• 31.01.2005 12:34

Nick Heidfeld: Porträt und Interview

Nick Heidfeld war nie der Mann der großen Worte - doch jetzt könnte er mit großen Taten in einem Top-Team positiv auffallen

(Motorsport-Total.com) - Schrille Auftritte erhöhen die Popularität. Das weiß jedes Sternchen, das ein Star werden will. Nick Heidfeld ist so etwas schnuppe. Er gehört zum elitären Kreis der 20 besten Rennfahrer der Welt und ist doch der nette Junge von Nebenan geblieben. Bescheiden, zurückhaltend, freundlich und höflich. Dabei gäbe es eine Menge, womit er angeben könnte. Zum Beispiel seine Karriere.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld hat es geschafft und will nun seinen ersten Formel-1-Sieg einfahren

Als Steppke von noch nicht einmal fünf Jahren fuhr er schon Motocross - gemeinsam mit seinem jüngeren und seinem älteren Bruder. Kleine Maschinen mit 50-ccm-Motoren boten jede Menge Fahrspaß. "Bis ich bei einem Unfall mit dem Bein zwischen Rad und Schutzblech hängenblieb, wobei das Gas leider auch auf voll hängenblieb...", erinnert sich der Mönchengladbacher an den schmerzhaften Verlust seines Wadenmuskels.#w1#

Als Erstklässler noch zu klein für den Kartsport

Als Erstklässler wäre er schon gerne Kart gefahren. "Ich war aber zu klein. An den Leihkartbahnen gab es immer solche Stangen: Wer darunter durchlaufen konnte, durfte nicht fahren." Bei einem der ungezählten Familienausflüge zum Nürburgring war es endlich soweit. Mit zwei Reifen und einer Decke im Rücken durfte er auf der brandneuen Kartbahn fahren. Indem er dort seinen Vater Wolfgang überholte und abhängte, qualifizierte sich Nick Heidfeld für sein erstes eigenes Kart. Er bekam es als Achtjähriger. Clubmeisterschaften in Kerpen-Manheim, Rennen auf nationaler Ebene, Teilnahmen an Europa- und Weltmeisterschaftsläufen - er lernte sein Handwerk gründlich und sammelte Trophäen wie andere Kinder bunte Bildchen.

Mit 17 Lenzen dominierte Heidfeld die Deutsche Formel Ford 1600-Meisterschaft - acht Siege in neun Rennen. Ein Jahr später holte er sich den Titel in der Formel Ford 1800.

1996 war er als 19-Jähriger der Jüngste im Feld der Deutschen Formel-3-Meisterschaft und fasste auch dort sofort Fuß - drei Siege und Rang drei im Gesamtklassement, außerdem Poleposition und Laufsieg beim Formel-3-Weltfinale auf dem abenteuerlichen Stadtkurs von Macau sowie Platz drei beim europäischen Kräftemessen der Formel 3 in Zandvoort. Nick Heidfeld wurde 1997 schon vor Saisonbeginn als kommender Formel-3-Meister gehandelt. Zumal auch Mercedes bereits den Rohdiamanten in ihm erkannt hatte und die ersten Formel-1-Testfahrten mächtig mediale Aufmerksamkeit erregten. Der Formel-1-Boom in Deutschland war gerade in voller Beschleunigung, eine Folge der ersten beiden WM-Titel Michael Schumachers. Heidfeld ließ sich durch nichts beirren. Er hatte das Talent, um die Meisterschaft zu gewinnen, im Opel Team von Bertram Schäfer auch das Material dazu - und er setzte seine Möglichkeiten um. Mit fünf Siegen machte er sein Meisterstück im deutschen Championat. Mit seinem Triumph beim Formel-3-Grand-Prix in Monaco kam sein Name auch international ins Gespräch."

Die Formel 3 war die erste Station im professionellen Motorsport, das konnte man nicht mehr Hobby nennen", sagt er rückblickend. "Es war eine sehr wichtige Lehrzeit."

Doppelbelastung in den Jahren 1998 und 1999

1998 und 1999 wurden noch intensivere Jahre. Er trat in der Internationalen Formel-3000-Meisterschaft an - drei Siege und Zweiter der Meisterschaft im ersten Jahr, im zweiten Jahr reichten vier Siege zum Titel. "Mein Teamchef David Brown war ein sehr guter Ingenieur", sagt Heidfeld, "er hatte unter anderem schon mit Ayrton Senna und Nigel Mansell gearbeitet, und er hat mir wahnsinnig viel in Sachen Set-up beigebracht." Parallel arbeitete Heidfeld als Formel-1-Testfahrer für McLaren-Mercedes. 1999 gehörte er, wie Mark Webber, zur Mercedes-Fahrerriege für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans, aus dem die Fahrzeuge allerdings zurückgezogen werden mussten.

2000 fand er bei Prost einen Platz als Stammfahrer. "Die Hoffnungen waren groß", erinnert er sich. "Das Team hatte gute Leute und gute Sponsoren. Aber letztlich haben wir nicht einen einzigen Punkt erzielt. Viele Rennen habe ich gar nicht beenden können."

Es folgten drei Jahre bei Sauber. 2001 erzielte er in Brasilien seinen ersten Podiumsplatz. "Eine schöne Zeit", sagt Heidfeld. "Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt und habe auch jetzt noch freundschaftlichen Kontakt zu einigen Teammitgliedern." In dieser Zeit schlug er auch privat seine Zelte in der Schweiz auf. "Monaco war immer für ein paar Tage witzig, aber nicht das, was ich mir langfristig gewünscht habe." Mittlerweile hat er sich in der Schweiz ein Haus zugelegt. "Erbaut Mitte des 19. Jahrhundert", erzählt er, "und wir haben bei der Renovierung auch Wert auf altes Handwerk gelegt." Ein Fitnessstudio, moderne Einzelstücke beim Interieur und moderne Kunst bilden Kontraste zum traditionsbewussten Wohnen.

Seit einiger Zeit lebt Heidfeld in der Schweiz

Ähnlich abwechslungsreich ist der Standort. "Wir haben absolute Ruhe", sagt der stolze Hausbesitzer, "aber wir können auch in einer Viertelstunde nach Zürich fahren und diese sehr schöne Stadt genießen." Trotz wachsender Naturverbundenheit möchte Heidfeld auf die Lichter der Großstadt nicht verzichten. "Zum Rennrad oder Mountainbike fahren ist die Gegend ideal."

Zu Heidfelds Fitnessrepertoir gehören auch Tennis, Golf "und eine Menge anderer Sportarten. Mir macht das alles Spaß. Es gibt keine Einzelsportart, der ich mich besonders verschrieben habe."

Dass er Sauber Ende 2003 verlassen musste, "hat mich natürlich nicht gefreut. Aber es lag sicher nicht daran, dass ich meinen Job nicht gut gemacht hätte." Es folgte ein harter Winter. "Ich war froh, als ich dann die Möglichkeit bei Jordan bekam, obwohl ich wusste, dass die Saison sehr schwierig werden würde. Anfangs haben wir uns aber doch überraschend gut gesteigert. Bergab ging es, als Mitte der Saison einfach kein Geld mehr für die Entwicklung da war."

Heidfeld klagt nicht. Er stellt das ganz sachlich fest. Der erste Test im BMW WilliamsF1 Team hat ihn beeindruckt: "Es war alles in allen Bereichen besser, eine andere Welt. Ich hatte mich auch tierisch auf diesen Test gefreut", gesteht er, "ich bin offen empfangen worden, alles hat prima funktioniert." Es gab nicht nur mehr Material zum Testen, sondern auch gestiegenes öffentliches Interesse. Vordrängeln ist dabei seine Sache nicht. Er lässt vor allem Taten sprechen. Aber einmal angestoßen, ist Nick Heidfeld auch ein sprudelnder Gesprächspartner. Intelligent, informiert, offen und eloquent. Stille Wasser sind eben doch tief.

Nick Heidfeld im Interview

Frage: "Womit kann man Ihnen im Alltag eine Freude machen?"
Nick Heidfeld: "Ich mag Überraschungen, kleine Geschenke oder Aufmerksamkeiten. Mit einer Einladung zum Essen kann man mir auch immer einen Gefallen tun. Essen ist ein richtiges Hobby von mir."

Frage: "Wo liegen Ihre Stärken?"
Heidfeld: "Beim Fahren ist es der Speed, und der ist für mich auch das A und O. Charakterlich: Ich bin sehr zielstrebig, objektiv und organisiert. Außerdem gelingt es mir gut, Negatives auszublenden, anstatt mich davon ablenken zu lassen."

Frage: "...und welche Schwächen verstecken Sie?"
Heidfeld: "Keine."

Frage: "Wovon haben Sie als Kind geträumt?"
Heidfeld: "Ab den ersten Karterfolgen, da war ich etwa zehn Jahre alt, habe ich davon geträumt, es in die Formel 1 zu schaffen."

Frage: "Wenn Sie nur einen einzigen Wunsch frei hätten. Der wäre...?"
Heidfeld: "Gesundheit für meine Familie und für mich. Gesundheit ist und bleibt das Wichtigste im Leben."

Frage: "Welche Art von Rennstrecke ist Ihnen am liebsten?"
Heidfeld: "Ich habe zwei Lieblingsstrecken: Suzuka und Macau. Das sind völlig unterschiedliche Kurse, daran kann man sehen, dass ich keinen bestimmten Typ Rennstrecke favorisiere. Beide Kurse sind abwechslungsreich und anspruchsvoll. In Macau kommt durch die Enge noch ein ganz besonderer Thrill dazu. Die Strecke in Suzuka hat einen sehr schönen Fluss. Ich mag besonders die schnellen 'Esses'. Man muss in Suzuka jede Kurve optimal erwischen. Kommt man aus der einen nicht vernünftig raus, kann man die nächste auch gleich vergessen."

Frage: "Freuen Sie sich über neue Kurse im Kalender - 2004 Bahrain und Shanghai, 2005 Istanbul - oder ist die Reise ins Ungewisse eher unangenehm?"
Heidfeld: "Ich freue mich auf jeden Fall auf neue Rennstrecken und neue Länder, das ist extrem interessant für mich und war schon im Kartsport so. Damals war die erste Reise nach Dänemark spannend, heute sind entferntere Ziele aufregend. Schwer zu glauben, aber wahr: Selbst Formel-1-Rennstrecken können langweilig werden. Eine Zeitlang war ich so oft in Barcelona, dass ich die Strecke bald nicht mehr sehen konnte."

Frage: "Sie haben Teams in Finanznöten kennen gelernt. Treibt Sie die Sorge um die kleineren Teams um?"
Heidfeld: "Ich bin kein Ökonom, sondern Fahrer. Aber ich sehe natürlich, dass es bisher nicht funktioniert hat, Bedingungen zu schaffen, unter denen man auch mit weniger Geld ein wenigstens einigermaßen gutes Auto bauen kann."

Frage: "Was darf das Auto für Ihren Geschmack eher: ein wenig unter- oder etwas übersteuern?"
Heidfeld: "In langsamen Kurven darf es eher etwas übersteuern. Bei höherem Speed sollte es sich eher neutral verhalten."

Frage: "Würden Sie Ihrer Freundin erlauben, ein Interview zu geben?"
Heidfeld: "Wieso erlauben? Ich habe meiner Freundin nichts zu erlauben oder zu verbieten, wir leben doch nicht mehr im Mittelalter. Abgesehen davon hätte ich nichts dagegen, wenn sie Interviews gäbe. Aber sie will das meistens lieber nicht."