• 15.03.2007 15:49

Mister Walker hält Melbourne in Bewegung

Ron Walker, "Mister Grand Prix" in Australien, ist ein mächtiger Mann, gilt aber in Melbourne durchaus nicht als unumstritten

(Motorsport-Total.com) - Er ist ehemaliges Stadtoberhaupt, Casinobetreiber, Mitglieder der liberalen Partei. Doch in Melbourne nennen ihn die meisten nur "Vroom Vroom". Denn Ron Walker ist die treibende Kraft hinter dem Grand Prix von Australien. Trotz jährlichem Defizit zwischen zwölf und 16 Millionen Euro hält er die Formel 1 down under auf Kurs, wie unsere Kollegen vom emagazine der Credit Suisse berichten.

Titel-Bild zur News: Ron Walker

Ron Walker gilt als einer der engsten Verbündeten von Bernie Ecclestone

Immer in Bewegung zu bleiben, das haben sich die meisten Bewohner von Melbourne auf die Nummernschilder ihrer Autos prägen lassen: Für den Slogan "Victoria on the move" gibt es kaum eine bessere Entsprechung als das Gastspiel der Formel 1, mitten im Stadtpark der australischen Metropole. Eine Eröffnungsparty unter Palmen, die den Darstellern aus dem Rennzirkus besser gefällt als fast jeder andere Grand Prix. Doch ganz so sorglos, wie es den Europäern mit zehn Stunden Zeitverschiebung und 17.000 Kilometern Abstand zur Heimat vorkommt, ist das Formel-1-Leben down under auch nicht, jedenfalls nicht wirtschaftlich.#w1#

Rückkehr des Saisonauftakts nach Melbourne

Nach einem Jahr Unterbrechung fällt die erste Zielflagge 2007 wieder am Ende der Welt, obwohl es vielen in Europa stationierten Teams rein von der Logistik her auch nicht so unrecht gewesen war, dass im letzten Jahr Bahrain der Auftaktort war. Damals hatte Melbourne - in seinem ewigen sportlichen und politischen Wettstreit mit der Rivalin Sydney - am angestammten März-Termin die Commonwealth Games ausgerichtet. Doch der Mann, der 2006 diese Prestigeveranstaltung in den Bundesstaat Victoria geholt hatte, hat jetzt wieder darauf gepocht, dass sich die Formel 1 gefälligst an die (ihm) lieb gewonnene Tradition halte.

Gestatten: Ron Walker, ehemaliges Stadtoberhaupt von Melbourne, Casinobetreiber, einflussreiches Mitglied der liberalen Partei, Chef der Grand-Prix-Gesellschaft, und, und, und. Vor allem aber einer der besten Freunde von Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone. Der rotblonde Australier ist zwar gut zwei Köpfe größer als der Brite, aber wenn es um gute Geschäfte geht, dann verhandeln die beiden auf Augenhöhe. In der Stadt wird Mister Walker, der gern wie ein Cäsar durch die Boxengasse schreitet, wenn immer möglich mit mehreren VIPs im Schlepptau, ob seiner Vorliebe für Pferdestärken nur noch "Vroom Vroom" genannt. Das mag auch mit der inneren Beschleunigung des 65-Jährigen zu tun haben, überall in der großen und kleinen Politik mitzumischen. Und sich durchzusetzen. Ohne Walker scheint hier nichts zu gehen.

Wenn es um Geld und Geltung geht, ist die Formel 1 natürlich eine ideale Spielwiese. Im benachbarten Adelaide spucken sie heute noch Gift und Galle, nachdem auf Walkers Initiative das Rennen, der Ruhm und die Zuschüsse für den Grand-Prix-Sport vor zwölf Jahren in einer Nacht-und Nebel-Aktion gen Melbourne wechselten. Bieten und überbieten hält Walker für Business as usual, "und wir haben der Formel 1 eben ein Angebot gemacht, das sie nicht ausschlagen konnte."

Walker plant weit voraus, und er liebt das Detail. Die Debatte um das erste Rennen 2007 ließ ihn eigentlich von Beginn an kalt, schließlich hatte er sich das Vorrecht bis 2010 in den Vertrag schreiben lassen, inklusive fünfjähriger Option. Aber sein eigentliches Geschäft betreibt er hinter den Kulissen. Walker flog nicht nur zu der offiziellen Konferenz der Städte, die sich um den Auftakt bewarben - er war auch sonst bei allen wichtigen Sitzungen des Formel-1-Managements und des Automobilweltverbandes in Paris oder London anwesend. Lohnender Lobbyismus.

Dass es trotzdem zu Terminschwierigkeiten kam, war ein hausgemachtes Problem. Melbourne will sich überall positionieren und richtet auch die Schwimm-Weltmeisterschaften aus. Die Veranstaltung, die am Rande des zur Rennstrecke umfunktionierten Albert Parks stattfindet, wurde nun um eine Woche verschoben. Das will was heißen in einem Land der Wassersportarten.

Walker hat in Melbourne nicht nur Freunde

Bei aller Macht wird Walker nicht nur als Messias gesehen. Eine tapfere Bürgerinitiative kettet sich jedes Jahr an Tore, Bäume oder Boxengitter. Sie fordern mehr Demokratie und mehr Transparenz, und geißelt den verschwenderischen Umgang mit Geld. Obwohl der Grosse Preis mit 400.000 Besuchern an vier Tagen längst zur größten Sportveranstaltung des fünften Kontinents mutiert ist, macht die Australian Grand Prix Corporation weiterhin heftige Verluste, im letzten Jahr summierten sich diese auf einen geschätzten Betrag zwischen zwölf und 16 Millionen Euro - noch einmal fünf Millionen mehr als im Vorjahr.

Das Minus muss der Steuerzahler tragen, dennoch stellt sich Victorias Ministerpräsident Steve Bracks vor die Veranstaltung: "Für unsere Reputation ist die Formel 1 von unschätzbarem Wert." Um die Voraussetzungen zu schaffen, dass mitten in der Stadt überhaupt Rennen ausgetragen werden können, mussten in den 1990er-Jahren um die 30 Millionen Euro investiert werden. Etwa 100 Millionen Euro werden der australischen Wirtschaft an Einnahmen rund um das Rennwochenende in die Kassen gespült. Trotzdem heißt es unter dem Strich: Subventionieren mit höchsten Umdrehungen.

Auf der Sponsorenseite hat der australische Grand Prix in den letzten Jahren heftige Rückschläge im eigenen Land erleiden müssen: Sowohl die Biermarke Foster's als auch die staatliche Fluglinie Qantas reduzierten ihre Engagements. Hilfe kommt vom neuen Hauptgeldgeber des Renault-Teams: Das niederländische Finanzkonsortium ING ist bei den Titelrechten für die kommenden drei Jahre eingesprungen.

Walker plant rund um den australischen Grand Prix eine Charmeoffensive, um die Formel 1 wieder stärker ins Bewusstsein der Einheimischen zu bringen: 10.000 Schüler sollen freien Eintritt bekommen, Frauen erhalten verbilligte Tickets, in der Stadt werden Partys veranstaltet, die in den Albert Park locken sollen. An der Stimmung hat es beim Auftakt am anderen Ende der Welt noch nie gefehlt...