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  • 13.12.2008 08:30

  • von Britta Weddige

Minardi: "Man hätte auf die Leidenden hören sollen"

Giancarlo Minardi ist überzeugt, dass "die Formel 1 nicht an diesen kritischen Punkt gekommen wäre", wenn man nicht nur auf Hersteller gesetzt hätte

(Motorsport-Total.com) - Angesichts der globalen Finanzkrise ging es ganz schnell. Um zu retten, was noch zu retten ist, haben FIA und FOTA im Eilverfahren ein umfassendes Sparpaket auf den Weg gebracht, das nun auch vom Weltrat abgesegnet wurde. Damit soll verhindert werden, dass den Teams irgendwann das Geld und der Formel 1 irgendwann die Teams ausgehen. In dieser Hinsicht hatte man im Jahr 2008 schon genug erlebt: Im Frühjahr strich Super Aguri die Segel, jetzt folgte der Ausstieg von Honda. Aus elf Teams wurden in wenigen Monaten neun, sollte sich kein Käufer für das Honda-Team finden.

Titel-Bild zur News:

Giancarlo Minardi hat seinen Rennstall lange Zeit mit geringen Mitteln betrieben

Doch hätte es überhaupt so weit kommen müssen? Nein, meint Giancarlo Minardi, der 20 Jahre lang mit seinem kleinen Privatteam in der Formel 1 überlebte, bevor er es verkaufte. Inzwischen ist es als Toro Rosso bekannt. Der Italiener ist davon überzeugt, dass eine Krise wie die jetzige hätte verhindert werden können, wenn man in der Königsklasse schon früher angefangen hätte, umzudenken. Für ihn wäre der richtige Weg gewesen, verstärkt auf die kleinen Teams als auf die großen Hersteller zu setzen.#w1#

"Ich habe in den Meetings immer wieder darauf hingewiesen, dass es sehr gefährlich ist, ganz auf große Hersteller zu setzen, auch wenn das auf der einen Seite toll und interessant ist", schrieb er auf der Minardi-Internetseite. "Aber es bestand das Risiko, dass es genauso läuft wie in den 1990ern in der Rallye-WM. Die wichtigen Hersteller stiegen irgendwann aus und übrig blieben nur noch ein paar Teams und ein paar Piloten."

Er hoffe, so Minardi, dass jetzt nicht die Vorstände anderer Hersteller, "denen Budgets wichtiger sind als der Sport", dem Honda-Beispiel folgen: "Die Vorstände müssen viele Entscheidungen treffen, aber sie haben nicht automatisch alle dieselben Prioritäten und es interessieren sich nicht alle für den Sport."

"Es bestand das Risiko, dass es genauso läuft wie in den 1990ern in der Rallye-WM." Giancarlo Minardi

Das Sterben der privaten Teams

Die Formel 1 würde der Ausstieg eines großen Herstellers und damit der Verlust eines Teams weniger treffen, wenn man nicht so von den Konzernen abhängig wäre und mehr Privatiers im Feld hätte. Im Jahr 1990 zum Beispiel waren noch 19 Teams in der Formel 1 vertreten. Doch in den 1990er-Jahren kam die Wende. Beim Wettrüsten der großen Hersteller sind viele Privatteams irgendwann auf der Strecke geblieben.

1998 waren es nur noch elf Teams und viele von ihnen gibt es in der damaligen Form jetzt auch nicht mehr. Das Prost-Team, das aus Ligier hervorgegangen ist, stieg nach 2001 aus. Mitten in der Saison 2002 erwischte es Arrows: Dem Traditionsteam, das seit 1978 dabei war, ging beim Ungarn-Grand-Prix engültig das Geld aus. Die Arrows-Fabrik in England wurde später von Super Aguri übernommen, bis in diesem Frühjahr die Werkstore wieder geschlossen wurden.

Aus Stewart wurde zunächst Jaguar und dann Red Bull. Aus Minardi wurde Toro Rosso, Jordan verwandelte sich in Midland, Spyker und nun Force India. Das Tyrell-Team wurde an British American Tobacco verkauft und ging unter den Namen BAR, BAR-Honda und nach dem Ausstieg von BAT als HondaF1 an den Start. Jetzt wird händeringend ein Käufer gesucht, der das Team rettet. Neben dem alten Tyrell-Team gingen auch andere Privatmannschaften von 1998 inzwischen in Herstellerbesitz über: Aus Benetton wurde Renault und Peter Sauber hat an BMW verkauft. Von den Privatiers, die 1998 in der Formel 1 vertreten waren, konnte sich nur Frank Williams bis in die Gegenwart halten.

"Ein kleines Team nach dem anderen hat um Hilfe gerufen, aber keiner hat hingehört." Giancarlo Minardi

Hätte schon viel früher etwas geschehen müssen?

Jetzt haben FIA und FOTA Maßnahmen eingeleitet, um die Budgets so gering zu halten, dass Hersteller und Privatteams gleichermaßen kostengünstig, aber wettbewerbsfähig agieren können. Laut Minardi habe das schon vor mehr als einem Jahrzehnt geschehen müssen: "Ein kleines Team nach dem anderen hat um Hilfe gerufen, aber keiner hat hingehört", klagte der Italiener.

"Die jetzigen Probleme gab es damals schon, aber man hat sie nicht wahrgenommen, weil die großen Hersteller so wichtig waren", so Minardi, der überzeugt ist: "Wenn man damals schon auf die gehört hätte, die gelitten haben und die vor Schmerzen geschrieen haben, dann wäre die Formel 1 wahrscheinlich gar nicht an diesem kritischen Punkt angelangt - trotz dieser massiven weltweiten Finanzkrise."

Minardi-Bolide in Sao Paulo

Über 20 Jahre lang konnte sich das Minardi-Team in der Formel 1 halten Zoom

Doch nun gilt es, Schadensbegrenzung zu betreiben. Der FIA-Weltrat hat unter anderem beschlossen, dass die Teams ihr Personal reduzieren müssen, um auch in diesem Bereich zu sparen. Für Minardi genau der richtige Weg: "Das Minardi-Team konnte sich über 20 Jahre in der Formel 1 halten, weil wir unser Auto zu 100 Prozent in unserem Unternehmen mit 100 bis 110 Mitarbeitern gebaut haben", erklärte er. "So hatten wir die Lage sogar in schwierigen Zeiten - und davon gab es viele - im Griff und konnten weitermachen. Wenn man aber jeden Monat 500 bis 700 Leute bezahlen muss, dann kann einen schon eine kurze Krise von drei Monaten in den Abgrund reißen."

Er habe unzählige Male die Vorteile betont, die für die Privatteams sprächen, so Minardi, "aber ohne Ergebnis. Und so sind wir in der heutigen Zeit angekommen, wo ein Hersteller von heute auf morgen aussteigt. Das ist sicher kein gutes Ende für 2008 und kein guter Start ins neue Jahr. Hoffen wir einfach, dass die Kosten nun deutlich reduziert werden. Wir müssen anfangen, Ergebnisse zu sehen."