Michelin übt scharfe Kritik an der FIA

Weil die FIA mit Bridgestone Kontrollreifen in der Formel 1 einführen möchte, übt Michelin nun massive Kritik an der Formel-1-Sporthoheit

(Motorsport-Total.com) - Geht es nach der FIA, werden 2008 erstmals Kontrollreifen in der Formel 1 eingeführt. Dies würde naturgemäß die Rückkehr zu einem monopolistischen Einheitsausrüster nach sich ziehen, und momentan deuten alle Anzeichen darauf hin, dass Bridgestone in dem Fall den lukrativen Zuschlag bekommen würde. Michelin hat sich hingegen heute in Belgien im Rahmen einer Pressekonferenz deutlich gegen ein Reifenmonopol ausgesprochen und in diesem Zusammenhang sogar den Ausstieg aus der Königsklasse des Motorsports angedroht.

Titel-Bild zur News: Michelin-Reifen

Das Konzept von Einheitsreifen in der Formel 1 ist für Michelin uninteressant

In einer 16-minütigen Rede wandte sich Konzernchef Edouard Michelin an die versammelte Weltpresse, die seinen Schilderungen gespannt lauschte. Kernaussage des Franzosen: "Wenn die FIA vorschlägt, dass ab 2008 nur noch Kontrollreifen eines Einheitslieferanten in der Formel 1 verwendet werden sollen, dann frage ich mich, ob das Werte sind, die wir noch teilen. Wir haben wiederholt betont, dass wir so einem Plan ablehnend gegenüberstehen", stellte er klar.#w1#

Michelin kündigt Formel-1-Ausstieg nach 2007 an

"Sollten Kontrollreifen 2008 eingeführt werden, würden wir einen Rückzug aus der Formel 1 ernsthaft in Betracht ziehen", ging Michelin sogar noch einen Schritt weiter. Selbst einen Ausstieg mit Ende 2006 wollte er nicht kategorisch ausschließen, auch wenn die Entscheidung dann aufgrund des Sportlichen Reglements schon bis 1. Januar 2006 fallen müsste: "Wäre ein Rückzug auch schon 2007 möglich? Wir werden das jedenfalls sorgfältig abwägen und mit unseren Partnerteams diskutieren", so der Franzose.

Die Formel 1 bezeichnete er als "hervorragendes technologisches Schaufenster, aber so soll es auch bleiben. Bitte verwandelt die Formel 1 doch nicht in eine reine PR-Maschinerie!" Michelin spielte damit indirekt auf die viel gepriesene GP2-Serie an, die einheitlich auf Bridgestone-Pneus rollt: "Ich bin sicher, dass die GP2-Rennen interessant sind, aber sie sind einfach nicht die Formel 1. Die Formel 1 muss ein intensiver technologischer Wettbewerb bleiben", forderte er.

Laut FIA sind Kontrollreifen unabkömmlich, um die Kurvengeschwindigkeiten und die Kosten zu reduzieren, doch Michelin sieht auch "andere Lösungen, die Kosten ohne ein Einstellen des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Reifenherstellern zu reduzieren. Wir werden uns gemeinsam mit Bridgestone beratschlagen, wie man Einsparungen erreichen könnte. Das könnte die Anzahl der Reifen, die bei einem Rennen verwendet werden, betreffen, oder die zurückgelegte Distanz bei den Testfahrten", schlug er vor. Insgesamt könnten die zehn Formel-1-Teams so bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr einsparen.

Seit Indianapolis kriselt es zwischen Michelin und der FIA

Allerdings rechnet Michelin inzwischen längst nicht mehr damit, bei FIA-Präsident Max Mosley Gehör zu finden, was die eigenen Vorschläge für die Zukunft der Formel 1 angeht. Spätestens seit dem Skandalrennen von Indianapolis, als die sieben Michelin-Teams wegen untauglicher Pneus nicht zum Grand Prix der USA antreten konnten, ist das Verhältnis zwischen dem Automobilweltverband und dem Unternehmen aus Clermont-Ferrand infolge der anschließenden Schuldzuweisungen sehr gespannt.

Michelin vermutet daher eine Verschwörung gegen sich und pro Bridgestone: "Vielleicht gibt es andere Beweggründe hinter den FIA-Vorschlägen bezüglich eines Reifenmonopols. Es würde schließlich auch niemand auf die Idee kommen, dass alle Teams mit demselben Motor fahren müssen! Wir wünschen uns, dass die FIA Transparenz an den Tag legt, was die Argumente für ihr Handeln angeht, denn das ist im Moment nicht der Fall", kritisierte er. Und weiter: "Wir haben derzeit nicht vollstes Vertrauen in die Vorgehensweisen und die Transparenz der FIA."

Warum hat die FIA den WTCC-Auftrag an Yokohama vergeben?

Ein Beispiel dafür sei auch die Vergabe des Reifenliefervertrags für die Tourenwagen-Weltmeisterschaft 2006, den die FIA Yokohama überlassen hat. Michelin hatte sich ebenfalls um die Ausschreibung beworben, zog aber überraschend den Kürzeren - just wenige Tage nach dem Rennen in Indianapolis. Zufall oder nicht? Michelin findet es jedenfalls ungerecht, dass er nicht einmal erfahren hat, unter welcher Begründung Yokohama seinem Unternehmen vorgezogen wurde.

Immerhin wurde aber in einem Punkt den Wünschen des Franzosen entsprochen: "Bridgestone stimmt unseren Ansichten über eine ausgewogenere Verteilung der Teams offenbar zu", sprach er die Umverteilung der Partnerteams von sieben zu drei in diesem Jahr auf fünf zu fünf im nächsten an. "Sie haben versucht, viele unserer Partner abzuwerben. Michelin wird 2006 mit fünf Teams zusammenarbeiten. Toyota und WilliamsF1 werden wir nicht mehr beliefern."

"Als Toyota entschieden hat, in die Formel 1 zu gehen, wollten sie uns als Partner haben. Darauf sind wir sehr stolz. Auf geschäftlicher und technischer Ebene pflegen wir weiterhin exzellente Beziehungen", so Michelin. "Sir Frank Williams ist ein langjähriger und starker Freund von Michelin. Wir sehen den Geist des Rennsports sehr ähnlich. Er war schon oft bei uns in Clermont-Ferrand und wird uns auch in Zukunft besuchen. Wir haben von seinen Ingenieuren viel gelernt und sind sehr dankbar dafür."