• 19.11.2002 10:01

Mosley: 2003 "wahrscheinlich" nur 20 Autos

Max Mosley spricht im Interview ausführlich über die Probleme in der Formel 1 und durchgeführte und geplante Reglementänderungen

(Motorsport-Total.com) - FIA-Präsident Max Mosley sprach im Rahmen einer Pressekonferenz in Australien ausführlich über die Probleme in der Formel 1 und durchgeführte und geplante Reglementänderungen.

Titel-Bild zur News: FIA-Präsident Max Mosley

FIA-Präsident Max Mosley sieht in der Formel 1 dringenden Handlungsbedarf

Frage: "Ich nehme an, dass jeder über die neuen Regeln für 2003 gelesen hat, aber was werden sie wirklich für den Rennfan, den Fernsehzuschauer in Melbourne 2003 bedeuten?"
Max Mosley: "Zunächst einmal wird dies das erste Rennen sein und es wird sehr interessant sein zu sehen, wie sie funktionieren. Zweitens gibt es die Rangfolge für den Freitag, wenn der Führende der letztjährigen Weltmeisterschaft als Erster auf die Strecke gehen wird. Es wird also Michael Schumacher, gefolgt von Rubens Barrichello und so weiter sein. Das wird interessant sein, denn sie gehen auf eine relativ 'grüne' Strecke und müsse eine Zeit fahren, die für sie am Samstag sehr wichtig ist. Es ist also ein neues Gebiet und ich denke, dass jeder in Europa um drei Uhr nachts aufstehen wird, um zu sehen, wie sich das wirklich auswirkt."

"Eine originelle Idee"

Frage: "Wie kam man auf diese Idee, denn sie ist ja ähnlich jener bei den Indy 500 aber in vielerlei Hinsicht ziemlich anders und komplett neu für die Formel 1?"
Mosley: "Der Vorschlag kam tatsächlich von einem der Teamingenieure. Und es ist eine originelle Idee, denn wir suchten nach etwas, um den Freitag wichtig und interessant zu machen, so dass wir sicher sind, dass die Fahrer aussagekräftige Zeiten fahren und nicht einfach nur ihr Auto abstimmen. Auf der anderen Seite war das Zusammenzählen der Zeiten vom Freitag und Samstag nicht wirklich reizvoll. Es ist viel aufregender, am Samstag die richtigen Zeiten zu sehen, es war also eine geniale Idee, die Zeiten vom Freitag für die Reihenfolge des Samstags herzunehmen, denn jeder will am Samstag der Letzte sein, der auf die Strecke geht. Zusätzlich könnte Spannung aufkommen, wenn es in der Mitte des Trainings regnet, was alles etwas unsicher machen würde."

"Ziemlich guter Kompromiss"

Frage: "Ich nehme an, dass es einer der größten Erfolge war, dass alle Teams zugestimmt haben. Für einen FIA-Präsident dürfte das etwas ziemlich großartiges gewesen sein, oder?"
Mosley: "Ich denke, dass wir da ziemlich viel Glück hatten. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass alle wussten, dass bestimmte Elemente des Sports ein wenig aufgefrischt werden mussten. Wir wollten gleichzeitig nicht zu viel unternehmen, so dass wir die Natur des Grand-Prix-Sports verändern und ich denke, dass dieser Kompromiss ziemlich gut war."

"Der Charakter der Formel 1 bleibt unverändert"

Frage: "Denken sie, dass die Startaufstellung ein wenig durcheinander gewürfelt werden wird?"
Mosley: "Wenn man Überholmanöver und engen Rennsport sehen möchte, dann ist es nicht gut, zwei Tage damit zu verbringen, herauszufinden, wer das schnellste Auto hat und denjenigen dann von vorne starten zu lassen und dann noch zu erwarten, dass derjenige mit dem schnellsten Auto überholt wird. Im Normalfall wird er davonfahren. Nun wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der schnellste Fahrer nicht zwangsläufig vorne steht, denn es gibt so viele Dinge, die passieren können ? ein Fehler des Fahrers, Regen und all diese Dinge. Ich denke also, dass die Startaufstellung dadurch ein wenig durcheinander gebracht wird, jedoch nicht so sehr, dass man sagen wird, dass der Charakter der Formel 1 verändert worden ist."

"Wir wissen noch nicht, wer unterschreibt"

Frage: "Es gibt ja noch die Sache mit dem Testen am Freitag, wenn mindestens drei Teams zustimmen. So würden wir Testfahrer auf den Strecken sehen. Werden wir auch reguläre Fahrer sehen. Wie wird das funktionieren?"
Mosley: "Das wird sehr interessant sein zu sehen, was sie auswählen werden, denn wenn man ein Top-Team ist, so wird man es am Anfang wohl vorziehen, so viel wie möglich zu testen, aber rückblickend könnte man vielleicht die Nachteile sehen, die man hat, wenn man nicht auf jeder einzelnen Grand-Prix-Strecke testen kann, etwas, das es zuvor noch nie gegeben hat. Dass man dort mit seinem Testfahrer und neuen Komponenten fahren kann könnte im Zusammenspiel mit zehn freien Testtagen und den verfügbaren Simulationstechniken die bestehende Praxis ausstechen. Wir wissen noch nicht, wer unterschreiben wird, wir kennen auch die großen Auswirkungen nicht, das wird interessant sein zu sehen. Ich vermute, dass rückblickend mehr zustimmen werden als dies im Moment tun werden. Die Vorteile werden größer sein, als sie zunächst realisieren."

Frage: "Einer der Vorteile wären schöne Stories, die sich ergeben würden. Sagen wir einmal, Jordan würde immer mit lokalen Fahrern fahren, das wäre doch schön?"
Mosley: "Das ist die Idee dahinter. Es sollen private Tests sein, man kann also tun, was man will, solange man die Sicherheitsbestimmungen beachtet und die normalen Sicherheitsregeln greifen. Man kann mehr oder weniger tun, was man möchte, und man wird vielleicht Fahrer aus einem bestimmten Land fahren lassen, was zu einem wirklich interessanten Mix führen würde."

Frage: "Und sie werden dann vielleicht gegen Michael Schumacher und die anderen Top-Fahrer fahren."
Mosley: "Wenn Michael Schumacher und Ferrari entscheiden, diese Option wahr zu nehmen, dann ja."

"Besondere Beziehung zwischen Ferrari und Bridgestone"

Frage: "Kommen wir einmal auf die Reifen. Sie sagten, dass es zwischen Bridgestone und Ferrari eine besondere Beziehung gibt und dass dies ihnen geholfen hat, den Titel so leicht zu gewinnen."
Mosley: "Ich glaube, dass es ohne Zweifel eine besondere Beziehung zwischen Bridgestone und Ferrari gibt, das konnte man ja auch erwarten. Ferrari ist ihr Top-Team und ich denke, dass es einen umfassenden Informationsaustausch gibt. Das Problem bisher war es gewesen, dass Bridgestone einen besonderen Reifen für Ferrari machen konnte ? oder nur für Michael Schumacher, wenn sie wollten ? und die andere Reifenfirma, Michelin, sowohl McLaren und Williams mit Reifen ausstatten musste aber nur zwei Reifen liefern durfte, zwei verschiedene Typen für jedes Rennen, und dabei Kompromisse machen musste. Nun müssen sie nicht länger einen Kompromiss machen, da sie für jedes Team zwei Reifen bringen können. Man könnte also sehr leicht eine Reduzierung des Abstandes zwischen McLaren und Williams sehen. Aber die Reifen sind natürlich nur ein Faktor ? aber ein sehr wichtiger."

"Wenn die Öffentlichkeit eine Stallorder erkennt, sollte es die Rennleitung auch können"

Frage: "Ein anderer Aspekt der neuen Regeln ist die Teamorder. Sie mussten handeln, haben es getan, aber es ist schwierig, es zu kontrollieren."
Mosley: "Nun, es ist sehr schwierig, aber ich denke, dass man es von dem Standpunkt aus sehen muss, dass wenn es die Öffentlichkeit sehen kann, es auch die Rennleitung sehen kann. Es wird also kein zweites Österreich geben. Wenn wir Ferrari angeklagt hätten, dann hätten sie gesagt, dass dies ja die Leute in den letzten Jahren auch so getan haben, nun haben wir eine klare Regel und man kann es nicht mehr tun. Man könnte den Fall haben, dass man sich ziemlich sicher ist, dass sie es getan haben, aber man kann es nicht sicher beweisen. Nun, das ist etwas, das tagtäglich im Leben passiert. In diesem Fall würde der Rennleiter alle Betroffenen anhören und besonders das Team, das für diesen Umstand gesorgt hat und sie könnten aus den Umständen Schlussfolgerungen ziehen, dass es eine Stallorder war und das Team etwas getan hat, was es nicht hätte tun sollen."

Frage: "Dia Fans erinnern sich natürlich an den Australien-Grand-Prix 1998, als es diesen Platztausch zwischen David Coulthard und Mika Häkkinen gab. Da haben die Diskussionen wohl begonnen."
Mosley: "Ja, das hat die Leute wohl daran erinnert, dass es Teamorder gibt und dass diese von Zeit zu Zeit angewendet werden könnten und es regt natürlich die Leute auf, die gezockt haben und das nicht in Betracht zogen, was ich absolut verstehen kann. Nun weiß jeder, wo man steht. Wenn es passiert kann das Team bestraft werden."

"Eine kontroverse Sache"

Frage: "Es gibt jetzt für die Top 8 Punkte. So lange ich mich daran erinnern kann, gab es die Punkte für die Top 6 und nun stehen zwischen dem Ersten und Zweiten nur zwei Zähler. Wenn man in die Vergangenheit zurückblickt, so hätte man dadurch in den letzten 15 Jahren zwei andere Weltmeister gehabt."
Mosley: "Es ist eine kontroverse Sache, denn zu Beginn der 90er sind wir vom klassischen 9-6-4-3-2-1- zum 10-6-4-3-2-1-System mit dem Ziel übergegangen, den Sieg gegenüber dem Zweiten aufzuwerten, den Abstand zu erhöhen. Das Argument ist, dass jemand, der viele Rennen gewinnt, auch die Meisterschaft gewinnen sollte. Auch wenn dies immer noch ein Faktor ist, so haben die Leute das Gefühl, dass es wichtiger ist, dass die Teams dichter zusammen bleiben und mehr Leuten Punkte geben, denn man kann ein paar sehr, sehr konkurrenzfähige Teams haben, die auf dem siebten, achten und neunten Platz fahren. Alle diese Dinge stehen in Balance und man kann das System nur so gut wie möglich den bestehenden Umständen anpassen. Ich denke, dass es wohl das Richtige ist, es jetzt zu tun, denn auf allen Fahrern lastet eine Menge Druck, Rennen zu gewinnen. Wir hatten einen Michael Schumacher, der Rennen am Ende der Saison gewonnen hat, wo er keine Rennen mehr gewinnen hätte müssen, er hätte einfach herumfahren können."

Frage: "Alle diese Entscheidungen wurden von der Formel-1-Kommission gefällt. Können sie erklären, wer in ihr sitzt und was sie ist?"
Mosley: "In der Formel-1-Kommission sitzen effektiv 12 Teams oder die Teams, die dort sind haben 12 Stimmen, auch wenn es weniger als 12 Teams sind. Dann gibt es acht Promoter, vier aus Europa und vier von außerhalb Europas. Wir haben die kommerziellen Rechteinhaber, das ist Bernie Ecclestone und es gibt mich, das sind in der Summe 26. Wenn man etwas durchsetzen will, so braucht man zumindest 18 Stimmen, es ist also eine sehr konservative Institution, man braucht eine große Stimmenanzahl, bevor man etwas verabschieden kann. Keine Gruppe kann alleine etwas durchsetzen, die Promoter oder Teams können aber etwas blocken, wenn sie das wirklich müssen."

"Wir können uns selbst nicht helfen"

Frage: "Vor kurzem wurde eine Menge über den Zustand der Formel 1 gesagt. Wir haben gehört, dass die Einschaltquoten in bestimmten Ländern zurückgegangen sind. Wie sehen sie das alles?"
Mosley: "Nun, ich denke, dass dort eine Menge Faktoren im Spiel sind. Zunächst einmal gibt es im Fernsehen mehr Wettbewerb, es gibt mehr Zuschauer. Wenn man gerne dem Sport zuschaut, so ist die Zahl der Sportarten über das Satelliten-Fernsehen enorm. Zum zweiten gibt es keinen Zweifel daran, dass es ziemlich schnell klar war, dass 2002 Michael Schumacher gewinnen würde und der Ferrari das dominante Auto war wohingegen in den Jahren zuvor ? ich denke an die zurückliegenden sieben Jahre, fünf Weltmeisterschaften bis zum letzten Rennen gingen und wirklich keiner in der Lage war zu sagen, wer gewinnen wird. Es gibt aus diesem Grund die Tendenz, dass sich die Leute am Sonntagnachmittag fragen, sollen wir an den Strand gehen oder die Formel 1 anschauen. Dann sagt man vielleicht, 'Nun, Schumacher ist auf Pole oder er steht in der ersten Reihe, er wird gewinnen'. Nun kann man dagegen vorgehen und diejenigen, die dies machen können, sind Williams, McLaren, Renault, Jaguar und so weiter. Sie müssen im Vergleich zu Ferrari besser arbeiten. Wir selbst können uns nicht helfen, aber ich denke, dass alle diese Dinge für eine spannende nächste Saison sorgen werden, aber da kann sich niemand sicher sein."

"Die Formel 1 ist konkurrenzfähiger als jemals zuvor"

Frage: "Normalerweise ist es in der Formel 1 ja so, dass man nicht für mehr als drei oder vier Jahre in Folge an der Spitze bleiben kann und eine Verbesserung von rund einem Prozent Williams oder McLaren oder wen auch immer direkt zurück an die Spitze bringen würde?"
Mosley: "Dies ist absolut richtig. Die Positionen und Zeiten sind im Moment so eng, dass ein paar Zehntel einer Sekunde einen eine Menge Plätze nach vorne bringen können, mehr als jemals zuvor in der Vergangenheit. Die Formel 1 ist konkurrenzfähiger als jemals zuvor, sie haben also absolut Recht und wenn ein Team dominant ist, dann kommt gewöhnlich ein anderes Team und macht ihm das Leben schwer. Ich möchte Ferrari nicht verletzten, aber es wäre schön, wenn alle drei Top-Teams dicht beieinander liegen würden."

"Es wäre schön, 22 Autos zu haben"

Frage: "In vier Monaten findet der Große Preis von Australien statt. Wie wird die Formel 1 dann aussehen? Werden wir 20 Autos, 22 Autos haben? Wir haben ja die ganzen Diskussionen um Arrows gehört, es wäre natürlich schön, wenn das Team weitermachen wird."
Mosley: "Es wäre schön, 22 Autos zu haben. Ich denke, dass 20 die wahrscheinlichere Zahl ist, nicht zwangsläufig wegen Arrows, aber es gibt andere Teams, die nicht 100-prozentig gut in Form sind. Wir drücken aber die Daumen und hoffen, dass sie im März dabei sein werden."

Frage: "Sehen sie weitere Automobilhersteller oder weitere Teams zurückkommen?"
Mosley: "Das ist möglich, aber es hängt davon ab, ob die Kosten sinken. Wir waren nicht so erfolgreich dabei gewesen, wenn es darum geht, die Kosten zu senken. Das Problem war es, unter den Teams eine Einigung zu finden. Wenn es teurer und teurer wird, dann denke ich, dass Hersteller, die noch nicht dabei sein, sagen, dass der Gegenwert nicht so gut ist, wie sie es gerne haben möchten und es könnten ein oder zwei Hersteller, die momentan dabei sind, aufhören. Ich erhalte aus diesem Grund die ganze Zeit den Druck auf die Teams aufrecht, eine Menge größere Veränderungen vorzunehmen, die das Spektakel oder den sportlichen Wettbewerb beeinflussen. Wir müssen das ganze deutlich günstiger gestalten."

Zweifel an Veränderungen am Auto

Frage: "In zwei oder drei Wochen treffen sie sich erneut und dann wollen sie eher die Autos verändern?"
Mosley: "Die Teams werden sich das natürlich anschauen, aber ich habe meine Zweifel, was dabei herauskommen wird. Normalerweise kommt dabei nichts raus, wenn die Teams so einen Vorstoß machen, denn es gibt immer einen, der an einer bestimmten Regel Interesse hat, denn man braucht einstimmige Zustimmung, wenn es um die Regeln für nächstes Jahr geht. Wer das meiste Geld hat, hat zum Beispiel kein Interesse, die Kosten zu reduzieren."

Frage: "Wenn es das Concorde-Agreement nicht geben würde und es keine Mehrheitswahl geben würde, was würden sie gerne sehen? Würden sie die Aerodynamik gerne beschnitten sehen, die Reifenbreite verändert sehen ? sie haben ja versucht, die Autos mit gerillten Reifen einzubremsen, es hat aber nicht funktioniert."
Mosley: "Nun, die Rillenreifen haben das ganze ein wenig gebändigt. Wenn man sich zum Beispiel Magny-Cours 1992 anschaut, so haben sie zehn Jahre gebraucht, um die Pole Position-Zeit von 1992 zu schlagen. Die Sache mit den Reifen ist jene, dass sie funktioniert. Man weiß das. Wenn man zum Beispiel das dumme Beispiel eines Motorrades nimmt, das 10.000 PS hat, so könnte es die Kraft nicht auf die Strecke bekommen und würden nicht um die Kurve kommen. In einer perfekten Welt hätten wir breitere Reifen, mehr Haftung, mehr mechanische Haftung aber weniger Abtrieb. Das Problem ist, dass wenn wir die Reifen erlauben, die Ingenieure mit Vorschlägen für den Abtrieb ankämen und wir aus der Erfahrung in den letzten 34 Jahren wissen, dass sie über den Winter immer mehr finden als man ihnen im Sommer wegnimmt. Das einzige, was funktionieren würde, wäre die Tatsache, wenn wir kein Concorde Agreement hätten und die FIA die Aerodynamik-Regeln machen würde. Ich wäre wirklich froh, ihnen sagen zu können, dass sie große Reifen, breite Autos und alle Haftung haben können, die sie möchten, weil wir das Thema Aerodynamik festlegen. Aber man müsste etwas sehr dramatisches machen und das wäre auch sichtbar. Sehr sichtbar an den Autos. Aber in einer perfekten Welt würden wir das tun."