• 21.08.2003 11:45

  • von Marco Helgert

Minardi wird 300 Grand Prix alt

Nur drei Formel-1-Teams haben mehr Rennen als Minardi bestritten - wir beleuchten den Werdegang der Truppe aus Faenza

(Motorsport-Total.com) - Wer hätte gedacht, dass es Minardi schaffen würde, 300 Grand Prix lang in der Formel 1 zu bleiben, denn schon der Einstieg in die Königsklasse gestaltete sich alles anderes als einfach. Über sämtliche Jahre hinweg balancierte das Team am finanziellen Abgrund, doch aufgegeben hat man nie, und kämpfen wird man immer, voller Hoffnung und Zuversicht, dass sich alles zum Guten wenden wird. So war es schon immer.

Titel-Bild zur News: Pierluigi Martini im Minardi-Ferrari M191

Unterwegs mit Ferrari-Power: Die Saison 1991 war die beste des Minardi-Teams

Teamgründer Gian Carlo Minardi kam am Rennsport schon aus familiären Gründen nicht vorbei. Am 18. September 1947 erblickte er das Licht der Welt. Eines der ersten Dinge, neben seinen Eltern natürlich, die seine Kinderaugen erblickt haben dürften, waren Autos. Immerhin betreibt die Familie Minardi die älteste Fiat Niederlassung in Italien, zusammen mit einer Agip-Tankstelle.

Die Passion für den Motorsport wurde wohl von seinem Vater vererbt, der 1948 den GM 75 baute. Ein kleiner Doppelsitzer-Sportwagen mit einer 750 cm³ 6-Zylinder-Maschine, die von Oberdan Golfieri, ebenfalls aus dem kleinen Faenza kommend, konstruiert wurde. Gian Carlo versuchte sich selbst am Steuer, aber nach einigen kleinen Rallyes mit einem Fiat 124 und ein paar Rundstreckenrennen, hängte er den Helm gleich wieder an den Nagel.

Minardi: Mangels Talent vom Fahrer zum Teambesitzer

Seine Energie war seiner Meinung nach besser in der Führung eines Teams aufgehoben. So arbeitete er für den Rennstall "Scuderia del Passatore". Von 1972 bis 1974 war dieses Team eine feste Größe in der Formula Italia. Der Spitzenfahrer des Teams, Giancarlo Martini, errang 1973 den Titel.

Man stieg auf und fuhr ab 1975 in der Formel 2. Wie viele andere auch setzte man Chassis von March und Motoren von BMW ein, benannte sich jedoch selbst in "Scuderia Everst" um. 1976 begann eine Beziehung, die bis heute Bestand hat: Der Kontakt zu Ferrari. Das große Team aus Maranello gab für drei Jahre einen Formel 1 Ferrari Typ 312B3 an das Team aus Faenza ab, um italienischen Nachwuchsfahrern die Chance zu geben, Formel 1 Luft zu schnuppern.

Ab 1977 steigerte sich diese Beziehung. Ferrari lieferte Dino-V6-Aggregate, welche die Ralt und Chevron Chassis von Lamberto Leoni und Gianfranco Brancatelli (und später Elio de Angelis) befeuerten. Giancarlo Martini dagegen fuhr einen Martini-Mk22-Renault/Bozian und Alfonso Giordano von Zeit zu Zeit einen March-762-BMW.

1978 stellte man komplett auf Chevron Chassis um. Doch auch viele verschiedene Fahrer, konnten dem Team nicht den großen Erfolg bringen. Selbst ein Gastauftritt von Clay Regazzoni in Misano endete glücklos und die Ergebnisse von Elio de Angelis, Gianfranco Brancatelli, Giancarlo Martini und Miguel Angel Guerra blieben im Bereich des Mittelfeldes.

Eigene Autos seit 1980 im Einsatz

Gian Carlo Martini ging 1979 selbst unter die Konstrukteure und gründete das Team Minardi. Rennaktivitäten gab es noch keine, man bereitete sich gewissenhaft auf 1980 vor. Noch vor Beginn der Saison stießen die Ingenieure Giacomo Caliri (ein ehemaliger Ferrari-Ingenieur) und Luigi Marmiroli zum Team. Im Konstruktionsbüro von Caliri von Bologna, mit dem Namen FLY, entstand der erste F2-Minardi. Die Grundlage war ein March Chassis, und es wird sowohl unter der Bezeichnung GM75, als auch FLY280 geführt. Fahrer war der langjährige Begleiter Miguel Angel Guerra, während sich Bruno Corradi, Beppe Gabbiani und Johnny Cecotto das zweite Fahrzeug teilten.

Die Erfolge blieben beschieden, ein vierter Platz von Guerra in Mugello war das Highlight. Für 1981 entstand unter der Aufsicht von Caliri ein eigenes Chassis, der Minardi M281 (oder auch FLY281), der ein richtig erfolgreiches Auto war. Angetrieben von BMW-Motoren, die von Tuner Heini Mader vorbereitet wurden, fuhren die beiden Fahrer Michele Alboreto und Johnny Cecotto einige Erfolge heraus. Unvergessen dabei die Pole Position für Alboreto in Pau und der Sieg in Misano.

Einige Erfolge in der Formel 2 ebneten den Weg für den geplanten Einstieg in die Formel 1. Alles war vorbereitet. Die Arbeit am M184, dem ersten Formel-1-Fahrzeug, ging gut voran. Alessandro Nannini legte bereits 2000 Testkilometer zurück. Im Heck dieses Fahrzeugs war ein Alfa-Romeo-8-Zylinder-Turbo verbaut. Doch Alfa Romeo gab plötzlich den Rückzug aus der Formel 1 bekannt. Minardi fiel in ein Loch ? der Formel-1-Einstieg war geplatzt, vorerst. Der bei Alfa für die Motoren verantwortliche Carlo Chiti gründete eine eigene Motorenfirma: Motori Moderni. Doch bis der erste Motor der neuen Firma bereits stand, musste Minardi warten. Man fuhr also weiter in der Formel 2.

1985: Endlich, der Sprung in die Formel 1 ist geschafft

Für 1985 schaffte man es, auch wenn Motori Moderni noch immer keine Motoren liefern konnte. Es war jedoch absehbar, dass dies kein Dauerzustand sein würde, und man begann das Jahr mit einem herkömmlichen Ford-Cosworth. Man blieb bescheiden, denn nur ein Auto für Pierluigi Martini wurde eingesetzt, auch dann, als der Motori-Moderni-Turbo fertig war. Die Ergebnisse waren bescheiden. Chitis Motor war defektanfällig und schwach, und Pierluigi Martini war meist mehr neben als auf der Strecke. Immerhin ein achter Platz konnte erreicht werden.

Für 1986 ging man voller Hoffnung in die Saison. Nicht nur, dass man nun Erfahrungen gesammelt hatte, auch das Fahrerduo versprach einen starken Aufwärtstrend. Andrea de Cesaris und Alessandro Nannini waren auch alles andere als langsam. Doch der Motori-Moderni hielt noch immer kaum eine Renndistanz durch, dabei lag man einige Male in Punktereichweite.

Langen Atem hatten die Mannen rund um Gian Carlo Minardi, und den benötigten sie auch. Der Motor wurde nun etwas haltbarer, doch das Getriebe war die Achillesferse des Pakets. Hielt einmal alles, schluckte der Turbomotor so viel Sprit, das man zum langsam fahren verdonnert war. 1987 war ein Jahr zum Vergessen für Nannini, Adrian Campos und das gesamte Team.

Seit 1987 waren Sauger-Motoren wieder zugelassen. Für 1988 entschied sich auch Minardi wieder einen von Heini Mader vorbereiteten Ford Cosworth zu fahren. Giacomo Caliri zeichnete den M188. Ein schlankes, ergonomisches Fahrzeug, das viel Potential besaß. Der neue Mann in Minardis Diensten, Luis Perez-Sala, zeigte auch einige gute Vorstellungen. Adrian Campos hingegen wurde nach etwas mehr als der Hälfte der Saison durch Pierluigi Martini ersetzt. Selbiger war nach der schwachen Debütsaison 1985 in die Formel 3000 gewechselt, um sein angekratztes Image wieder aufzupolieren, was ihm auch gelang. Martini holte in Detroit den ersten Punkt für das Team.

Minardi war die Saisonüberraschung des Jahres 1989

Der für 1989 gebaute M189 schlug alle Erwartungen. Aldo Costa, der im Sommer 1988 Caliri ersetzte, und der Aerodynamiker Nigel Cowperthwaite konstruierten ein überaus solides Fahrzeug, mit welchem man sich nicht verstecken musste. Ein Grund für die Erfolge war auch Pirelli, die wieder in den Grand Prix Sport zurückkehrten. Das Jahr war geprägt von sehr guten Qualifikationsleistungen, die im Rennen nicht ganz wiederholt werden konnten. Doch der Fortschritt war unübersehbar. Martini fuhr dreimal in die Punkte (Fünfter in Großbritannien und Portugal, Sechster in Australien), Luis Perez-Sala belegte Rang sechs in Großbritannien. Mit diesen Punkten ersparte man sich ständige Vorqualifikationen. Die Kombination Minardi-Martini-Pirelli sorgte häufig für hoch gezogene Augenbrauen. Startposition drei in Australien, vier in Spanien und fünf in Portugal. Dazu die erste und bisher einzige Minardi Führungsrunde in Portugal, wenn auch nur durch einen späteren Boxenstopp von Martini erreicht. Man ging voller Hoffnung in das 1990.

Doch man fiel tief. Turbos waren verboten worden. Die großen Motorenhersteller hatten Saugmotoren, denen der Ford-V8 hoffnungslos unterlegen war. Ein siebter Platz für Martini war das beste Resultat am Ende der Saison. Herausragend dabei der zweite Startplatz in Phoenix, neben Bergers McLaren. Doch das Geld war, wie immer, knapp. Und so kam ein alter Bekannter zurück zu Minardi: Paolo Barilla, der nicht aus Zufall den gleichen Nachnamen wie der Pastagigant aus Italien trägt. Doch seine Leistungen gaben nicht immer Anlass zum Jubel und man ersetzte ihn zum Ende der Saison durch Gianni Morbidelli, der weitaus besser zurechtkam.

Das Jahr 1990 brachte jedoch eine weitere wichtige Zutat: Ferrari sicherte Minardi für 1991 Ferrari-V12-Motoren zu. Für Minardi natürlich ideal, doch im Zuge dieses Deals ging Pioneer als Sponsor von Minardi zu Ferrari. Man hatte nun einen guten Motor, aber Ebbe in der Teamkasse.

So verlief das Jahr 1991 erfolgreich, jedoch hätte es sicher besser laufen können. Dennoch, es war das bisher beste Jahr für Minardi. Martini holte zwei vierte Plätze und man belegte Platz sieben in der Herstellerwertung. Doch am Ende der Saison stand man vor zwei Problemen: Pierluigi Martini verließ das Team Richtung Scuderia Italia, was viele überraschte, gehörte er doch schon fast zum Inventar des Teams, und man bekam für 1992 auch keine Ferrari Motoren mehr. Eine Lösung für den Motor wurde gefunden: Lamborghini, der jedoch bei weitem nicht an die Leistung des Ferraris anknüpfen konnte. Doch auch trotz den guten Fahrern Gianni Morbidelli und Christian Fittipaldi konnte man nur einen einzigen Punkt holen.

Die Zeit der großen Leiden begann

Die Zeit der Exoten neigte sich 1993 dem Ende zu. Die Formel 1 wurde immer teurer. Minardi versuchte mit Einfachheit darauf zu reagieren. Man verwendete ausgereifte Ford HB Motoren. Das Auto, von Gustav Brunner konstruiert, war schlicht aber gut. Man hatte, im Gegensatz zu vielen anderen kleinen Teams, eine aktive Aufhängung und Fittipaldi und Barbazza (später dann wieder Martini) schlugen sich prächtig. Insgesamt sieben Punkte sammelte man, doch das Geld war sehr, sehr knapp. So war man mehr oder weniger gezwungen, am Ende des Jahres eine Fusion mit der Scuderia Italia einzugehen.

Brunner verließ Minardi in Richtung Ferrari, während man von Scuderia Italia Michele Alboreto bekam. Nach nunmehr dreizehn Jahren war der Italiener zurück bei seinem Ex-Formel 2 Team. Zusammen mit dem ebenfalls zurückgekehrten Pierluigi Martini fuhr das erfahrene Fahrerduo einige starke Rennen. Die Vorstellungen waren gut genug, um für 1995 einen Vertrag mit Mugen Honda als Motorenlieferant zu schließen. Doch Flavio Briatore brachte die Japaner dazu, ihre Motoren an Ligier zu liefern. Minardi musste auch weiter mit Kundentriebwerken von Ford fahren.

Dass Pedro Lamy, der ab Ungarn 1995 Martini ersetzte, in Australien den einzigen Punkt holte, bewahrte Minardi nicht vor einem schlechten Jahr. Der begonnene Rechtstreit gegen Briatore musste aufgegeben werden, weil dieser noch offene Rechnungen von Minardi fand. Briatore war es, der 1993 Ford Kundenmotoren an Minardi verkaufte. Beim Rennen in Frankreich ließ er das gesamte Equipment vom Minardi versiegeln.

Der erste Retter in der Not: Gabriele Rumi

Ab 1996 änderten sich die Besitzanteile des Teams ständig. Auf die Ergebnisse braucht man so weit gar nicht mehr eingehen ? sie waren praktisch so gut wie nicht vorhanden. Um Geld in die Kasse zu bekommen, verkaufte man 70% des Teams an ein Konsortium, welches hauptsächlich aus Flavio Briatore, Gabriele Rumi (Chef des Felgenherstellers Fondmetal) und Alessandro Nannini bestand. Briatore wollte Minardi an British American Tobacco verkaufen, was jedoch am Widerstand von Minardi und Rumi scheiterte. Ende 1997 verkaufte Briatore seine Anteile an Gabriele Rumi.

Rumis Anteil am Fortbestehen des Teams war immens. Er investierte viel Geld. Holte Gustav Brunner wieder ins Team, reaktiviere Cowperthwaite als Aerodynamiker und stellte den ehemaligen Ferrari-Rennleiter Cesare Fiorio ein. Doch die Fahrer Shinji Nakano und Esteban Tuero schienen überfordert zu sein.

Es ging sportlich wieder etwas aufwärts und Marc Gené konnte 1999 wieder einen Punkt einfahren, doch man litt oder unter dem ständigen Problem, dass man keinen geeigneten Motorenpartner finden konnte. Zudem versuchte Rumi seine Anteile zu verkaufen. Mitte 2000 gab er bekannt, dass er seine Anteile an den südamerikanischen Fernsehsender PSN verkauft habe, doch der Vertrag wurde nie unterschrieben. Doch kurz vor dem Untergang fand er in Paul Stoddart doch noch einen Interessierten. Kurze Zeit später verstarb Gabriele Rumi an einem Krebsleiden.

Der zweite Retter in der Not: Paul Stoddart

Stoddart baute das Team wieder auf, gab Rückhalt und eine finanzielle Versorgung. Ab 2002 kam auch Bewegung in die Motorensache. Man bekam Werksmotoren von Asiatech. Und trotzdem klaffen Lücken die Budget.

Von Jahr zu Jahr wurde es schwerer. Stoddarts eigene Luftlinie (European Aviation) geriet nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ins Trudeln. Doch Aufgeben gilt nicht. Unbeirrt kämpfte der Australier weiter um das Überleben des Rennstalls, legte sich dabei auch nicht gerade wenig mit den großen Teams an.

Der Ungarn-Grand-Prix 2003 markiert nun einen Meilenstein in der Teamgeschichte. 300 gefahrene Grand Prix werden es dann sein. Von den noch aktiven Teams werden dann nur Ferrari (682), McLaren (556) und Williams (504) mehr Teilnahmen haben.

An ein Verschwinden von Minardi mag trotz aller Probleme keiner glauben. Zu oft waren sie in ähnlichen Situationen und immer wieder konnten sie sich befreien. Hinzu kommt, dass kaum ein anderes Team soviel Sympathien besitzt wie Minardi. Dabei ist dies nicht auf die Fans beschränkt, auch gegnerische Teams würden ein Fehlen bedauern. Doch wie gesagt, vorstellen kann es sich niemand.

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