Kaugummi & Flunsch: Bizarrer Auftritt von Lance Stroll bei der Pressekonferenz
Lance Stroll machte mit einem bizarren Auftritt bei der Pressekonferenz von sich reden: Er kaute Kaugummi und war wie immer ein Quell der Freude (Ironie aus)
(Motorsport-Total.com) - Sieht so jemand aus, der sich wirklich auf sein Heimrennen freut und der es laut Pressemitteilung von Aston Martin kaum abwarten kann, nach seiner Handverletzung wieder im Auto zu sitzen? Darüber kann sich jeder selbst ein Urteil bilden, doch welchen Auftritt Lance Stroll am Donnerstag bei der Pressekonferenz hingelegt hat, kann man mehr oder weniger als grotesk bezeichnen.

© Sutton Images
Journalisten bekamen von Stroll dieses Gesicht entgegengesetzt Zoom
Es war eine Presserunde, bei der selbst die unerfahrensten Journalisten ungläubig den Kopf schüttelten über das, was sie gerade miterlebt hatten. Strolls Auftritt beim Medientermin vor dem Kanada-Grand-Prix war ebenso unüberzeugend wie rätselhaft.
Er sprach über die vermeintlich erfreuliche Nachricht, dass er für sein Heimrennen fit genug sei, mit der gleichen Freude, als hätte man ihm mitgeteilt, dass sein Hund gestorben sei. Der Kanadier schleppte sich die Treppe zum Presseraum in Montreal hinauf, als stünde ihm eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt bevor, und ließ sich dann vor den Medienvertretern nieder.
Anstatt zu strahlen und sich darüber zu freuen, dass er nach dem verletzungsbedingten Ausfall beim Spanien-Grand-Prix aufgrund einer Handgelenksverletzung nun wieder fit genug ist, wirkte er in seinen Antworten extrem lustlos - also eigentlich so wie sonst auch. Dieses Mal strahlte er das aber noch mehr aus, in dem er ständig auf seinem Kaugummi die Leute ankatschte.
Über die genaue Ursache der Handgelenksprobleme, die ihn nach einem enttäuschenden Qualifying zum Rückzug aus dem Spanien-Rennen zwangen, hielt er sich bedeckt.
Auch Aston-Martin-Teamchef Andy Cowell hatte sich zum medizinischen Eingriff, dem sich Stroll unterzogen hatte, nicht geäußert - was natürlich sein gutes Recht ist. Bekannt war nur, dass es sich um Folgen seines Radunfalls in der Vorsaison 2023 handelte.
"Es ist einfach die alte Verletzung, die ich vor ein paar Jahren schon einmal hatte. Die hat wieder angefangen, Probleme zu machen, und ja, deshalb habe ich das jetzt behandeln lassen", sagte Stroll, als er nach dem Eingriff gefragt wurde.
Und wie zuversichtlich sei er, dass nach der Behandlung das Problem nicht wieder auftrete? "Ziemlich zuversichtlich - sollte passen", war seine knappe Antwort.
Es ist nie einfach, private medizinische Themen in der Öffentlichkeit zu besprechen. Doch in diesem Fall ist es ungewöhnlich, dass ein Fahrer derart wortkarg bleibt.
Knapp, knapper, Stroll
Auch bei anderen harmlosen Fragen reagierte er flapsig. So wollte Moderator Tom Clarkson wissen: "Nur aus Interesse: Wann warst du das erste Mal auf dem Circuit Gilles Villeneuve?" Eine klassische Aufwärmfrage, bei der man erwartet hätte, dass er etwas Begeisterung für sein Heimrennen zeigt. Die knappe Antwort: "Vor langer Zeit."
Es wurde zunehmend schwer, zuzusehen. Doch neben seiner Haltung war womöglich der größte Erkenntnisgewinn, dass er Berichte über einen Wutausbruch nach dem enttäuschenden Qualifying zumindest nicht bestritt.
Es hatte geheißen, er habe in der Box des Teams Gegenstände beschädigt und ein Teammitglied beschimpft. Auf Nachfrage sagte er: "Ja, ich war frustriert, auf jeden Fall. Frustriert wegen meines Handgelenks in den letzten drei Rennen, das mich beim Fahren eingeschränkt hat."
"Ich wusste, dass der Sonntag schwierig, wahrscheinlich unmöglich werden würde, und in dem Moment war ich ziemlich frustriert darüber."
Da zeigte sich also zumindest etwas Leidenschaft - Leidenschaft, die der Kanadier durchaus auf der Strecke und bei Interviews etwas öfter an den Tag legen könnte.
Cowell: "Er war am meisten enttäuscht von allen"
Glaubt man Teamchef Andy Cowell, dann legt Stroll sehr wohl Ehrgeiz und Emotion an den Tag: "Er ist entschlossen", lobt er. "Er ist komplett fokussiert auf diese Saison. Aber das, was er für 2026 einbringt und wie er unser gesamtes Team auf dem Weg nach vorn stärkt, ist beeindruckend."
"Er und ich haben abends einige wunderbare Gespräche geführt - über die Reise, auf der wir beide uns befinden, und die das Team insgesamt unternimmt. Ich habe nur Bewunderung für seine Entschlossenheit, das Team weiterzubringen. Er will Rennen gewinnen, und er will Weltmeisterschaften gewinnen - genau wie wir alle", betont Cowell.
Gleiches gelte auch für die Leidenschaft, mit der er sich auf sein Comeback in Kanada vorbereitet hat: "Er war derjenige, der am meisten enttäuscht war, dass er am Sonntag in Barcelona nicht fahren konnte - und gleichzeitig die entschlossenste Person im gesamten Team, dieses Wochenende unbedingt am Start zu sein", hebt er hervor.
Cowell weiter: "Ich war sehr beeindruckt davon, wie sehr sich Lance in die Sache reingekniet hat. Er war ein paar Mal im Werk, hat mit den Leuten sowohl für die aktuelle als auch für die kommende Saison gearbeitet."
"Er hat mit Adrian [Newey] zu Mittag gegessen, sich mit ihm über seine Einschätzung ausgetauscht, wo wir als Team stehen und wohin wir uns bewegen. Und dann ging es nach Paul Ricard, nachdem er vorher im Simulator im Werk gefahren ist. Es waren ein paar intensive Tage, aber alles ist außergewöhnlich gut verlaufen."
In Le Castellet testete Stroll ein älteres Auto, um zu schauen, ob es mit seiner Hand wieder geht. Und das tut es, denn obwohl er sich erst kurz nach Barcelona einem Eingriff unterzog, ist er schon wieder fit.
Cowell erklärt seltsamen Zeitpunkt
Da drängt sich aber durchaus die Frage auf, warum man das Problem nicht schon früher behoben hat, wenn es schon so lange besteht. Die Frage blockt Cowell ab: "Ich denke, man muss in solchen Situationen die medizinische Privatsphäre jedes Einzelnen respektieren."
Und dann wäre da ja noch die Frage, warum Stroll ausgerechnet nach dem Qualifying zurückzog, als das Team keine Chance mehr hatte, einen Ersatzfahrer einzusetzen. Hätte man das nicht auch früher wissen können?
"Ich denke, man muss respektieren, dass alle Fahrer extrem wettbewerbsorientierte Spitzensportler sind", meint Cowell dazu. "Ihr Ehrgeiz bedeutet, dass sie fahren wollen, sie wollen im Rennen sein, sie wollen die fünf roten Lichter ausgehen sehen und ein 310-km-Rennen erleben."
"Ich habe großen Respekt vor allen Fahrern und diesem Wettbewerbsgeist - und man sieht das im ganzen Team. Niemand will ein Rennen verpassen, aber wenn aus medizinischen Gründen ein Punkt erreicht ist, an dem es nicht mehr geht, dann muss man stoppen - und genau das war am Samstag in Barcelona der Fall."
"Aber: Lasst uns nach vorne schauen und die Entschlossenheit würdigen, wieder ins Auto zu steigen - die Schritte, die unternommen wurden. Und das waren Schritte, die Lance selbst gehen wollte", betont der Teamchef.
"Er wollte schnell ins Werk, mit den Ingenieuren arbeiten, am Projekt 26 mitwirken, in den Simulator, dort Vorrang vor laufenden Tests erhalten, nach Paul Ricard fahren, das Auto dort hart rannehmen - und dann zu diesem Rennwochenende kommen. Hut ab vor diesem Weg."


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