• 01.04.2002 11:05

Montoya: "Michael glaubt, er kann sich alles erlauben"

Juan-Pablo Montoya und Michael Schumacher über den Zwischenfall in der ersten Runde, der Montoya das Rennen kostete

(Motorsport-Total.com/dpa) - Verlierer Juan-Pablo Montoya schäumte vor Wut und redete sich immer mehr in Rage. "Schumacher kreuzte meinen Weg, riss meinen Frontflügel ab und zerstörte mein Rennen", tobte der heißblütige Kolumbianer. "Michael wusste, er hat nur dann eine Chance gegen mich zu gewinnen, wenn er mich raus haut. Er glaubt, er kann sich alles erlauben." Der Beschuldigte fühlte sich zu Unrecht derart harsch angeklagt. "Ich weiß nicht, ob er mich berührt hat. Ich habe jedenfalls nichts gespürt und an meinem Auto war nichts beschädigt", beteuerte der strahlende Sieger Michael Schumacher. Unabhängig von der Schuldfrage kocht nun die Frage nach gerechter Bestrafung durch die Rennkommissare wieder hoch.

Titel-Bild zur News: Juan-Pablo Montoya

JPM ohne Frontflügel und mit Plattfuß kurz vor dem Aufgabeln des "Union Jack"

Während der viermalige Formel-1-Weltmeister nach dem Vorfall in der vierten Kurve kurz nach dem Start zum Großen Preis von Brasilien unbeirrt weiter fahren konnte, musste Montoya die Box ansteuern und sich einen neuen Frontflügel an den BMW-Williams montieren zu lassen. Statt mit den beiden Schumacher-Brüdern um den Sieg beim dritten Saisonlauf am Ostersonntag und die Führung in der WM-Wertung kämpfen zu können, rollte der eigentliche Favorit hoffnungslos abgeschlagen das Feld von hinten auf. Platz fünf war der unbefriedigende Lohn seiner bravourösen Aufholjagd. "Ich bin wirklich tief enttäuscht. Ich hatte die Pole-Position, bin die schnellste Rennrunde gefahren - es wäre mein Rennen gewesen", sagte der Südamerikaner.

Wie im Vorjahr kostete ihn ein - dieses Mal harmloser Tuschierer - den möglichen Triumph im Autodromo Jose Carlos Pace in Sao Paulo. "Nach dem Start habe ich in der ersten Kurve einen Fehler gemacht, so dass Michael vorbeiziehen konnte", schilderte Montoya erregt den Fall aus seiner Sicht. "Anschließend wollte ich ihn wieder überholen. Doch mit seinem Hinterrad ist er voll gegen meinen Frontflügel gefahren."

Der vor Wut und Enttäuschung kochende Kolumbianer unterstellte dem Kerpener bei der Kollision volle Absicht und kritisierte ihn als Wiederholungstäter. Schon vor zwei Wochen in Malaysia sei Schumacher ihm ins Auto gefahren, und er sei dann bestraft worden. "Michael kommt hier ungeschoren davon", bezichtigte Montoya die Rennkommissare von Sao Paulo, gegenüber dem Ferrari-Piloten Gnade vor Recht ergehen lassen zu haben. "Die Entscheidungen der Stewarts sind ein Witz."

Das dreiköpfige Kontrollgremium, darunter ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk, stufte die Berührung der beiden Piloten als normalen Rennvorfall ein und verhängte keine Sanktionen. Montoya fühlte sich daher doppelt betrogen: In Sao Paulo büßte er durch den Schubser mit Schumacher alle Siegchancen ein; in Sepang hatten ihn die Stewarts nach einem Rad-an-Rad-Gerangel mit dem Deutschen, bei dem beide ins Gras gerutscht waren, zur Strafe durch die Boxengasse fahren lassen.

Schumacher war sich keiner Schuld bewusst. "Ich weiß nicht genau, was in Turn 4 passiert ist. Ich bin nach links gezogen, um die Außenseite frei zu lassen", so der Rheinländer. "Ich sah Montoya dann nur plötzlich zurückfallen. Aber ich habe wirklich nichts bemerkt und weiß nicht, warum er verärgert ist." Der frühere Formel-1-Fahrer Jean Alesi, ein guter Freund Schumachers, verstand dagegen den Ärger des Kolumbianers. Es sollten endlich immer die gleichen Stewarts bei Rennen urteilen, um zu einheitlicher Bestrafung zu kommen, forderte der Franzose.

Jaguar-Teamchef Niki Lauda warf Montoya vor, wegen zu draufgängerischer Fahrweise den "sinnlosen Unfall" selbst provoziert zu haben. Für BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger gab es hingegen keinen Grund für ein juristisches Nachspiel. "Die Aktion war okay", nahm der Österreicher Schumacher in Schutz. Für ihn wäre es nie so weit gekommen, hätte sein Mann vorher besser reagiert. "Juan darf Michael in der ersten Kurve nicht vorbei lassen", kritisierte Berger.

Vor dem nächsten Grand Prix in Imola ist die Diskussion über die unterschiedliche Regelauslegung der Rennkommissare angeheizt. Bei den bisherigen drei Saisonläufen krachte es mehr oder weniger heftig nach dem Start - stets fiel die Beurteilung unterschiedlich aus: Als Ralf Schumacher in Melbourne spektakulär über Barrichellos Ferrari flog, lautete die offizielle Version: "Normaler Rennunfall." In Sepang musste Montoya für etwas büßen, was selbst nach Michael Schumachers Ansicht keine Strafe wert war. Und in Sao Paulo nahmen die Stewarts keine Stellung. Die Piloten, die vor dem Großen Preis von Brasilien vehement für eine klare Linie und permanente Rennkommissare plädiert haben, sehen sich nun in ihren Forderungen bestätigt.