• 10.06.2002 17:40

  • von Fabian Hust

McLaren-Mercedes blickt nach vorne

Bei den Silbernen geht es wieder aufwärts und hinter den Kulissen wird fleißig an einer erfolgreicheren Zukunft gebastelt

(Motorsport-Total.com) - David Coulthard war nach dem Rennen sichtlich zufrieden. Der zweite Platz war für den Schotten vor dem Rennen wohl nicht einmal in seinen kühnsten Träumen aufgetaucht, ging der McLaren-Mercedes-Pilot doch nur von der achten Startposition aus ins Rennen: "Der zweite Platz ist eine kleine Überraschung, aber eine angenehme", so Coulthard gegenüber 'Premiere'. "Wir haben gut gearbeitet. Unser Team ist momentan das drittbeste in der Formel 1. Aber unsere Blicke richten sich in die Zukunft und ich hoffe, dass wir in den nächsten Jahren die Meisterschaft wieder gewinnen können!"

Titel-Bild zur News: David Coulthard in der Boxengasse

McLaren-Mercedes arbeitet sich Schritt für Schritt an die Spitze zurück

Dass das Team nach dem Sieg in Monte Carlo auch in Kanada deutlich konkurrenzfähiger war als in den Rennen zuvor, hat gleich mehrere Gründe: "Wir haben gemeinsam mit Michelin in die richtige Richtung gearbeitet. Das ist gut für das gesamte Team", erklärte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug nach dem Rennen. "Außerdem haben wir heute eine neue Motorausbaustufe gezündet, ohne das groß vorher anzukündigen. Da hat alles auf Anhieb gut funktioniert. Kompliment an Mario Illien und sein gesamtes Team. Wir sind heute ein kleines Risiko eingegangen, aber das hat sich ausgezahlt. Unsere Motoren haben gehalten."

Während Erzrivale BMW zwei Motorschäden mit angeblich erprobten Aggregaten hatte, kamen die verbesserten Motoren von Mercedes ins Ziel. Ex-Formel-1-Fahrer Hans-Joachim Stuck macht bei der britisch-schwäbischen Allianz einen Trend nach oben aus: "McLaren-Mercedes ist auf dem Weg nach oben, das ist ganz klar zu erkennen. Beim nächsten Rennen am Nürburgring wird Mercedes gute Chancen haben. David Coulthard hat mit Kimi Räikkönen den richtigen Stachel im Hintern. Er ist nach diesem zweiten Platz wieder zurück bei den Besten!"

Die Leistung von David Coulthard war in Monaco wie in Montreal extrem gut, hierfür hat Teamchef Ron Dennis eine logische Erklärung: "David hat zumindest realistisch gesehen keine Chancen auf den Titel mehr. Das nimmt den Druck von seinen Schultern, weswegen er nun befreiter auffahren kann." Was vielen entgangen ist: Klammheimlich hat sich der Vizeweltmeister in der WM-Wertung nach vorne gearbeitet: Mit 26 WM-Zählern liegt der 31-Jährige nur noch einen WM-Punkt hinter den Zweiplatzierten Ralf Schumacher und Juan-Pablo Montoya!

Unterdessen wird hinter den Kulissen fleißig an der Rückkehr an die Spitze gearbeitet. Bei Mercedes werden vermehrt Motoren in Stuttgart getestet und man streckt die Fühler nach Personal aus. So wurde zum Beispiel der Motorenguru von Toyota, Norbert Kreyer, kontaktiert. Ein konkretes Angebot hat man dem Deutschen laut Ron Dennis zwar nicht gemacht, aber man wollte offenbar die vertragliche Situation jenes Mannes prüfen, der aus dem Stand mit seiner Mannschaft einen der besten Motoren in der Formel 1 fabrizierte.

Auch bei McLaren selbst gibt man Gas. Im August wird die neue Fabrik bezogen und man hat den Technischen Direktor von Arrows an der Angel. Offiziell heißt es auf Anfrage bei Arrows, dass sich Mike Coughlan in Urlaub befindet. Es ist der berühmte "Rosengarten-Urlaub", wie ihn die Briten nennen. So will man verhindern, dass Coughlan zu viel Wissen zur Konkurrenz mitnimmt. Teamchef Tom Walkinshaw dementierte in Kanada die Gerüchte jedenfalls nicht: "Man kann davon ausgehen, dass jemand, der ein gutes Auto entwirft, die Aufmerksamkeit der Top-Teams genießt", so die viel sagenden Worte.

In den nächsten Wochen wird Teamchef Ron Dennis ferner intensiv über die Fahrer nachdenken. Der junge Kimi Räikkönen macht sich im Team prächtig, im Qualifyingduell liegt er gegen den wesentlich erfahreneren Coulthard mit 5:3 vorne. Man bezahlte für den Finnen eine hohe Ablösesumme, alleine deswegen gilt Räikkönen als gesetzt. David Coulthard besitzt schon einen Vertrag für die kommende Saison, wie er selbst versichert, doch er könnte Ausstiegsklauseln enthalten. Eine Rückkehr von Mika Häkkinen in die Formel 1 halten Insider jedoch für sehr unwahrscheinlich.

Keine Frage, McLaren-Mercedes befindet sich im Aufwind: Weil man langsam aber sicher besser mit den Michelin-Reifen zu Recht kommt und weil Motorenbauer Mario Illien das Beryllium-Verbot immer besser zu verkraften scheint. Es gibt keinen Grund, warum die Silbernen nicht in absehbarer Zeit wieder ganz vorne mitmischen werden. Schließlich sind bis auf Mika Häkkinen alle Bausteine vergangener Erfolge noch an Bord.