Boys" geglaubt. Bei Jaguar wurde er Teamkollege von Mark Webber, doch er konnte im Team nie Fuß fassen, fühlte sich gegenüber Webber benachteiligt und blieb gute Ergebnisse schuldig. Doch Williams glaubt an die Chancen seines Schützlings. "Wenn er in einem guten Team ist, dann könnte er auch in der Lage sein, Rennen zu gewinnen."

Seine Zeit bei Jaguar ist dabei lange vergessen. "Natürlich war das schwierig", gestand Pizzonia. "Ich stand in Kontakt mit Williams und wusste, dass sie noch an mich glaubten, aber es war hart." Auch für Frank Williams spielte die Leistung im Jaguar nicht unbedingt eine entscheidende Rolle. "Es hat uns schon überrascht, unsere Ansicht von ihm aber nicht geändert."

Pizzonias Talent war früh ersichtlich

"Bei Jaguar ist viel passiert", ließ der Brasilianer durchblicken. "Vom Start weg lief schon alles schief, das half mir alles wenig. Und ich denke auch, dass das Team mir wenig half. Ich habe immer versucht, mein Bestes geben, aber das Team ließ mich nicht. Ich wurde wirklich nicht gut behandelt, außerdem gab es wirklich zu wenig Geld, um irgendetwas zu tun." Aber: "Ich habe auch viel dort gelernt, ich konnte es abhaken und weitermachen."

Für Sam Michael, den Technischen Direktor bei BMW-Williams, gäbe es auch eine viel einfachere Erklärung für den tiefen Fall bei Jaguar. "Wenn man sich die meisten Jungs ansieht, dann brauchen sie sechs bis zwölf Monate, um die Strecke zu lernen und mit dem Team auszukommen. Vielleicht lag es nur daran", so seine Erklärung. An seinem Talent zweifelt er jedoch nicht.

"Schon Ende 2001, als er das erste Mal für uns teste, war klar, dass er sehr talentiert war", so Michael. "Also haben wir ihm einen Testvertrag für 2002 gegeben und es gab fünf oder sechs Gelegenheiten, bei denen er gegenüber Juan-Pablo (Montoya) und Ralf (Schumacher) außergewöhnlich war. Ralf ist ihm sogar mal auf der Strecke gefolgt und hat danach erklärt: 'Dieser Kerl ist gut, er weiß, wie man ein Auto fährt, und kennt die richtigen Linien. Man sieht vom Auto aus, dass er gut ist. Und es ist recht selten, dass ein Fahrer dies über einen anderen sagt."

Die Rückkehr als Testfahrer

Dem Absturz bei Jaguar folgte durchaus auch ein Vertrauensbruch bei Williams. Mit Vorbehalten nahm man ihn für ein Jahr wieder als Testfahrer auf. "Er hatte natürlich das Gefühl, bei Jaguar eine schwere Zeit gehabt zu haben, aber wir haben ihm erklärt, dass, wenn er wieder für uns arbeitet, wir wollen, dass er die Dinge positiv angeht. Wir hatten kein Interesse an den Problemen, die er dort hatte", fuhr Michael fort. "Und das hat er getan."

Es folgten Testergebnisse, bei denen er sich, wie 2002, nicht hinter den Stammfahrern verstecken brauchte, und schließlich die Renneinsätze, bei denen er überzeugen könnte. "Es war wichtig für mich, wieder ins Auto zu steigen und mir selbst zu zeigen, wie gut ich bin", so Pizzonia. "Ich weiß, dass ich in den vergangenen Jahren viel Unterstützung von Williams bekommen habe, auch während meiner Zeit bei Jaguar."

Doch der Vertrag als Testfahrer hätte den Brasilianer kaum aus der Versenkung zurückholen können, erst der Unfall von Ralf Schumacher in Indianapolis und die eher blassen Vorstellungen von Marc Gené als Ersatzpilot verhalfen endgültig zum Aufstieg. Pizzonia muss sich nicht vorwerfen lassen, nicht alles gegeben zu haben. Bei seinen vier Einsätzen schien er entschlossen ans Werk zu gehen, wollte allen beweisen, zu was er wirklich fähig ist.

Tolle Vorstellungen als Ersatzfahrer

"Es lief wirklich gut, ich habe mich wohl besser geschlagen als viele es erwarteten", so sein eigenes Resümee. "Ich wollte einfach ein paar Punkte sammeln, mehr wäre ohnehin kaum möglich gewesen. Es wäre einfach gewesen, im diesem Auto dumm auszusehen. Aber ich wollte kein Held sein, einfach nur meinen Job machen. Das Team wollte, dass ich ein paar Punkte hole, und ich denke, ich habe mich in den vier Rennen recht gut geschlagen."

"Er hat unsere Erwartungen definitiv übertroffen und gute Punkte für das Team geholt", so Sam Michael, und Frank Williams fügte hinzu: "Wir waren von seinem anfänglichen Leistungsniveau sehr überrascht. Er hat selten Fehler gemacht und sich von Rennen zu Rennen gesteigert. Wir hatten ja den direkten Vergleich mit Juan, und da hat er sehr gut abgeschnitten."

Auch Montoya selbst musste dies eingestehen. Beim Großen Preis von Belgien musste er sich hinter dem Brasilianer einreihen, ehe dieser ausfiel. "Antonio war da sehr hart", so der Kolumbianer. "Er war sehr beeindruckend, vor allem seine Pace. Er braucht noch etwas Erfahrung, aber seine Pace war in diesen Rennen klasse."

Wird Pizzonia 2005 wieder Webbers Stallgefährte?

"Monza war sein bestes Rennen", so Michael. "Er wurde zwar nur Siebenter, aber in der ersten Runde wurde er von der Strecke geschubst und hatte 35 Sekunden Rückstand auf Rubens (Barrichello). Am Ende des Rennens war er immer noch 35 Sekunde dahinter. Rubens gewann das Rennen und er hat keinen weiteren Boden auf Antonio gutmachen können. Das hat alle überrascht."

Überraschen könnte er auch 2005, doch hierfür müssen zwei Fälle eintreten. Das 'CRB' muss entscheiden, dass Button bei BAR-Honda bleiben muss, und BMW-Williams muss entscheiden, dass man in diesem Fall auf die Dienste von Pizzonia vertraut. "Es ist noch zu früh", erklärte Michael. "Wir setzen alles daran, vor dem 'CRB' zu gewinnen. Wenn das nicht gelingt, dann schauen wir uns die Dinge an."

Pizzonia selbst möchte fahren, möchte erneut zeigen können, das ein künftiger Star in ihm schlummert. "Ich möchte wirklich Rennen fahren", erklärte er. "Wer weiß - vielleicht kommt Jenson nicht zurück zu Williams, dann könnte ich wieder eine Chance bekommen. Leider gibt es nicht mehr sehr viele Topplätze. Wenn ich also nicht für Williams Rennen bestreite, dann teste ich eben für das Team - diesen Vertrag habe ich schon."