• 14.05.2002 10:15

  • von Fabian Hust

Österreich: Williams ist näher an Ferrari rangekommen

Lesen Sie in der Analyse des Österreich-GPs, warum Williams dichter an Ferrari dran war, als es auf dem ersten Blick erscheint

(Motorsport-Total.com) - Ferrari
Ferrari ist und bleibt die Nummer 1 der Saison. Bis auf Malaysia, wo man in der Hitze gegen die Michelin-bereiften BMW-Williams keine Chance hatte, haben die Roten eine weiße Weste ? zumindest was die reinen Ergebnisse angeht, über die sportlichen Aspekte wollen wir uns in der Analyse bewusst nicht mehr auslassen. Das ganze Wochenende über erwies sich der F2002 nicht nur als ein schnelles sondern auch als ein äußerst zuverlässiges Auto. Nur im Qualifying gab es an Schumachers Auto ein dubioses Balance-Problem.

Titel-Bild zur News: Start in Österreich

Von Anfang an in Führung: Die beiden Ferrari ziehen dem Feld davon

In Imola und in Barcelona musste Michael Schumacher sein ganzes Können aufbringen, um Rubens Barrichello doch noch die Pole Position vor der Nase wegzuschnappen. Bemerkenswert war, dass in beiden Fällen der Deutsche das Setup seines Teamkollegen "kopierte". Auch in Österreich hatte "Rubinho" das bessere Händchen für den F2002, was man Barrichello hoch anrechnen muss. Ein kompletter Rennfahrer muss auch in der Lage sein, seinen Rennwagen perfekt abzustimmen. In dieser Beziehung zeigt Schumacher in letzter Zeit ungewohnte Schwächen.

Das ganze Wochenende über trieben sich beide Fahrer zu Höchstleistungen an, in der Qualifikation war Rubens Barrichello bei weitem der bessere Fahrer. Zwei unfreiwillige Ausritte neben die Strecke ? keinesfalls der harmloseren Sorte ? hielten ihn nicht davon ab, zwei Traumrunden in den Asphalt zu brennen. Michael Schumacher hingegen kämpfte mit sich und seinem Auto. Zum ersten Mal überhaupt muss er sich Barrichello mehr als ein Mal in der Saison im Qualifying geschlagen geben.

Die Erklärung für die an den letzten drei Grand-Prix-Wochenenden gezeigte Stärke von Rubens Barrichello ist einfach: Seitdem nutzt der 29-Jährige den F2002. Dieses Auto ? das belegen die Onboard-Aufnahmen eindrucksvoll ? ist das wohl perfekteste Auto in der Geschichte von Ferrari. Die Straßenlage ist so phänomenal, dass es wirkt, als würden die Fahrer gemütlich mit ihrem Cabrio durch die Landschaft cruisen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich in schlechter liegenden und schwieriger zu fahrenden Autos die Spreu vom Weizen trennt. Somit kann Schumacher im F2002 nicht mehr jenen Bonus ausspielen, den er in den zuvor etwas schlechteren Autos noch hatte. Im Rennen war Schumacher in seiner schnellsten Runde 0,022 Sekunden schneller als Barrichello.

Kurzprognose:
Michael Schumachers Vorsprung auf die Konkurrenz ist gewaltig, der Titel zeichnet sich Rennen für Rennen mehr ab. In der Konstrukteursweltmeisterschaft jedoch ist das Rennen noch völlig offen. Es gibt aber nur ein Team, das ebenfalls realistische Chancen auf den Titel hat: BMW-Williams. In Österreich hat sich erneut gezeigt: Wenn es warm ist wie im Qualifying, sind die Weiß-Blauen nicht weit entfernt. Und die kühlen Rennen weichen so langsam den Hitzerennen des europäischen Sommers.

BMW-Williams
Ferraris Rekordrunden haben die Leistung von BMW-Williams geschmälert. Doch der Eindruck täuscht. Die bayerisch-britische Allianz war in Österreich bedeutend näher an Ferrari dran als noch zuvor in Barcelona. Sowohl Ralf Schumacher als auch Juan-Pablo Montoya waren auf einem Stopp unterwegs, Ferrari jedoch auf zwei, dies erklärt, wieso die Roten BMW-Williams davonziehen konnten. 0,555 Sekunden fehlten Montoya in seiner schnellsten Rennrunde auf Schumacher, bei Ralf Schumacher waren es 0,564 Sekunden. Ein Unterschied, den man teilweise mit der Benzinmenge erklären kann.

Nichtsdestotrotz war BMW-Williams in Spielberg Ferrari unterlegen. Die Ursache hierfür ist in erster Linie bei den Reifen zu suchen. Im Qualifying war das Auto gut genug, um theoretisch auf die Pole Position zu fahren ? da die Asphalttemperatur ein paar Grad wärmer war, was die französischen Pneus brauchen, um mit Bridgestone in einer Liga zu spielen.

Erstmals rückte BMW-Williams mit einem geschwungenen Frontflügel an und wandte sich damit von der traditionellen glatten Frontflügelvariante ab. Im Qualifying kämpfte Montoya mit Zündaussetzern, ansonsten waren die Autos sehr zuverlässig. Sowohl Ralf Schumacher als auch Juan-Pablo Montoya fuhren fahrerisch auf dem gleichen Niveau. Montoya wurde Dritter, weil ihm das Glück in der Safety Car-Phase hold war. Mit dem vierten Platz von Ralf Schumacher holte das Team das Maximum heraus.

Kurzprognose:
BMW-Williams hat das technische Paket, um Ferrari herausfordern zu können, vorausgesetzt es ist heiß genug, so dass die Reifen wie in Malaysia funktionieren. Der Gewinn des Konstrukteurstitels ist kein Ding der Unmöglichkeit. Was den Fahrertitel angeht, so ist erstens der Vorsprung von Michael Schumacher schon gewaltig und zweitens drohen sich die ähnlich starken Fahrer des Teams die Punkte gegenseitig wegzunehmen.

McLaren-Mercedes
Die Silberpfeile wollen einfach nicht in Schwung kommen. Man spürt förmlich, wie sowohl David Coulthard als auch Kimi Räikkönen versuchen, alles aus dem Auto herauszuquetschen, aber man kann keine konkurrenzfähigen Zeiten erzwingen. Es ist bemerkenswert, wie schlecht das Auto zu Beginn eines jeden Wochenendes auf der Straße liegt und welche Fortschritte das Team im Verlauf der Trainings machen kann. Dies spricht dafür, dass man immer noch mit den Michelin-Reifen nicht richtig zurechtkommt. Andere Teams kommen zumindest mit einem einigermaßen passenden Grund-Set-Up an die Strecke.

Die Vorstellung in Spielberg war typisch für diese Saison. Kimi Räikkönen wurde von einem Motorschaden gestoppt. Es scheint so, als müsse Mario Illien seine Motoren bewusst näher an ihre Grenzen bringen, um nicht noch hinter Teams wie Sauber und Renault zurückzufallen. David Coulthard kam immerhin in das Ziel, holte allerdings nur einen Punkt und musste sich damit dem Jordan-Honda von Giancarlo Fisichella geschlagen geben. In seiner schnellsten Rennrunde fehlten David Coulthard 1,925 Sekunden ? auch wenn der Silberpfeil randvoll getankt war, ist das zu viel des Guten, denn sieben andere Fahrer waren schneller.

Kurzprognose:
Die Frage ist berechtigt, warum McLaren-Mercedes meist gute Testzeiten fährt, diese aber nicht umsetzen kann. Trotz der Marathontests der letzten Zeit konnte man auf BMW-Williams, die ebenfalls auf Michelin-Reifen fahren, keine Zeit gut machen. Im Gegenteil, man scheint noch mehr in Rückstand geraten zu sein. Hinzu kommt die weiterhin mangelhafte Zuverlässigkeit. Das britisch-deutsche Team muss sich scheinbar mit dem Gedanken anfreunden, in diesem Jahr ohne realistische Siegchancen zu sein.

Renault
Das Renault-Team konnte in Österreich nicht so recht überzeugen. Sowohl im Training als auch im Rennen offenbarten sich Probleme mit der Zuverlässigkeit. Außerdem vermisste man die zuletzt gezeigte Konkurrenzfähigkeit in der Qualifikation. Im Rennen konnte Jenson Button mit seiner schnellsten Runde und 1,911 Sekunden Rückstand auf McLaren-Mercedes-Niveau fahren.

Kurzprognose:
Das Team besitzt immer noch die Möglichkeit, McLaren-Mercedes in der Konstrukteurswertung zu bezwingen. Es offenbart sich jedoch das, was viele Experten vermutet haben, dass Renault nicht mehr so große Schritte nach vorne machen kann wie in der letzten Saison. Die Luft an der Spitze wird eben immer dünner.

Sauber
Nach dem tollen Rennen in Spanien hatte die Schweizer Truppe in Österreich viel Pech. Nach einem sensationellen Qualifying konnte sich Nick Heidfeld sogar nach dem Start bis auf den dritten Platz nach vorne arbeiten. Doch zwei Fahrfehler des Mönchengladbachers führten zunächst zu drei Platzverlusten und später zu einem schweren Unfall. Von den Rundenzeiten wäre ein Platz auf dem Podium mit einer guten Strategie gut möglich gewesen, zumindest aber ein Rang in den Punkten.

Teamkollege Felipe Massa war zu stürmisch unterwegs und wurde dafür mit einem Pistenausritt und einem Aufhängungsschaden bestraft, der ihn zur Aufgabe zwang. Das Team konnte damit eine exzellente Chance auf Punkte nicht nutzen.

Kurzprognose:
Das Sauber-Team schafft es dank ständiger Weiterentwicklungen in einer Liga mit Renault und McLaren-Mercedes mitzuhalten. Während McLaren-Mercedes zurzeit ein wenig vorne zu liegen scheint besitzt Sauber weiterhin gute Chancen, Renault hinter sich zu lassen. Punkteplätze sind möglich, ein Platz auf dem Podium scheint unrealistisch.

Jaguar
Das Jaguar-Team ernährt sich immer noch von den Pünktchen des Saisonbeginns. Was die Grünen auf dem A1-Ring zeigten war ein Armutszeugnis. Während das kleine Arrows-Team mit dem gleichen Motor in der Top 10 mitfuhr, dümpelte man am Ende des Feldes herum. Der Doppelausfall passt zur Misere des Teams. In seiner schnellsten Runde fehlte Eddie Irvine 3,304 Sekunden auf die Spitze, das bedeutet Platz 15.

Kurzprognose:
Man spürt förmlich, wie Jaguar auf das neue Aerodynamikpaket wartet. Doch während man sich scheinbar sehr auf dieses große Upgrade konzentriert, rüsten die anderen Teams in kleinen Schritten auf und setzen sich mehr ab. Ob das neue Paket das Team nach vorne bringen wird, darf bezweifelt werden. Das Team kämpft gegen den Abstieg in das hintere Feld an.

Minardi-Asiatech
Auch die Truppe von Paul Stoddart hat nach dem glücklichen Saisonauftakt keine Chance mehr auf Punkte. Es war nicht das Wochenende des Alex Yoong, der sich zu viele Fahrfehler leistete und dann auch noch mit einem Motorschaden aufgeben musste. Mark Webber konnte das Rennen beenden und fuhr mit 2,521 Sekunden Rückstand eine verblüffend gute schnellste Rennrunde, das bedeutet Platz 12.

Kurzprognose:
Im Qualifying werden dem Team weiterhin die letzten Startplätze gehören, im Rennen kann man meistens konkurrenzfähigere Zeiten fahren und dürfte die eine oder andere Zielankunft in der Top 10 feiern können.

Jordan-Honda
Dank einer sehr guten Strategie und einer fehlerfreien und starken Fahrt von Giancarlo Fisichella holte sich Jordan-Honda mit dem fünften Platz die ersten Punkte der Saison. In seiner schnellsten Rennrunde fehlten Fisichella 1,986 Sekunden auf die Spitze, das ist Platz neun und zeigt, dass das Team viel Boden über die Strategie gut gemacht hat. Der Unfall von Takuma Sato war riesiges Pech.

Kurzprognose:
Jordan braucht glückliche Umstände wie die Safety Car-Phase in Spielberg, um derzeit in die Punkte fahren zu können. Nur im Regen könnten die Gelben dank der Überlegenheit Bridgestones und dem sehr guten Regenfahrer Giancarlo Fisichella echte Chancen auf Punkte haben.

Toyota
Mit den Plätzen acht und neun erzielten die Formel-1-Neulinge erneut ein respektables Ergebnis. Es zahlte sich offenbar aus, dass man zuvor auf dem A1-Ring testen konnte. Nach ein paar Problemen in den letzten Rennen waren die Japaner dieses Mal wieder zuverlässig. Allan McNish fehlten in seiner schnellsten Rennrunde 2,158 Sekunden auf die Spitze, Mika Salo 2,293 Sekunden.

Kurzprognose:
Toyota wird es schwer haben, in dieser Saison noch einmal in die Punkte zu fahren. Besonders auf schnellen Strecken verbunden mit gut funktionierenden Michelin-Reifen ist den Japanern aber durchaus eine Überraschung zuzutrauen.

Arrows
Die Fortschritte, die Arrows seit dem Beginn der Testfahrten macht sind verblüffend. Leider schoss Enrique Bernoldi Heinz-Harald Frentzen von der Strecke, damit zerstörte das Team das eigene Rennen selbst. Von den Rundenzeiten wäre man allemal in der Lage gewesen, in die Punkte zu fahren. Frentzen drehte mit 1,903 Sekunden Rückstand die sechstschnellste Rennrunde!

Kurzprognose:
Besonders wenn Bridgestone Michelin überlegen ist, ist mit dem Arrows-Team zu rechnen. Weitere Punkteplatzierungen sind in diesem Jahr wohl möglich, dank weiterer Entwicklungen nähert sich das Hinterbänklerteam der letzten Jahre sogar dem Niveau von Sauber an.

BAR-Honda
Das BAR-Honda-Team ist nach der Punkteplatzierung von Jordan das Schlusslicht der Formel 1. Trotz zweier exzellenter Fahrer konnte man noch keinen WM-Zähler einfahren. Das Rennen von Jacques Villeneuve war sensationell. Der Kanadier überholte laufend Konkurrenzten, auch wenn er natürlich leichter unterwegs war als seine Konkurrenz.

Eine schnellste Rennrunde mit 1,525 Sekunden Rückstand und Platz fünf zeigt, dass der Ex-Weltmeister zumindest mit einem leichten Auto vorne mitfahren konnte. Ein Motorschaden in der letzten Runde war symbolisch für diese Saison. Villeneuve schmiss sein Lenkrad wutentbrannt aus dem Auto, doch auch ohne den Motorschaden wäre er nicht in die Punkte gekommen. Teamkollege Olivier Panis hatte bereits zuvor einen Motorschaden.

Kurzprognose:
Konnte Jordan-Honda die Gunst der Stunde nutzen, gelang das BAR-Honda nicht. Beide Honda-Teams brauchen viel Glück, um Punkte holen zu können. Wie bei Jaguar will man auch bei BAR ein neues Chassis aus dem Ärmel zaubern. Ob das aber reichen wird, um die Formel-1-Saison in der Top 6 zu beenden darf bezweifelt werden.