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  • 13.05.2002 20:51

  • von Fabian Hust

Ferrari-Führungstrio wehrt sich gegen Proteste

Präsident di Montezemolo, Rennleiter Todt und Technikdirektor Brawn über die umstrittene Stallorder von Österreich

(Motorsport-Total.com) - Wie erwartet rollte am Tag nach dem Österreich-Grand-Prix auf das Ferrari-Team eine riesige Protestwelle zu. Ferrari-Rennleiter Jean Todt und Ross Brawn, der Technische Direktor des Teams, sollten am Montag als Wellenbrecher herhalten. "Wir wussten vor dem Rennen natürlich, dass Michael 44 und Rubens 6 Punkte hatte", so Todt. "Michael hatte aus diesem Grund die größere Chance auf den WM-Titel und aus diesem Grund waren die vier Punkte wichtig und deshalb haben wir Rubens gebeten, Michael vorbeizulassen."

Titel-Bild zur News: Ferrari-Führungstrio

Todt, di Montezemolo und Brawn verteidigen die Stallregie von Österreich

Todt: "Keine leichte Entscheidung"

Laut Jean Todt, der die Entscheidung scheinbar selbst ohne Rücksprache mit Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo traf, war die Stallorder das richtige Erfolgskonzept: "Wir kämpfen hier um einen Titel. Es ist ein schwieriger Kampf. Wir haben 1997, 1998 und 1999 den Titel im letzten Rennen verloren, das wollen wir jetzt vermeiden. Vielleicht hätten wir nicht so reagiert, wenn uns dies in der Vergangenheit nicht passiert wäre. Aber es ist passiert, wir machten harte Zeiten durch. Ich weiß, dass darüber einige Leute nicht glücklich sind, aber das Ergebnis steht und wir haben das Gefühl, dass es für das Team die richtige Entscheidung war. Es ist immer eine schwierige Entscheidung, eine Reihenfolge der Zieleinkunft zu ändern, es ist etwas, das man nicht immer macht."

Ferrari-Fahrer durften sich nicht angreifen

Schon von Anfang an war bei Ferrari alles auf maximale Punkteausbeute ausgelegt, wie Todt erklärt: "Im Moment genießen wir eine super Zeit. Wir haben ein Auto, das sehr konkurrenzfähig ist, einen guten Motor, bemerkenswerte Bridgestone-Reifen. Wir erlaubten unseren Fahrern nicht zu kämpfen. Ich sage dies nur sehr ungern, aber wir waren auf der Strecke viel schneller, es gab also keinen Grund, es unseren Fahrern zu erlauben, gegeneinander zu kämpfen, da wir dadurch vielleicht den Anderen das Rennen geschenkt hätten. Wir können nicht sicher sein, dass die Situation bei verbleibenden elf Rennen so bleiben wird, wir versuchen aus diesem Grund zurzeit das Maximum herauszuholen."

Todt: Ehrlicher und offensichtlicher Platztausch fair

Für Jean Todt war es auch eine richtige Entscheidung, den Wechsel offensichtlich kurz vor Schluss durchzuführen und ihn nicht durch irgendwelche Tricks "versteckt" vorzunehmen: "Ich denke, dass es viel besser ist zu zeigen, zu was wir uns entschieden haben. Es wäre unfair gewesen Rubens zu bitten, zu simulieren wie er überholt wird, was wir leicht hätten organisieren können. Es wäre auch ein Einfaches gewesen, in Rubens Auto zehn Kilo mehr Sprit einzufüllen, dann hätte Michael ihn an der Box überholt. Das haben wir nicht getan."

Der kleine Franzose wundert sich, dass über die Stallorder von Spielberg ein so großes Aufsehen gemacht wird: "Es war symbolisch, dass Rubens der moralische Sieger ist. Die zehn Punkte gingen an Michael, aber moralisch war Rubens der Sieger wie das bei Mika Salo der Fall war, als er Eddie Irvine 1999 den Sieg schenkte und wie bei Michael, als er nach seinem Unfall in Silverstone Irvine passieren ließ. Es ist also nicht etwas, das nicht schon vorher einmal vorgekommen ist, es ist etwas, das schon zuvor einmal passiert ist. Rubens hat das verstanden und er war sehr professionell. Wir haben gerade den Vertrag mit Rubens erneuert, mit einer klaren Situation und einem klaren Verständnis und Rubens versteht das."

Todt: Imagegewinn statt Imageverlust

Der Ferrari-Rennleiter spricht nicht den Image-Verlust an, den Ferrari in Österreich in der Öffentlichkeit ganz offensichtlich erlitten hat, im Gegenteil: "Es geht darum, ein konkurrenzfähiges Team auf die Beine zu stellen, Rennen zu gewinnen und ich denke, dass Ferraris Image heute - auch wenn es heute durch die Entscheidung des Teams ein wenig ein Kompromiss war - ein großartiges Image der Vorherrschaft hat, was in einer harten Disziplin wie der Formel 1 wichtig zu sein scheint."

Aber natürlich versteht Jean Todt auch, dass nicht jeder über das gezeigte Vorgehen von Ferrari glücklich ist: "Um ehrlich zu sein denke ich, dass einige Leute dagegen sind. Ich habe unterschiedliche Reaktionen mitbekommen. Am Ende des Tages ist es schlimmer, wenn man eine WM verliert als wenn man entscheidet, wer ein bestimmtes Rennen gewinnt, das von Ferrari so sehr dominiert wird."

Brawn: Entscheidung für bessere Titelchancen

Auch für Ross Brawn, den Technischen Direktor des Teams, war die Entscheidung unvermeidbar, da man nicht riskieren will, den Titel wieder im letzten Rennen zu verlieren: "Bis zu einem bestimmten Punkt kann ich die Reaktion des Publikums verstehen. Das Rennergebnis nimmt aber von Rubens Leistung nichts weg, er hatte ein fantastisches Rennen. Die Leute müssen verstehen, dass es Ferraris Hauptziel ist, beide Titel zu gewinnen. Ich kann verstehen, warum es die Leute hart finden, das zu verstehen, aber dies ist der Grund, warum dies passiert ist. Wir haben das Gefühl, dass uns diese Entscheidung in eine bessere Position im Titelkampf bringt."

Brawn: Stallorder gab es schon immer

Auch der Anhörung vor der FIA am 26. Juni dürfte der Brite wohl gelassen entgegen sehen: "Die FIA weiß, dass die Formel 1 ein Teamsport ist und akzeptiert, dass man dies an Hand einer Teamorder sieht. Diese waren schon immer Teil des Sports. Die Situation wäre anders gewesen, wenn Rubens in der WM-Wertung vorne liegen würde, aber die Realität ist, dass Michael vor dem Rennen 38 Punkte mehr hatte und aus diesem Grund haben wir uns darauf konzentriert, ihm den Titel zu geben. Rubens versteht das und wenn er sich in der Zukunft in einer ähnlichen Situation befindet, dann wird er um den Titel kämpfen."

Brawn: Schumacher leitet das Team nicht

Auch Brawn glaubt nicht, dass der Sport durch diese Entscheidung Schaden genommen hat: "Dies ist nur ein Teil der Formel 1. Wir hätten Rubens für einen unnötigen Stopp an die Box rufen können, aber wir haben es ehrlich gemacht, jeder konnte sehen, dass es Rubens' Rennen war und dass er Michael den Sieg geschenkt hat, einfach wegen den Punkten. Michael weiß Rubens zu schätzen und sogar für ihn war es schwierig zu sehen, wie sein Teamkollege diese Art von Entscheidung akzeptieren muss. Er hat ihn nicht gebeten das zu tun, aber er leitet das Team nicht."

Auch Luca di Montezemolo war von der Entscheidung überrascht

Auch wenn die Entscheidung, Schumacher in Österreich gewinnen zu lassen, scheinbar nicht per Handy aus Italien von Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo kam, so unterstützt der Vorgesetzte von Jean Todt die Entscheidung: "Mir tut es für Rubens Leid, aber ich schätze die vom Team gefällte Entscheidung und stimme ihr zu, denn am Ende des Jahres werden die Punkte zusammengezählt", so der Italiener gegenüber der 'Gazzetta dello Sport'.

Montezemolo vertritt öffentlich wenig überraschend nach der nicht mehr rückgängig zu machenden Entscheidung die gleiche Meinung wie sein Team: "Manchmal muss man die Logik und das Ergebnis vor die Leidenschaft stellen. Zehn Sekunden vor dem Ende des Rennens habe ich selbst zu mir gesagt 'großartig, Barrichello gewinnt', aber zwei Sekunden später sagte ich zu mir selbst 'gut gemacht Leute, das ist die richtige Entscheidung'."