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Lotus vs. Lotus: Die Welt ist grau, Jack

Chefredakteur Christian Nimmervoll fragt sich, wer im Fall Lotus vs. Lotus vs. Lotus die Guten sind und erinnert sich an ein Telefonat mit David Hunt

Titel-Bild zur News: Lotus-Racing-Logo

Viel Fans sind verwirrt: Welches Lotus ist denn nun das gute?

Liebe Leser,

im Fernsehen ist irgendwie alles einfacher. Batman und Robin sind die Guten, wenn sie den Joker hinter Gitter bringen, und wenn man bei klarem Menschenverstand ist, muss man MacGyver die Daumen drücken, wenn sich Murdoc mal wieder mit ihm anlegt. In den guten alten 1980er-TV-Serien konnte man die Guten und die Bösen nach wenigen Minuten auseinanderhalten. Aber: "Die Welt ist grau, Jack", wurde Harrison Ford schon 1994 in "Das Kartell" an den Kopf geworfen.

Das scheint nun auch für den Streit Lotus vs. Lotus zu gelten. Zuerst schien die Ausgangslage simpel zu sein: auf der einen Seite der sympathische Underdog Tony Fernandes, der David Hunt die Original-Lizenz zur Verwendung des Namens Team Lotus abgekauft hat, auf der anderen Seite die übermächtige Lotus-Gruppe, hinter der mit Proton ein wohlhabender und einflussreicher Staatskonzern steht. David (Fernandes/Hunt) gegen Goliath (Lotus-Gruppe/Proton) - bei indifferenzierter Betrachtung war klar, wem man da moralisch gesehen die Daumen drückt.

Lotus vs. Lotus vs. Lotus

Doch nun erhält Lotus vs. Lotus eine weitere Dimension - wir stehen sozusagen schon bei Lotus vs. Lotus vs. Lotus. Denn David Hunt, Bruder des verstorbenen Formel-1-Champions James Hunt, ist mit Fernandes längst nicht mehr so einig, wie das lange Zeit den Anschein hatte. Das weiß man aber nicht erst seit dem heutigen Artikel des 'Telegraph', sondern im Grunde genommen schon seit ein paar Monaten.

Es war am 24. November 2010, als uns ein deutscher Leser per E-Mail auf die Internetseite saveteamlotus.com aufmerksam machte. Prinzipiell haben wir bei 'Motorsport-Total.com' nichts dagegen, für Online-Initiativen zu werben, solange uns diese sinnvoll erscheinen und wir damit nicht instrumentalisiert werden. Also schickte ich dem Betreiber der Internetseite eine E-Mail, um seine Identität und seine Motive zu erfragen.

Ein paar Minuten später schon klingelte in meinem Büro das Telefon. "Warum wollen Sie wissen, wer die Seite betreibt?", fragte mich das andere Ende der Leitung. "Weil ich mich nicht instrumentalisieren lasse, ohne zu wissen, was im Hintergrund steckt." Kurzes Zögern, dann die Antwort: "This is David Hunt speaking." Jener Mann also, der das ursprüngliche Team Lotus 1995 zusperren musste und immer vorhatte, es eines Tages wieder in die Formel 1 zu bringen - was ihm nur durch Fernandes' Hilfe gelang.

Christian Nimmervoll

Christian Nimmervoll hofft, dass die Guten gewinnen und nur ein Lotus übrig bleibt Zoom

Hunt erklärte mir in einem sehr offen geführten und über weite Strecken nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Gespräch seine Sicht der Dinge im Streit Lotus vs. Lotus. Er ließ durchblicken, dass er Malaysiern (nicht nur Proton ist ein malaysischer Staatskonzern, auch Fernandes und seine Partner besitzen malaysische Pässe) im Allgemeinen misstraut, seit er mehrfach von ihnen hintergangen wurde. Details erspare ich mir, weil ich um Verschwiegenheit gebeten wurde. Das respektiere ich. Die Krux von der Geschichte ist aber: Zwischen Hunt und Fernandes, einer vermeintlichen Underdog-Allianz gegen die mächtige Lotus-Gruppe, war die Welt damals schon nicht mehr in Ordnung.

Von Fernandes enttäuscht

Laut 'Telegraph'-Recherchen haben sich Hunt und Fernandes aber noch im Januar auf einen Pakt geeinigt. Wie dieser genau ausgesehen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Hunt sagt den Kollegen aber "on Record", wie es im Medienjargon heißt, dass er "anfangs" große Hoffnungen in Fernandes und Co. gesetzt hat, diese nun aber enttäuscht wurden. Es mache ihn "wütend", in "gutem Glauben" für Fernandes gearbeitet zu haben, denn: "Tony soll sein Wort halten. Wenn nicht, dann sehe ich nicht, warum ich ihn weiter unterstützen (...) sollte."

¿pbvin|512|2205||0|1pb¿Mit Unterstützung bezieht sich Hunt vor allem auf die heutige Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof in London. Der soll nämlich entscheiden, ob die Lotus-Gruppe die Lizenzvereinbarung mit dem Lotus-Team rechtmäßig aufgekündigt hat. Denn wir erinnern uns: Lotus trat 2010 als Lotus Racing an (unter Lizenz der Lotus-Gruppe) und kaufte Hunt die Team-Lotus-Lizenz erst Ende des vergangenen Jahres ab. Verwirrend, oder?

Aber wer ist nun der Gute? Tony Fernandes, der sympathische Underdog, der nun angeblich David Hunt verklagt? David Hunt, der Traditionalist, mit dem irgendwie keiner mehr zu können scheint? Dany Bahar, der "erste Ritter" der Lotus-Gruppe, die alleine schon wegen ihrer fast uneingeschränkten finanziellen Mittel bei den Fans einen schweren Stand hat? Ich wünsche mir im Interesse des Sports inzwischen nur noch eines: dass am Ende nur ein Lotus übrig bleibt.

Stimmt schon: Die Welt ist grau, Jack.

Ihr

Christian Nimmervoll

PS für das Protokoll: Solange die Lotus-Gruppe bei Renault nur Sponsor ist und nicht als Chassiskonstrukteur in der offiziellen FIA-Nennliste aufscheint, heißt das Team für uns bei 'Motorsport-Total.com' schlicht und einfach weiterhin Renault.