• 08.02.2011 11:13

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

KERS: Renault auf Theissens Spuren

Renault plant für alle 20 Saisonrennen mit KERS und ist von den Fortschritten des Systems überzeugt: "Es wäre ungewöhnlich, KERS nicht zu haben"

(Motorsport-Total.com) - "Wer dieses Jahr Weltmeister werden will, muss KERS haben." Dieser Satz des damaligen BMW-Sportdirektors Mario Theissen, zu Protokoll gegeben in einem TV-Studio kurz vor dem ersten Saisonrennen, entpuppte sich 2009 als die Fehlprognose des Jahres. Jetzt hält das Hybridsystem wieder in die Formel 1 Einzug - und wieder lehnt sich jemand wie damals Theissen aus dem Fenster.

Titel-Bild zur News: Renault-KERS

Im ersten Anlauf kam Renault mit KERS überhaupt nicht zurecht

"Für die Autos an der Spitze des Feldes wäre es ungewöhnlich, KERS nicht zu haben", kündigt Renault-Motorenchef Rob White im Interview mit 'Motorsport-Total.com' an. Der Papierform nach sollte die Energierückgewinnungs-Technologie auch besser funktionieren als 2009, weil die Rahmenbedingungen verändert wurden. Gleich geblieben sind nur die Leistungsdaten: Einmal pro Runde kann jeder Fahrer für einen Zeitraum von 6,7 Sekunden mittels Knopfdruck 82 zusätzliche PS (60 Kilowatt) abrufen.

Voraussetzungen verändert

Doch anno 2009 hatten die KERS-Teams einen großen Nachteil, weil das Mindestgewicht der Autos damals bei 605 Kilogramm lag und die Gewichtsverteilung stark beeinträchtigt wurde - in Einzelfällen wurden die 605 Kilogramm wegen KERS sogar übertroffen. Jetzt muss ein Formel-1-Auto mindestens 640 Kilogramm wiegen, zudem ist die Gewichtsverteilung (allerdings wegen der neuen Pirelli-Reifen) festgeschrieben. Obendrein sind die KERS-Einheiten natürlich auch kompakter und leichter geworden.

"2009 gab es eine legitime Debatte darüber, ob KERS überhaupt einen Vorteil darstellt", erinnert sich White, dessen Arbeitgeber Renault im Rahmen der KERS-Diskussionen stets für eine Erhöhung der technischen Kapazitäten des Systems plädiert hat: "Eine Maßnahme, da Klarheit zu schaffen, wäre gewesen, die zur Verfügung stehende Energie pro Runde zu erhöhen. Schon 2009 wäre es auf diese Weise mit null bis wenig Aufwand, was die Batterien angeht, möglich gewesen, die Nettoperformance zu erhöhen."

¿pbvin|512|1419||0|1pb¿"Das technische Reglement", erläutert er, "ist in Bezug auf KERS unverändert geblieben. Es gibt Detailänderungen, aber die zusätzliche Leistung bleibt auf 60 Kilowatt limitiert und die Energie auf 400 Kilojoule pro Runde. Es gibt aber andere technische und sportliche Regeln, die den Einsatz von KERS 2011 begünstigen. Erstens wurde das Mindestgewicht erhöht. Zweitens ist die Gewichtsverteilung festgeschrieben. Drittens haben wir keine Tankstopps mehr."

Letzteres wirkt sich wegen der früher unterschiedlichen Benzinmengen in Qualifying und Rennen positiv aus, bringt aber auch einen kleinen Nachteil mit sich. Denn durch das Verbot der Tankstopps sind die Tanks natürlich voluminöser geworden, was Platz für eine optimale KERS-Integration frisst. Daher war es "eines der signifikanten Ziele, Gewicht zu verlieren und kleiner zu werden", unterstreicht White. Zudem wurde KERS von einigen Teams aus den Seitenkästen rausgenommen und direkt am Tank platziert.

Diät ohne Leistungsverlust

Der Themenkomplex Integration/Gewicht war besonders für Renault wichtig, denn die Franzosen waren diesbezüglich 2009 so schlecht aufgestellt, dass sie KERS nach einigen wenigen Rennen wieder ausgebaut haben: "Wir haben uns sehr bemüht, im Vergleich zum vorherigen System Gewicht zu sparen und die Integration zu verbessern. Mit der Performance waren wir schon 2009 zufrieden, aber in Sachen Gewicht und Integration waren wir nicht die Besten. Wir haben eine Diät absolviert und dabei versucht, keine Performance zu verlieren", schildert White.

Das dürfte gelungen sein, denn Teamchef Eric Boullier geht gegenüber 'Motorsport-Total.com' davon aus, dass Renault KERS in allen 20 Rennen einsetzen wird: "Wahrscheinlich ja. Ich muss die Designer loben, denn sie haben bei der Integration von KERS sehr gute Arbeit geleistet, ohne die Balance oder das Gewicht zu stark zu beeinflussen", so der Franzose. Und White fügt an: "Batterietechnologie ist ein sich sehr schnell entwickelndes Segment. Das spielt bei der Verbesserung von KERS eine sehr wichtige Rolle."

Kamui Kobayashi

KERS ist wieder da - und damit auch die Schutzhandschuhe bei den Mechanikern Zoom

Denn die Energie, die beim Bremsvorgang gespeichert wird und später mittels Knopfdruck freigesetzt werden kann, wird in Lithium/Ionen-Batterien "zwischengelagert". Diese Technologie macht derzeit rasante Fortschritte und wirkt sich auch auf die Formel 1 positiv aus. Sogar Williams hat sich daher für eine Batterieversion entschieden, obwohl die Briten auch eine KERS-Variante entwickelt haben, bei der die Energie mittels eines sich extrem schnell drehenden Schwungrads gespeichert wird.